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Allgemeines
Titel: Only Margo
Autorin: Rufi Thorpe
Verlag: Ecco (28. Januar 2025)
Genre: Roman
Originaltitel: Margo´s Got Money Troubles Seitenzahl: 353 Seiten
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Inhalt
Bewertung
"Only Margo" habe ich als Hörbuch begonnen, da der Klapptext so herrlich absurd klang: Eine junge Frau wird von ihrem Collegeprofessor schwanger, steht als alleinerziehende Mutter mit einem drogenabhängigen Wrestler-Vater ohne Geld da und beginnt – mangels Alternativen – Inhalte auf OnlyFans zu produzieren. Doch was wie eine überdrehte Groteske anmutet, entpuppt sich schnell als ungewöhnlich ehrlicher, kluger und berührender Roman über Mutterschaft, Körperbilder, Armut, Scham und Selbstermächtigung, der zu einem überraschenden Jahreshighlight 2025 geworden ist.
Mit diesen Worten beginnt Margo ihre Erzählung, die mich genau wie hier beschreiben, vom ersten Absatz an mitgerissen hat. Wir verfolgen auf bündig erzählten 353 Seiten wie die junge Heldin wider Willen in ihre Schwangerschaft stolpert und sich als alleinerziehende Mutter mit Geldsorgen in einem System wiederfindet, das für Frauen wie sie wenig Platz und kaum Chancen bereithält. Ohne Job, mit einem Neugeborenen im Arm und einem Babyvater, der sich aus der Verantwortung stiehlt, scheint ihre Zukunft düster. Der Zufall – und die Neugier – führen sie schließlich zur Plattform OnlyFans, wo Frauen mit ihrer Sexualität und Kreativität Geld verdienen. Es ist ein Thema, das in der öffentlichen Debatte oft mit moralischen Vorbehalten und voyeuristischer Doppelmoral behaftet ist. Rufi Thorpe gelingt es hier, mit feinem Gespür für Ambivalenzen einen anderen Blickwinkel auf diese Welt zu eröffnen. So zwingt "Only Margo" uns LeserInnen fast beiläufig dazu, ihre Einstellungen zu Themen wie Sexarbeit, White Trash, Wrestling oder sozialer Herkunft zu überdenken. Die Autorin beschäftigt sich ohne moralischen Zeigefinger, aber mit viel Empathie und Scharfsinn damit, was moderner Feminismus bedeutet.
Was "Only Margo" besonders auszeichnet, ist die Art, wie Rufi Thorpe die vermeintlich verrückte Prämisse ihres Romans mit realistischer Tiefe und emotionaler Glaubwürdigkeit verbindet. Die Geschichte bleibt immer geerdet, auch wenn sie von Cosplay, Internet-Ruhm oder skurrilen Familienkonstellationen erzählt. So liest sich der Plot ungewohnt, originell, aber dennoch nicht überzogen und herrlich aus dem Leben gegriffen. Die Autorin nimmt uns mit in die Lebenswelt der jungen Frau, die einerseits absurd bunt, andererseits erschreckend real ist. Die Konflikte, mit denen Margo konfrontiert wird – Sorgerechtsfragen, Armut, Machtmissbrauch, Drogensucht sogar Morddrohungen – sind alles andere als trivial. Und doch gelingt der Autorin das Kunststück, ihre Geschichte leicht und herzerwärmend mit einem humorvollen Augenzwinkern zu erzählen, das der Geschichte ihre Schwere nimmt, ohne ihre Tiefe abzuschwächen. Die Geschichte zeigt schräge, wunderschöne wie belastende Momente im Leben einer jungen Mutter und lässt uns beim Lesen erfrischt, berührt, ehrlich, lebendig und hoffnungsvoll fühlen.
Margo als Figur ist dabei das Herzstück des Romans – und sie ist eine der ungewöhnlichsten Protagonistinnen, denen man in der aktuellen Literatur begegnet. Zunächst ist die Erzählperspektive als interessant hervorzuheben, die zwischen der jüngeren Margo in der dritten Person und der älteren Ich-Erzählerin wechselt – eine verspielte, meta-literarische Referenz an Margos Seminar über Erzähltechniken, das sie bei ihrem Professor besucht hat. So sind wir mit der flippigen, naiven, zuweilen überforderten Margo, die Fehler macht und ins Verderben rennt mitten im Geschehen, haben als Ergänzung aber auch den weiseren Kommentar der älteren, gereiften Margo, die uns beim Lesen an die Hand nimmt und ihre eigenen Entscheidungen selbstkritisch reflektiert. So zeichnet sich das komplexe und einfühlsame Bild einer jungen Frau, die Fehler macht, aber mutig und voller Energie Kraft in dem findet, was ihr am Herzen liegt und ihren eigenen Weg geht. Besonders die Beziehung zu ihrem neugeborenen Sohn Bohdi ist wunderschön zu verfolgen, aber auch ihre Annäherung an ihren Vater Jinx und ihre Freundschaft zu ihrer Mitbewohnerin Suzie sowie Verbündeten auf OnlyFans sind toll zu lesen. So begleiten wir Margo nicht nur auf ihrem beruflichen Weg, sondern erleben auch, wie sie an emotionaler Reife und innerer Stärke gewinnt. Auch wenn man ihr nicht in allem zustimmt oder sie nicht immer versteht – am Ende schließt man sie unausweichlich ins Herz und ist stolz darauf, wie weit sie gekommen ist. Gleiches gilt für die zahlreichen Nebenfiguren, die bewusst ambivalent gezeichnet sind: manchmal skurril, manchmal egoistisch, aber immer menschlich.
Das Ende rundet die Geschichte gelungen ab und zementierte für mich den Eindruck eines überraschenden Highlights: Mit einer ungewöhnlichen, aber sehr gelungenen Mischung aus popkulturellem Setting, emotionaler Tiefe und stilistischer Raffinesse gelingt Rufi Thorpe ein kleines literarisches Kunststück. Ein Roman, der klug unterhält, zum Nachdenken anregt und eine Stimme feiert, die man so schnell nicht vergisst!
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