Montag, 12. Juli 2021

Montagsfrage #214 - 12.07.2021


Hallöchen,

puh, die letzte Woche ist aufgrund meiner zweiten Impfung (und massiven Nebenwirkungen) leider ziemlich schnell an mir vorbeigezogen und jetzt trennt mich nur noch eine Woche von meinen Prüfungen. Tragisch ist, dass ich noch nicht einmal motiviert genug bin, mich wie sonst zu stressen, sondern einfach nur will, dass es endlich vorbei ist (winkt da ein Fatigue am Horizont?). ICH BRAUCHE FERIEN! So, jetzt da das klargestellt ist, geht´s weiter mit der heutigen Montagsfrage, die von Aequitas et Veritas gestellt wurde:


Wie gehst du damit um, wenn sich herausstellt, dass ein Autor, dessen Bücher du sehr schätzt, Auffassungen äußert, mit denen du nicht übereinstimmst?

Als Antonia im vorletzten April eine ähnliche Frage gestellt hat, habe ich ausgesetzt, da ich dazu keine wirklich ausgeprägte Meinung hatte und gerne den Mund halte, mir verschiedene Argumente anhöre und mir erst mit der Zeit einen eigenen Standpunkt erarbeite. Denn nichts ärgert mich mehr, als wenn Menschen sich bei jeder aufkommenden Kontroverse sofort in den Ring werfen, ungeachtet ob sie das Thema überhaupt a) betrifft, sie sich b) damit beschäftigt haben und sie sich c) überhaupt genug auskennen, um eine sophistizierte Meinung zu haben. 

So, genug von meiner epistemischen Diskussionsphilosophie und hin zur Beantwortung der Frage, für die ich ein kleines bisschen ausholen muss. Ob man KünstlerIn und Werk getrennt voneinander bewerten und beurteilen darf, oder ob beide dazu nicht zu eng verbunden sind, ist eine oft diskutierte Frage, die eigentlich bei allen Formen von Kunst auftritt. Ich habe mich zwar bislang noch nicht so tief mit literaturtheoretischen Annahme zu dem Thema beschäftigt, tendiere aber eher in die Richtung "The Death of the Author", da ich Geschichten auch als Projektionsfläche für eigene Erfahrungen und Emotionen wahrnehme und wir (ganz nach meinem Blogmotto "A writer only starts a book, a reader finishes it") die Romane in unseren Köpfen ganz subjektiv zum Leben erwecken und mit diesem füllen. Klar, manchmal ist ein Blick auf den Erschaffenden und dessen Lebensumstände hilfreich für das Verständnis dessen Romane, ich bin aber davon überzeugt, dass Geschichten so weit weg von der eigenen Person geschrieben werden können, dass es nicht sinnvoll ist, vom Inhalt auf Persönlichkeitseigenschaften, Werte oder Intentionen der AutorInnen zu schließen. Gewalttriefende Horrorszenen machen Autoren von Psychothrillern ja nicht gleich zum gefährlichen Mörder und wenn die Hauptfigur ein homophobes Arschloch ist, bedeutet das nicht, dass der Schriftsteller in dieselbe Schublade einzuordnen ist. Wenn man die Haltungen von Figuren mit denen ihrer ErschafferInnen gleichsetzen würde, könnte man eine Menge AutorInnen gleich in die Klapse einweisen. 

Bei anderen Kunstformen, wie zum Beispiel Musik gibt es nicht immer eine solche Distanzierung zwischen Figuren und Künstler, da selten ein komplexes Narrativ hinter Songs steckt und eher aus dem eigenen Erfahrungsbereich geschöpft wird. Wenn also z.B. Rapper von frauenfeindlichen oder antisemitischen Hasstaten singen, kann man eher weniger davon ausgehen, dass sie dies tun, um auf psychologisch pointierte Weise ihre Zuhörer betroffen zu machen und auf Missstände hinzuweisen. Natürlich kann man das auch nicht pauschalisieren, ich ziehe diese Analogie nur um zu verdeutlichen, dass bei anderen Kunstformen, bei denen die KünstlerInnen direkt an der Präsentation ihrer Werke beteiligt sind, deren Auftreten, Äußerungen und Werte für mich in den Gesamteindruck und die Bewertung ihrer Kreationen stärker mitreinspielen. AutorInnen hingegen sind in selteneren Fällen Personen des öffentlichen Lebens, welche Leser häufig mit Auftritten und Meinungen konfrontieren würden. Wenn man etwas über die hinter dem Werk stehenden Person wissen will, muss man sich da schon mit den Biografien beschäftigen und dafür bringe ich oftmals nicht genügend Interesse auf.  Deshalb fällt es mir leicht, ein Buch von der Person des Autors, der Autorin recht losgelöst zu betrachten. 

