Dienstag, 25. Mai 2021

Scaled and Icy - neues Album von Twenty one Pilots




Allgemeines

Titel: Scaled and Icy
Interpret: Twenty One Pilots -
Tyler Joseph (Vocals und Instrumental)
und Josh Dun (Percussion)
Label: Fueled by Ramen (21. Mai 2021)
Genre: Electronic/Alternative-Rock/Rap, Indie-Irgendwas-IDK
Titel: 11 Songs (37:38 min)
Weitere Alben: Trench (2018)
Blurryface (2015)
Vessel (2013)
Regional at Best (2011)
Twenty One Pilots (2009)
Link: Hier klicken!


Über das Album:

In letzter Zeit war es was Musiktipps und Empfehlungen angeht sehr ruhig auf diesem Blog. Das liegt vor allem daran, dass meine Mitbloggerin Magda in erster Linie das Label "Listened to this month" aufgebaut hat und ich nicht so gut im Entdecken neuer Bands bin, wie sie es war und ist. Zur Musikneuerscheinung DES JAHRES muss ich mich aber trotzdem zu Wort melden. Letzte Woche am Freitag, am 21. Mai 2021 ist nämlich ein neues Studioalbum meiner Lieblingsband erschienen. Wenn Ihr aufmerksame Verfolger dieses Blogs seid, wisst Ihr, dass ich schon seit mehreren Jahren ein großer Twenty One Pilots Fan bin und auch auf die Veröffentlichung des letzten Albums "Trench" im Oktober 2018 lange hingefiebert habe. Kaum zu glauben, dass seit dort schon wieder drei Jahre vergangen sind. Tyler Joseph und Joshua Dun haben die Zeit aber gut genutzt und neben der Corona-Single "Level of Concern" ein ganzes Album mit 11 Songs aufgenommen. 

Meine Eindrücke:

Wie die letzten Alben ist auch das neue Album vom Plattenlabel Fueled by Ramen herausgebracht worden und hat die Skeleton Clique mal wieder in wildes Rätselraten versetzt und wahre Interpretationsorgien angestoßen. Das beginnt schon mit dem Titel des Albums, "Scaled and Icy", die Abkürzung für "scaled back und isolated" ("zurückgeschraubt und isoliert") was eine Anspielung auf die isolierte, spezielle Entstehungsweise des Albums zwischen Videokonferenzen und den beiden getrennten Studios des Duos am jeweils anderen Ende der USA ist. Außerdem haben findige Fans entdeckt, dass der Albumtitel zugleich ein Anagramm von "Clancy is dead" ist, was als Anspielung auf den Protagonisten ihres vorherigen Albums Trench zu verstehen ist. Für alle, die nicht so tief im Twenty-One-Pilots-Narrativ sind: Im letzten Album "Trench" hat das Duo aus Ohio die zuvor schon eingebundenen Protagonisten wie zum Beispiel Tylers Alter Ego Blurryface, das seine tiefsten Ängste und Dämonen verkörpert, durch eine Reihe neue ergänzt und die zuvor unterschwellige Zusammenhänge der Songs zu einem ganzen Handlungsstrang ausgeweitet. Mit Dema lernten wir im letzten Album eine dystopische Welt kennen, in der böse Bischöfe den Protagonisten Clancy gefangen hielten und dessen Ausbruchsversuche in zahlreichen Songs thematisiert wurden. 

Wie der Titel des Albums und dessen Anagramm jedoch sagen, schließt "Scaled and Icy" nicht wie ich erwartet hätte direkt an "Trench" an und erzählt sowohl inhaltlich als auch musikalisch eine andere Geschichte. Tyler Joseph ließ jedoch verlauten, dass er mit Dema noch nicht durch ist und dem Handlungsstrang noch ein weiteres Album widmen will. Ganz so konzeptuell wie in "Trench" geht es hier also nicht weiter. Die Hardcore Fans sind aber natürlich dennoch wieder fleißig am puzzeln und spekulieren, um Verbindungen und Anspielungen zur vorherigen Alben zu finden. Wenn man genau hinsieht, ist hier auch ein Narrativ vorhanden, aber viel weniger komplex und nicht so aufdringlich, dass man sich gezwungen fühlen würde, sich damit auseinanderzusetzen. Dafür erzählen die Songs zum Teil für sich alleine stehend kleine Geschichten. So ist "Scaled and Icy" einfacher zu verstehen und leichter zugänglich, büßt aber ein bisschen Tiefe ein. 

