Allgemeines:
Titel: Die kleinen Wunder von Mayfair
Autor: Robert Dinsdale
Verlag: Knaur (1. Oktober 2018)
Genre: Roman
ISBN-10: 3426226723
ISBN-13: 978-3426226728
ASIN: B07BWD16KF
Originaltitel: The Toymakers
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
20€ (Gebundene Ausgabe)
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Inhalt:
Alles beginnt mit einer Zeitungsannonce:
»Fühlen Sie sich verloren? Ängstlich? Sind Sie im Herzen ein Kind geblieben? Willkommen in Papa Jacks Emporium.«
Die Worte scheinen Cathy förmlich anzuziehen, als sie nach einer neuen Bleibe sucht. Denn im England des Jahres 1906 ist eine alleinstehende junge Frau wie sie nirgendwo willkommen, zumal nicht, wenn sie schwanger ist – und so macht Cathy sich auf nach Mayfair. In Papa Jacks Emporium, Londons magischem Spielzeug-Laden, gibt es nicht nur Zinnsoldaten, die strammstehen, wenn jemand vorübergeht, riesige Bäume aus Pappmaché und fröhlich umherflatternde Vögel aus Pfeifenreinigern. Hier finden all diejenigen Unterschlupf, die Hilfe bitter nötig haben. Doch bald wetteifern Papa Jacks Söhne, die rivalisierenden Brüder Kaspar und Emil, um Cathys Zuneigung. Und als der 1. Weltkrieg ausbricht und die Familie auseinander reißt, scheint das Emporium langsam aber sicher seinen Zauber zu verlieren …
Bewertung:
Schon als ich das Cover das allererste Mal sah, wusste ich, dass ich an diesem Buch nicht vorbeikommen werde. Ich dachte: Wenn diese Geschichte nur annährend so liebevoll und detailreich gestaltet ist und mich auf den ersten Blick verzaubern kann, dann ist sie auf gutem Weg, eines meiner Jahreshighlights zu werden. Und ich habe rechtbehalten! "Die kleinen Wunder von Mayfair" hat zwar auch überraschend düstere Seiten, ist aber vor allem eine Geschichte, die Mut macht, zum Nachdenken anregt und in die kindliche Freude und das unschuldige Staunen zurückversetzt, die wir alle viel zu sehr aus unseren Leben verbannt haben.
"Einem Menschen können die schrecklichsten Dinge zustoßen, aber er wird sich nie verlieren, wenn er sich immer daran erinnert, dass er einmal ein Kind war."
Das Cover lässt den Leser einen kurzen Blick durch die geschwungenen Tore des Emporiums, hinein in eine fantastische Welt voller magischem Spielzeig erhaschen und weckte in mir sofort den Wunsch, das Buch zu lesen. Eingerahmt von golden-verzierten Säulen, strahlenden Lampen und den zarten Eiskristallen des ersten Frosts sehen wir den Titel in geschwungenen, goldenen Lettern sehen, während zentrale Motive wie die emsige Spielzeuglock, die eleganten Ballerinas und die allen-empirischen-Gesetzten-trotzenden Luftschiffe die magische Stimmung zum Greifen nah machen. Auf der Rückseite des Einbandes ist die Zeitungsannonce zu sehen, auf deren Ausschreiben sich Cathy auf den Weg in eine neue Welt, in ein neues Leben macht. Auch innerhalb der Buchdeckel versetzt die wundervolle Gestaltung mit angedeuteten Treppen, Schachbrettfußboden, kufenlosen Schaukelpferden und strammen Spielzeugsoldaten in das zauberhafte Setting des Emporiums. Das goldene Lesebändchen und die filigranen, Abschnittteilenden Schneeflocken vervollständigen das Bild noch. Einzig der Titel - eigentlich sehr wohlklingend und auch nicht wirklich unpassend - umfasst für mich nur der erste Teil der Geschichte und lässt zusammen mit dem Cover ein viel spielerischer, nostalgischer Eindruck der Geschichte entstehen, als eigentlich angebracht wäre. Der Originaltitel "The Toymakers" ist da ein wenig einprägsamer, konkreter und passender.
Erster Satz: "Das Emporium öffnet seine Tore am Tag des ersten Winterfrosts."
Schon mit dem eröffnenden Prolog, dessen ganze Bedeutung wir erst später verstehen, werden wir an den ungewöhnlichen Schauplatz der Geschichte geführt: Papa Jacks Emporium – eine Welt voller Wunder und Magie in der vom ersten Frost Anfang November bis zum ersten erblühten Schneeglöckchen Kinderträume wahr werden und Erwachsene einen kurzen Rückblick in ihre eigene Kindheit erhaschen können. Durch die Augen der 16-jährigen Cathy, die auf der Suche nach einer Bleibe für sie und ihr ungeborenes Kind durch eine Zeitungsannonce auf den Spielzeugladen in London stößt, können wir Einblick in die neue und magische Welt erhalten, in der alles möglich scheint: treue Patchworkhunde, revolutionierende Spielzeugsoldaten, fliegende Schlösser, unendliche Kisten, papierne Fertigbäume, Pfeifenreinigervögel und ... die große Liebe.
"Davonlaufen war ganz anders als in Büchern. Niemand versuchte, einen aufzuhalten. Niemand jagte einem hinterher. Was die Leute nicht verstanden, war, dass man wissen musste, wovor man davonlief. Meist floh man nicht vor Müttern, Vätern, Ungeheuern oder Bösewichten, sondern vor der Stimme im Kopf, die einem sagte: Bleib wo du bist. Alles wird wieder gut. (…) Denn der Welt war es egal, ob eine Tochter mehr oder weniger von zu Hause weglief. Sie hatte diese Geschichte schon zu oft erlebt."

