Allgemeines
Titel: Between Your Words
Autor: Emma Scott
Verlag: LYX (29. Januar 2021)
Genre: New Adult
ISBN-10:
3736314280
ISBN-13: 978-3736314283
ASIN:
B087RRNCW3
Seitenzahl: 464 Seiten
Originaltitel: A
Five Minute Life
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
14€
(Broschiert)
Link:
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Inhalt
Bewertung
Das einzige, von dem ich nicht wieder komplett hin und weg bin, ist das
Cover. Grundsätzlich ist es mal wieder sehr schön anzusehen mit dem metallisch
blau-silbrig-glänzendem Hintergrund, der an eine Nahaufnahme eines
Schneckenhaus erinnert. Wie aber bei fast allen Cover-Gestaltungen des
LYX-Verlag fehlt unter der hübschen Oberfläche die tiefere Bedeutung: die
Verbindung zum Inhalt. Auch der Titel, "Between Your Words" versetzt
mich nicht gerade in Begeisterung. Ich habe das bestimmt mittlerweile an die
100-mal gesagt in Rezensionen, aber ich wiederhole es gerne nochmal: ich kann
einfach nicht nachvollziehen, weshalb man einen bestehenden, perfekten
Originaltitel ändern muss (außer aus Urheberrechtsgründen natürlich) und wenn
man es doch tut, warum man dann einen anderen englischen Titel wählt. "Between Your Words" ist zwar kein kompletter Griff ins Klos, da die Wortketten, die die
Hauptfigur in ihre Kunstwerke einwebt, eine wichtige Rolle für die Handlung
spielen, "A Five Minute Life" trifft den ganzen Kern der Geschichte
jedoch weeeesentlich besser!
So, das war dann aber auch schon wieder mit der Kritik, da mir hier
(anders als sonst) kein einziger zentraler Punkt eingefallen ist, der die
Geschichte aus meiner Sicht besser machen würde. Wie schon durch den Titel
angekündigt, liegt die Magie der Geschichte zwischen den Zeilen, zwischen den
Worten, in den Emotionen der Figuren und deren vorsichtiger Entwicklung. Emma
Scott schafft es wie keine Zweite, intensiv Schmerz und Liebe
gegenüberzustellen und den Leser damit zum Weinen, zum Lachen und zum
Mitfiebern zu bringen. Die Sensibilität, mit der sie dem Leser einen Blick ins
Innere ihrer Protagonisten gewährt, die Grausamkeit, mit der sie uns und ihre
Geschöpfe konfrontiert und die viele Liebe, mit der sie ihre und unsere Herzen
heilt, sind wirklich erstaunlich.
Der Beginn ist angesichts Theas schwerer Hirnverletzung und ihrer aktuellen
Situation ein wenig deprimierend, weckt aber gleichzeitig auch Faszination,
Neugierde und Mitleid beim Leser. Wir lernen unsere spätere Protagonistin nach
einem kurzen Prolog aus ihrer Sicht erstmal als medizinischen Spezialfall aus
der Sicht des Hilfspflegers Jim kennen, der nach der Schließung seines alten
Arbeitsplatzes neu im Blue Ridge Sanatorium anfängt. Schon bei ihrer ersten
Begegnung ist er fasziniert von der jungen, schönen Frau, die seit ihrem
Unfall ihr Leben in 5-Minuten-Schritten leben muss. Mit jedem Gespräch, jedem
Spaziergang, jedem Blick auf ihre Kunst kommt er Thea näher und beginnt daran
zu zweifeln, ob sie sich nicht doch bewusst ist, dass sie in ihrem eigenen
Kopf gefangen ist, gezwungen, Tag für Tag dieselben Gespräche zu führen und
dieselben geliebten Menschen neu kennenzulernen...
Ich war zu Beginn etwas skeptisch angesichts der Einbindung der anterograden
Amnesie, aber die Umsetzung des neuropsychologischen Phänomens rockt. Ich bin
zwar keine Neurochirurgin, aber mittlerweile schon ein kleines bisschen vom
Fach und finde alles im Rahmen des Plausiblen. Besonders interessant im ersten
Teil sind die wenigen kurzen Ausschnitte aus Theas Perspektive, die sehr
eindrücklich übermitteln, wie es sein muss, in seiner eigenen Zeitschleife
gefangen zu sein. Das ist eine wahnsinnig beklemmende Vorstellung und da sich
beim Lesen natürlich der Gedanke aufdrängt, was man selbst in einer solchen
Situation wohl denken, fühlen und tun würde, ist es emotional ganz schön
anstrengend, sich auf diese Perspektive einzulassen. Da finde ich es sehr
angebracht, dass es eine Triggerwarnung gibt, denn zusätzlich zum "gefangen im eigenen Kopf"-Phänomen, dem Verlust ihrer Eltern beim Unfall und all dem Stress, der dies
für die Figuren bedeutet, bringt Emma Scott hier noch ein weiteres ernstes
Thema mit ein, das ich hier aus Spoilergründen nicht weiter nennen will.
