Allgemeines
Titel: Scaled and Icy
Interpret: Twenty One Pilots -
Tyler Joseph (Vocals und Instrumental)
und Josh Dun
(Percussion)
Label: Fueled by Ramen (21. Mai 2021)
Genre: Electronic/Alternative-Rock/Rap, Indie-Irgendwas-IDK
Titel:
11 Songs (37:38 min)
Weitere Alben: Trench (2018)
Blurryface (2015)
Vessel (2013)
Regional at Best (2011)
Twenty One Pilots (2009)
Link:
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Über das Album:
In letzter Zeit war es was Musiktipps und Empfehlungen angeht sehr ruhig auf
diesem Blog. Das liegt vor allem daran, dass meine Mitbloggerin Magda in
erster Linie das Label "Listened to this month" aufgebaut hat und ich
nicht so gut im Entdecken neuer Bands bin, wie sie es war und ist. Zur
Musikneuerscheinung DES JAHRES muss ich mich aber trotzdem zu Wort melden.
Letzte Woche am Freitag, am 21. Mai 2021 ist nämlich ein neues
Studioalbum meiner Lieblingsband erschienen. Wenn Ihr aufmerksame Verfolger
dieses Blogs seid, wisst Ihr, dass ich schon seit mehreren Jahren ein
großer Twenty One Pilots Fan bin und auch auf die
Veröffentlichung des letzten Albums "Trench" im Oktober 2018 lange hingefiebert habe. Kaum zu glauben, dass seit dort
schon wieder drei Jahre vergangen sind. Tyler Joseph und Joshua Dun haben
die Zeit aber gut genutzt und neben der Corona-Single "Level of Concern" ein ganzes Album mit 11 Songs aufgenommen.
Meine Eindrücke:
Wie die letzten Alben ist auch das neue Album vom Plattenlabel
Fueled by Ramen herausgebracht worden und hat die Skeleton
Clique mal wieder in wildes Rätselraten versetzt und wahre
Interpretationsorgien angestoßen. Das beginnt schon mit dem Titel des
Albums, "Scaled and Icy", die Abkürzung für "scaled back und isolated" ("zurückgeschraubt und isoliert") was eine Anspielung auf die
isolierte, spezielle Entstehungsweise des Albums zwischen Videokonferenzen
und den beiden getrennten Studios des Duos am jeweils anderen Ende der USA
ist. Außerdem haben findige Fans entdeckt, dass der Albumtitel zugleich
ein Anagramm von "Clancy is dead" ist, was als Anspielung auf den
Protagonisten ihres vorherigen Albums Trench zu verstehen ist. Für alle,
die nicht so tief im Twenty-One-Pilots-Narrativ sind: Im letzten Album
"Trench" hat das Duo aus Ohio die zuvor schon eingebundenen
Protagonisten wie zum Beispiel Tylers Alter Ego Blurryface, das seine
tiefsten Ängste und Dämonen verkörpert, durch eine Reihe neue ergänzt und
die zuvor unterschwellige Zusammenhänge der Songs zu einem ganzen
Handlungsstrang ausgeweitet. Mit Dema lernten wir im letzten Album eine
dystopische Welt kennen, in der böse Bischöfe den Protagonisten Clancy
gefangen hielten und dessen Ausbruchsversuche in zahlreichen Songs
thematisiert wurden.
Wie der Titel des Albums und dessen Anagramm jedoch sagen, schließt "Scaled and Icy" nicht wie ich erwartet hätte direkt an "Trench" an und erzählt sowohl
inhaltlich als auch musikalisch eine andere Geschichte. Tyler Joseph ließ
jedoch verlauten, dass er mit Dema noch nicht durch ist und dem
Handlungsstrang noch ein weiteres Album widmen will. Ganz so konzeptuell wie in "Trench" geht es hier also nicht
weiter. Die Hardcore Fans sind aber natürlich dennoch wieder fleißig am
puzzeln und spekulieren, um Verbindungen und Anspielungen zur vorherigen
Alben zu finden. Wenn man genau hinsieht, ist hier auch ein Narrativ
vorhanden, aber viel weniger komplex und nicht so aufdringlich, dass man
sich gezwungen fühlen würde, sich damit auseinanderzusetzen. Dafür erzählen die Songs zum Teil für sich alleine stehend kleine
Geschichten. So ist "Scaled and Icy" einfacher zu verstehen und leichter
zugänglich, büßt aber ein bisschen Tiefe ein.