"Nur Kinder wissen, warum der eine Tag eine Ewigkeit dauern kann, während der andere in einem Wimpernschlag vergeht. Ja, in Papa Jacks Emporium ticken die Uhren anders. Ganz egal, ob man tagsüber kommt oder abends, hier findet man einen Ort, der ganz nach seinem eigenen Rhythmus lebt und wer genau hinhört, kann ihn vielleicht sogar hören..."

"Das war das Los des jüngeren Bruders. Manchmal wünschte er sich, es gäbe einen Weg wie er Kaspar ein- oder gar überholen könnte - sodass Kaspar, und sei es nur für einen Augenblick, zu ihm aufsehen, seine Erfindungen bewundern, sich abends in seine Werkstatt zurückziehen und hoffen, nein, davon träumen würde, dass er eines Tages auch so nah dran sein würde, ähnliche Wunder zu vollbringen wie ihr Vater. Doch das war ein schrecklicher Gedanke. (…) Das kleine Mädchen strahlte und klatschte beim Anblick der anmutigen Bewegungen in die Hände, woraufhin aus den Gängen noch mehr Kinder herbeieilten, um zu erfahren, was es zu sehen gab. Ja, sollte Kaspar sich doch zusammenträumen, was er wollte; das war die wahre Magie des Emporiums - die ganz alltägliche Magie spielender Kinder."

"Kurze Erinnerungen an glücklichere Tage blitzten vor ihrem inneren Auge auf. (…) Alltägliche Magie. All die Wunder um sie herum, all die Dinge, die Papa Jacks Schöpfungen tun konnten, und doch: Wie viel mächtiger war diese ganz gewöhnliche Magie?"

"Ihr Emporium ist ein Ort, an dem man sich vor der Welt da draußen verstecken kann, eine Welt, in der schreckliche Dinge geschehen. Ihr Emporium ist ein Zuhause für Menschen, die eins brauchen. Menschen wie Sie, wie ich..."