Das ist insgesamt bei weitem keine leichte Kost für eine Liebesgeschichte,
dafür ist Emma Scott jedoch auch nicht bekannt. "Between Your Words" ist wie alle ihre Geschichten zwar leise und sensibel erzählt, aber mit
brüllend lauten Schicksalen. Ruhig und ereignislos im Verlauf, aber
hochdramatisch unter der Oberfläche. Auch wenn die Handlung in diesem ersten
Abschnitt wirklich nicht von Höhepunkten und wildem Auf und Ab geprägt ist,
hat mich das, was Jim, aber vor allem Thea erdulden müssen immer wieder
sprachlos gemacht. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir sowohl zu Jim,
als auch zu Thea während dieses ersten Teils in der Klinik schon eine tiefe
Verbindung aufbauen - und das ohne Thea überhaupt richtig zu kennen. Manche
LeserInnen haben kritisiert, dass Jim und seine Hintergrundgeschichte ein
bisschen zu blass bleiben. Das kann ich gut nachvollziehen, da wir ihn im
ersten Teil fast nur im Klinikkontext kennenlernen und auch später Theas
Problem und die Liebesgeschichte klar im Vordergrund steht. Dennoch bekommen
wir schon früh einen ausführlichen Eindruck von ihm und beginnen, ihn für
seine Fürsorge, seine Einfühlsamkeit und seiner Sanftheit zu
lieben. Ich weiß auch nicht wieso, aber die Autorin hat einfach ein Händchen dafür,
männliche Protagonisten zu erschaffen, die mich mit ihrer poetischen
Tiefgründigkeit und gequälte Intensität immer wieder vom Hocker hauen. Nach
Isaac in "Never Doubt" dachte ich, ich würde keinen New-Adult-Protagonisten mehr lieben können,
aber here it is: ein neuer und noch anbetungswürdigerer Love Interest (mein
armes Herz, seufz).
Und dann, als wir uns ausreichend in Jim verliebt haben und angesichts der
Tragik und Unmöglichkeit der Situation für Thea und seine Liebe zu ihr
verzweifelt sind, ... dann beginnt nach etwa 200 Seiten Teil 2 der
Geschichte. Ganz im Gegensatz zum eher erdrückenden ersten Teil ist
dieser überbordend vor Energie, Hoffnung und Lebenslust. Das macht ihn
teilweise ein bisschen anstrengend zu lesen (da wir die zuvor so passive,
hilflose Figur am liebsten bremsen und zurückhalten wollen), furchtbar
tragisch (da wir ahnen, dass die Hoffnung trügerisch ist und schon eine
Katastrophe am Horizont aufzieht) und trotzdem zum schönsten Teil der
Geschichte. Hier darf nun auch endlich Thea aus ihrer Perspektive erzählen.
Ihre Charakterisierung, als sie für länger als 5 Minuten erwacht, ist
wahnsinnig interessant gemacht, auch wenn ich verstehen kann, weshalb der
ein oder andere Leser ein Problem mit ihr haben könnte. Ihr starker
Lebensdrang, ihre fröhliche, überschwängliche Art, die über Einsamkeit und
Unsicherheit hinwegtäuscht, ihre laute Buntheit - das alles erscheint
vielleicht etwas zu viel, ist aber angesichts der Entwicklung zuvor
wunderbar stimmig, da alles, was in ihrem minimalbewussten Zustand
durchgeschimmert war, nun voll aufgedreht sichtbar wird. Genau wie ihr
Charakter erscheint der gesamte Mittelteil ein kleines bisschen over-the-top
(sowohl die Länge des Abschnitts, die Intensität, der Schreibstil und die
Sex-Szenen schlagen ein wenig über die Stränge), angesichts dessen was davor
und danach kommt, ist das jedoch mehr als gerechtfertigt und kein Anlass für
Kritik.
Jim: "Erinnere dich für mich." Tränen liefen über ihre Wangen und meine Finger, dann zog sie mich an sich, ihre Stimme zitterte. "Erinnere dich an uns... wenn ich es nicht kann."
Denn dann kommt Teil 3 und der ist einfach nur "AUTSCH". Klar, man
erwartet am Ende doch irgendwie ein Happy End, aber Emma Scott hat in diesem
letzten Teil mein Herz gründlich zerlegt. Dadurch, dass man nicht schon zu
Beginn weiß, wie die Geschichte enden wird und man sich von Anfang an fragt,
wie zum Teufel das bitte bei dieser Ausgangslage ein Happy End geben kann,
bleibt es bis zum Ende spannend. Trotz kreativer Einfälle kommt man
bestimmt nicht auf die Lösung, die sich Emma Scott hier erdacht hat. Ihr
könnt Euch also auf eine Geschichte freuen, die nicht vorhersehbar und zu
keinem Moment langweilig ist. Was mir an "Between Your Words"
besonders gut gefällt, ist dass Emma Scott hier am Ende nicht denselben
Fehler macht, den ich bei anderen Werken von ihr schon kritisiert habe: sie
drückt hier auf den letzten Seiten eben nicht wahnsinnig aufs Gaspedal, rast
durch schöne Happy-End-Szene (Stichwort: Hochzeit, Haus und Kinder) und
überspringt dadurch für die Entwicklung ihrer Figuren essenzielle Szenen,
sondern erzählt sie stringent bis zu einem recht offenen Ende. Ergänzt wird
dieses dann durch zwei Epiloge, mit denen Emma Scott eine wunderbaren
Mittelweg zwischen Offenheit und Abschluss gefunden hat. Der erste Epilog
schließt das Buch inhaltlich perfekt ab und hätte rein faktisch ausgereicht,
um eine Perspektive über das Ende zu geben. Der zweite Epilog gibt der
Geschichte emotional ein schönes Ende und ist nach dem tragischen Auf und Ab
einfach wahnsinnig schön zu lesen.

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