"Scaled and Icy" ist also wie eine Art Zwischenspiel zu verstehen, das durch die Corona-Pandemie beeinflusst wurde. Eine weitere große Überraschung ist, dass die Krise jedoch nicht auf düstere, klagende Art verarbeitet wird, sondern wir hier eher ein unbeschwertes Komfort-Zonen Album beobachten. Schon beim ersten Reinhören fällt auf, dass die Songs fröhlicher sind, als man das von Twenty One Pilots gewohnt ist. Mit wenigen Rap, oder Scream-Passagen, vielen eingängigen Refrains und zum Teil sogar tanzbaren Beats könnte der Kontrast zum schwermütigen "Trench" kaum größer sein. Die fröhlichen, bunten Pastellfarben des Albumcovers werden hier also Programm und musikalisch in einen 80‘s Style übersetzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass der ursprüngliche Stil der Band verloren gehen, oder "Scaled and Icy" komplett an der Realität vorbei ein glückliches Gesicht aufsetzen würde. Unter der oberflächlichen Unbeschwertheit geht es um ähnliche Themen wie zuvor: Angst, Mental-Health, Einsamkeit, Langeweile, Tod, Verlust und Selbstzweifel spielen auch hier inhaltlich eine große Rolle, nur eben fröhlicher und weniger offensichtlich verpackt. 

Das perfekte Beispiel dafür ist schon der Auftakt "Good Day", welcher durch Vogelgezwitscher, fröhlichen Upbeat und ein sehr prominentes Piano einen unbeschwerten Beatles-Vibe verströmt, dessen Text jedoch eher eine andere und beinahe ironische Sprache spricht. Auch die zweite Single der Platte, "Choker" nimmt mit einem fröhlichen Beat mit und offenbart erst im Text Abgründe - "chokin' on the circumstance, self-sabotage is a sweet romance". Die erste Single des Albums, "Shy Away" ist eins meiner unbestreitbaren Highlights, das ich schon beim ersten Hören geliebt habe. "The Outside" ist dagegen ein typischer "Grower", also ein Song, der erst nach mehrmaligem Hören wirklich gut wird. Da ich das Album jedoch die letzten Tage in Dauerschleife hoch und runter gehört habe, bin ich mittlerweile schon ganz verliebt in den Song. Der vierte Song, "Saturday" erinnert an den neuen "Panic! At The Disco"-Sound und ist zugleich eine Hommage an Tylers Familie, die ihn durch die Corona Pandemie trägt. Besonders an dem peppigen Song sind vor allem die verrückten Pausen, die mich auch nach dem 20. Hören immer wieder aufs Neue überrumpeln. 

Der Mittelteil des Albums wird dann etwas unstet. Die dritte Single, "Never Take It" bringt mit einem auffallenden Gitarrensolo und starker E-Bass-Linie eine neue Seite der Band zum Vorschein, während "Mulberry Street" eher an alte Blurryface-Songs erinnert, wo eine Ukulele natürlich auch nicht fehlen darf. Mit dem darauffolgenden "Formidable" konnte ich dann wieder weniger anfangen, da die Folk-Pop-Vibes und der erstaunlich kitschige Text irritieren. Das bislang für mich schlechteste Lied ist aber "Bounce Man", das mit Querflöte, fröhlichem Background-Chor und eher random-Text einen wenig spektakulären Indieweg geht. Nach dem Mittelteil kommt aber nochmal ein spektakuläres Finale mit zwei Songs, die es mir sehr angetan haben. "No Chances" ist das mit Abstand düsterste Lied des Album und führt in Ansätzen den Dema-Clancy-Handlungsstrang aus "Trench" weiter. Mit den Rapparts, dem tiefen Mönchschor, dem eingängigen Beat und dem ruhigen Chorus ist der Song einfach episch und sticht deshalb etwas aus dem Comfty-Indie-Pop hervor. Der Albumsabschluss "Redecorate" ist das längste Lied mit den wohl reichhaltigsten Lyrics. Besonders gut gefallen mir hier auch die Drums am Ende. 

Auch im insgesamt fröhlicheren Gesamtkontext gibt es also Genresprünge und unter der unbeschwerten Oberfläche ist wieder einiges zu entdecken. Die beiden Künstler haben hier also mal wieder die größte Angst ihrer Fans widerlegt: obwohl sie mittlerweile die größten Stadien füllen können, passen sie sich nicht der Mainstream-Kultur an und versuchen immer wieder etwas Neues, wobei ihre nachdenkliche und unkonventionelle Spielart und der kompromisslose Genremischmasch jedoch immer beibehalten wird. Sechs Alben haben wir nun hinter uns, sechs Alben voll mit Tracks, die mit den Genre-Grenzen spielen, ständig Neues ausprobieren, dabei unzählige Hits abliefern und trotzdem ihren typischen originellen "TOP-Stil" beibehalten. Wer von der Band also noch nichts gehört hat, muss dringend mal vorbeihören! 

Fazit

"Scaled and Icy" ist ein tolles Zwischenspiel, das erfolgreich und stimmig einen anderen Stil ausprobiert. Dennoch freue ich mich auf die Weiterführung des Trench-Handlungsstrang inklusive der eher düsteren Atmosphäre, die Tyler Joseph für das nächste Album angekündigt hat.

Hört doch mal rein:


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