"Wir haben das Feuer noch in der Nacht erwidert, Papa. Ich habe meine ersten Männer getötet. Sag also nicht, dass ein Deutscher je nach meinem Geschmack sein könnte"
Woraufhin Papa Jack schlicht geantwortet hatte:
"Vergiss nie - früher haben auch diese Männer mit Spielsachen gespielt."
So kann das ganze Buch als Hommage gegen den Krieg gelesen werden. Die zerstörerische Wirkung zweier im Herzen Kinder gebliebene Männern mit einzigartigen magischen Talenten in stetiger Rivalität um die Erfindungen magischsten Spielzeug, um Cathys alleinige Zuneigung und das alleinige Erbe des Emporiums gefangen in einem langen Krieg gegeneinander; die Idee mit den Spielzeugsoldaten, die plötzlich Frieden schließen, sich lernen sich gegenseitig aufzuziehen und darüber zu einem neuen Maß an Intelligenz und Empfindsamkeit gelangen; die tragische Geschichte von Papa Jack, der seinen Sohn nicht vor dem bewahren konnte, was er selbst durchstehen musste - all das sind Motive dieser Geschichte, die um das große Thema "Krieg und Frieden" kreisen und diesen Roman zu weitaus mehr machen als "nur" eine magische Weihnachtsgeschichte über verlorene Kindheitsträume.
"Mein Vater war ein einfacher Mann. Mein Vater war ein großer Mann. Und mein Vater war meine ganze Welt. (…) Die Arbeit unseres Vaters lebt weiter, solange es das Emporium gibt. Solange wir weiter Spielzeug herstellen. Solange wir...", seine Stimme drohte zu versagen, dich er riss sich zusammen, "die Magie in der Welt bewahren und nie vergessen, dass wir selbst einmal Kinder waren. Solange wir die Welt, Spielzeug für Spielzeug, zu einem besseren Ort machen."

"Ich habe dich Truhen brauen sehen, die von innen größer sind, als von außen. Ich habe hier drin mir Schutz gesucht, als es draußen Papierbäume geregnet hat. Du verwandelst Dinge, Kaspar, warum dann auch nicht dich selbst?"
Allgemein denke ich aber jetzt nachdem ich den Roman gelesen habe, dass man einfach alle Erwartungen über Bord werfen und sich auf die Geschichte einlassen muss. Dann wird man in die magische Welt des Emporiums mitgenommen und erlebt die tragisch-schöne Geschichte wundersam zusammengefügter Schicksale, die durch ihren Glauben an Wunder verbunden sind und alle unter der grausamen Realität zu leiden haben. Und mit Sirius, dem treuen Patchworkhund, der die Spielzeugmacher schon seit dem Beginn ihres Lebens begleitet ist es wie mit dem Rest der Geschichte: obwohl er am Anfang nicht mehr als ein Wunderwerk der Ingenieurskunst ist, wird Stück für Stück ein echter, lebendiger Hund aus ihm. Was ich damit sagen möchte ist, dass aus dieser Geschichte in ihrer Gesamtheit Stück für Stück mehr wird und dieses "Mehr" hat mich tief beeindruckt. Ob nun bei den revolutionierenden Spielzeugsoldaten, den Patchworkpegasussen und dem Wolkenschloss echte Zauberei oder "nur" Geschicklichkeit im Spiel ist, ist im Endeffekt es egal - der Roman hat eine magische Wirkung und die Magie des Spielens, die so anrührend beschrieben wird, bringt etwas in uns zum Vorschein, dass wir fast vergessen haben: Als Kinder stecken wir so viel Fantasie und Herzblut in unser Spielzeug, dass es lebendig wird und selbst als rational denkende Erwachsene können wir uns eine Scheibe davon abschneiden und uns stolz zurückerinnern, wie leidenschaftlich wir lieben konnten als wir klein waren - und zu diesem Vertrauen und Glauben an Wunder zurückfinden.
"Ein Spielzeug kann kein Leben retten, aber eine Seele.
Wie viele Seelen hatte Jekabs gerettet?"
Fazit:
Die tragisch-schöne Geschichte wundersam zusammengefügter Schicksale hat neben all dem Außergewöhnlichen, der Liebe und der Magie auch überraschend düstere Seiten, ist aber vor allem eine Geschichte, die Mut macht, zum Nachdenken anregt und in die kindliche Freude und das unschuldige Staunen zurückversetzt, die wir alle viel zu sehr aus unseren Leben verbannt haben.
Ehrlich, berührend und als einzige Parabel an die Kraft der Wunder lesbar - ein Roman für junggebliebene Erwachsene und für solche, die an die alltäglichen Wunder des Lebens glauben!
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Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat.
(Quelle- Information und Coverbild: Amazon.de. Die Bilder und Cover, sowie die Inhaltsbeschreibungen und Klappentexte sind Eigentum des jeweiligen Verlages bzw. Schriftstellers oder anderweitigen Rechteinhabers.)
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