"Scaled and Icy" ist also wie eine Art Zwischenspiel zu verstehen,
das durch die Corona-Pandemie beeinflusst wurde. Eine weitere große
Überraschung ist, dass die Krise jedoch nicht auf düstere, klagende Art
verarbeitet wird, sondern wir hier eher ein unbeschwertes Komfort-Zonen
Album beobachten. Schon beim ersten Reinhören fällt auf, dass die Songs
fröhlicher sind, als man das von Twenty One Pilots gewohnt ist. Mit wenigen
Rap, oder Scream-Passagen, vielen eingängigen Refrains und zum Teil sogar
tanzbaren Beats könnte der Kontrast zum schwermütigen "Trench" kaum
größer sein. Die fröhlichen, bunten Pastellfarben des Albumcovers werden
hier also Programm und musikalisch in einen 80‘s Style übersetzt. Das
bedeutet jedoch nicht, dass der ursprüngliche Stil der Band verloren gehen,
oder "Scaled and Icy" komplett an der Realität vorbei ein glückliches
Gesicht aufsetzen würde. Unter der oberflächlichen Unbeschwertheit geht es
um ähnliche Themen wie zuvor: Angst, Mental-Health, Einsamkeit,
Langeweile, Tod, Verlust und Selbstzweifel spielen auch hier inhaltlich eine
große Rolle, nur eben fröhlicher und weniger offensichtlich verpackt.
Das perfekte Beispiel dafür ist schon der Auftakt "Good Day", welcher
durch Vogelgezwitscher, fröhlichen Upbeat und ein sehr prominentes Piano
einen unbeschwerten Beatles-Vibe verströmt, dessen Text jedoch eher eine
andere und beinahe ironische Sprache spricht. Auch die zweite Single der
Platte, "Choker" nimmt mit einem fröhlichen Beat mit und offenbart
erst im Text Abgründe - "chokin' on the circumstance, self-sabotage is a sweet romance". Die erste Single des Albums, "Shy Away" ist eins meiner
unbestreitbaren Highlights, das ich schon beim ersten Hören geliebt habe.
"The Outside" ist dagegen ein typischer "Grower", also ein Song, der
erst nach mehrmaligem Hören wirklich gut wird. Da ich das Album jedoch die
letzten Tage in Dauerschleife hoch und runter gehört habe, bin ich
mittlerweile schon ganz verliebt in den Song. Der vierte Song, "Saturday" erinnert an den neuen "Panic! At The Disco"-Sound und ist zugleich eine Hommage an Tylers
Familie, die ihn durch die Corona Pandemie trägt. Besonders an dem peppigen Song
sind vor allem die verrückten Pausen, die mich auch nach dem 20. Hören
immer wieder aufs Neue überrumpeln.
Der Mittelteil des Albums wird dann etwas unstet. Die dritte Single,
"Never Take It" bringt mit einem auffallenden Gitarrensolo und
starker E-Bass-Linie eine neue Seite der Band zum Vorschein, während "Mulberry Street"
eher an alte Blurryface-Songs erinnert, wo eine Ukulele natürlich auch nicht fehlen darf. Mit dem darauffolgenden
"Formidable" konnte ich dann wieder weniger anfangen, da die
Folk-Pop-Vibes und der erstaunlich kitschige Text irritieren. Das bislang
für mich schlechteste Lied ist aber "Bounce Man", das mit Querflöte,
fröhlichem Background-Chor und eher random-Text einen wenig spektakulären
Indieweg geht. Nach dem Mittelteil kommt aber nochmal ein spektakuläres
Finale mit zwei Songs, die es mir sehr angetan haben. "No Chances"
ist das mit Abstand düsterste Lied des Album und führt in Ansätzen den
Dema-Clancy-Handlungsstrang aus "Trench" weiter. Mit den Rapparts,
dem tiefen Mönchschor, dem eingängigen Beat und dem ruhigen Chorus ist der
Song einfach episch und sticht deshalb etwas aus dem Comfty-Indie-Pop
hervor. Der Albumsabschluss "Redecorate" ist das längste Lied mit den
wohl reichhaltigsten Lyrics. Besonders gut gefallen mir hier auch die Drums
am Ende.
Auch im insgesamt fröhlicheren Gesamtkontext gibt es also Genresprünge und
unter der unbeschwerten Oberfläche ist wieder einiges zu entdecken. Die
beiden Künstler haben hier also mal wieder die größte Angst ihrer Fans
widerlegt: obwohl sie mittlerweile die größten Stadien füllen können, passen
sie sich nicht der Mainstream-Kultur an und versuchen immer wieder etwas
Neues, wobei ihre nachdenkliche und unkonventionelle Spielart und der
kompromisslose Genremischmasch jedoch immer beibehalten wird. Sechs Alben
haben wir nun hinter uns, sechs Alben voll mit Tracks, die mit den
Genre-Grenzen spielen, ständig Neues ausprobieren, dabei unzählige Hits
abliefern und trotzdem ihren typischen originellen "TOP-Stil"
beibehalten. Wer von der Band also noch nichts gehört hat, muss dringend mal
vorbeihören!
Fazit
"Scaled and Icy" ist ein tolles Zwischenspiel, das erfolgreich
und stimmig einen anderen Stil ausprobiert. Dennoch freue ich mich auf
die Weiterführung des Trench-Handlungsstrang inklusive der eher
düsteren Atmosphäre, die Tyler Joseph für das nächste Album
angekündigt hat.
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