Natürlich gibt es da auch Ausnahmen (z.B. die heiß diskutierte J.K.Rowling-Debatte), bei denen man ohne gezielt nachzuforschen und in den Biografien zu graben auf Meinungen stößt, die sich dann eventuell von den eigenen unterscheiden. Hier gilt erstmal: jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung. Sollte diese aber den Grundrechten widersprechen, oder andere Menschen beleidigen oder einschränken, muss dieser ganz klar widersprochen werden. Da gilt es dann dagegenzuhalten, wenn in den sozialen Medien Aussagen auftauchen, die man so nicht akzeptieren oder auch nur ignorieren kann. Bedeutet das dann aber, dass ich ein Buch als Folge dessen aus meinem Regal werfen, mich einem Online-Fackel-Mistgabel-Zug anschließen und den Autor komplett boykottieren würde? Nein, nicht unbedingt, da bin ich wenig konsequent und sehe auch die Handlungsmöglichkeiten als Leserin beschränkt. Klar, wenn man einmal etwas über eine Autorin oder einen Autor weiß, bleibt das beim Lesen der Bücher natürlich im Hinterkopf und man beurteilt die Inhalte vielleicht kritischer. Und jaaa, wenn ich die Wahl zwischen zwei tollen Geschichten habe, wobei ich beim Kauf der einen eine Umweltsaktivistin unterstütze und beim Kauf der anderen eine Querdenkerin, die regelmäßig Randgruppen diskriminiert, ist keine Frage, für welches Buch ich mich entscheide. Aber bei Büchern, die ich schon besitze, mit denen ich eine lange Vergangenheit, Erinnerungen und Gefühle verbinde, verändert dies meine Einschätzung nicht mehr als andere Reflektionsprozesse, die während der eigenen Entwicklung auftreten und die Einstellung zu Geschichten nachträglich verändern können. 

Was sagt Ihr dazu?

Liebe Grüße
Sophia

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6 Kommentare:

  1. Hello

    Ich kann deinen Ausführungen eigentlich nichts hinzufügen, du hast das alles sehr schön auf den Punkt gebracht (im Übrigen auch wahnsinnig gut ausgedrückt, habe ich dir das schonmal gesagt? Ich liebe deinen Schreibstil :D).

    Wie du so schön geschrieben hast, macht man aus jeder Geschichte beim Lesen ja auch eine eigene; sobald ein Buch in den Handel kommt, gehört es eben nicht mehr nur dem/der Autor*in, sondern auch den Leser*innen, die ganz unterschiedliche Dinge mit den Büchern verbinden. Vor allem bei so einem riesigen Franchise wie HP ist das ja besonders der Fall - das ist mittlerweile ja viel mehr als nur die Buchreihe von JKR. Sie hat das vielleicht in Gang gesetzt, indem sie die Bücher geschrieben hat, aber die Bedeutung von HP für viele Leser*innen bestimmt und beeinflusst sie ja nicht mehr. Insofern kann man, denke ich, Bücher und Autor*innen voneinander trennen.

    Trotzdem finde ich es wichtig, sobald etwas über den/die Autor*in bekannt wird, dem man selbst nicht zustimmt oder das schlimmstenfalls andere Menschen irgendwie angreift, dass man sich dann auch auf dieser Ebene mit dem Werk auseinandersetzt und versucht, das Geschriebene aus einer entsprechend kritischen Sichtweise zu sehen. Das heißt nicht, dass man, um bei dem Beispiel zu bleiben, jetzt HP boykottieren muss, weil JKR eine TERF ist, aber man sollte zumindest, wie gesagt, dies beim Lesen reflektieren und vielleicht auch aus Sensibilität Betroffenen gegenüber diese Kritik in sozialen Medien (oder auch im echten Leben, wenn man darüber redet) nach außen tragen.

    LG ♥

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    1. Huhu,

      wie lieeeeb, vielen Dank! 🤩😊

      Genau, ich sehe das genauso. Sobald sich eine Geschichte insofern verselbstständigt, als das Fanfictions, Fanarts oder ein richtiges Fandom entstehen, ist es ganz klar, dass man sie nicht nur auf den Autoren, oder auf die Autorin herunterbrechen kann, die da "nur" den Startschuss vorgegeben hat. Aber auch bei kleineren, unbekannten Büchern, bei denen die Trennung weniger klar ist, macht man ja so viele Erfahrungen selbst damit, dass zumindest ich "das Werk und meine Gefühle, Gedanken und Meinungen dazu" und "was ich über die Autorin/den Autor weiß und darüber denke" relativ gut voneinander trennen kann.

      Oftmals schlägt sich eine Kontroverse/ein Skandal um AutorInnen ja auch gar nicht in den Geschichten direkt nieder. Wenn man wirklich konsequent sein wollte und keine KünstlerInnen unterstützen will, die jemals etwas kontroverses gesagt haben, was von den eigenen Überzeugungen abweicht, müsste man auch Tom Cruise´ Filme boykottieren, dürfte keine Rapmusik hören, keine Bilder von Georg Herold anschauen etc. die Liste ist lang. Für mich reicht es, den Äußerungen einfach entgegenzustehen, aber da kann ich auch andere Meinungen verstehen. Sehr spannendes Thema auf jeden Fall.

      Liebe Grüße
      Sophia

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    2. Ganz genau!
      Wobei ich auch keine Filme mit Tom Cruise gucke, aber hauptsächlich weil ich ihn auch einfach so doof finde, auch wenn Scientology daran sicher nicht unschuldig ist xD
      Aber stimme dir in dem Punkt auch zu.

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    3. Haha das war einfach nur ein Beispiel, das mir sofort eingefallen ist. Ich bin auch kein Tom Cruise Fan und allgemein nicht so von Actionfilmen, die nicht wenigstens ein bisschen Scie-Fie oder Fantasy drin haben. 😂 Aber der gute Tom mit seinen Scientology Verstrickungen gibt einfach ein super Negativbeispiel ab...

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    4. Geht mir auch so! 😂
      Actionfilme ohne ein bisschen Magie oder völligen wissenschaftlichen Humbug ist doch langweilig.
      Das stimmt!

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    5. Haha schon weird irgendwie. Sinnlose Schießereien und Autorennen? Nope, da könnte ich einschlafen. Hüpfen da noch ein paar grüne Kämpferinnen, Ameisenmänner oder Elben drin herum? Her damit 😂

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