Hallöchen,
heute gibt es wieder eine Kurzversion der Frage. Zur Abstimmung gelangt Ihr entweder HIER oder über das Pop-Up-Fenster. Ich bin sehr gespannt, was Ihr so zu erzählen habt:
Wie wichtig ist dir die Authentizität und kulturelle Genauigkeit in Büchern? Habt Ihr ein Buch aufgrund mangelnder Recherche oder kultureller Sensibilität abgebrochen?
In einer immer stärker vernetzten Welt, in der der Austausch zwischen verschiedenen Kulturen und Lebensweisen zunehmend zum Alltag gehört, ist die Authentizität und kulturelle Genauigkeit in Büchern für mich durchaus ein entscheidendes Kriterium. Welchen Maßstab ich an einen Roman anlege kommt natürlich darauf an, welches Genre und welche Art der Geschichte ich suche.
Handelt es sich um ein Fantasy- oder Science-Fiction-Roman ist mir wichtig, dass die AutorInnen konsequent die Regeln ihrer jeweiligen Worldbuildings befolgen und darüber hinaus keine fragwürdigen politischen Statements enthalten sind. Handelt es sich um eine Liebes- oder Abenteuergeschichte, die in erster Linie unterhalten möchte, dürfen von mir aus gerne Fakten und Rahmenbedingungen des Settings etwas weiter betrachtet und bei Bedarf verbogen werden. So würde ich mich beispielsweise niemals über aktive Abweichungen von historischen Gegebenheiten in Regency-Romances ärgern, da Geschichten wie "Bridgerton" mehr auf den Unterhaltungswert als auf eine genaue Widergabe der kulturellen Bedingungen geachtet wird. Ist also von Anfang an klar, dass Authentizität nicht im Vordergrund steht und nicht erreicht werden wird, kann das für mich durchaus in Ordnung sein. Handelt es sich allerdings um einen gegenwärtigen Roman zum Beispiel von der Kategorie Literary Fiction, würde ich ganz andere Maßstäbe anlegen und darauf achten, dass die Geschichte auch respektvoll und korrekt die Vielfalt menschlicher Erfahrungen widerspiegelt. Dies ist besonders wichtig, wenn eine Geschichte in einer spezifischen kulturellen oder historischen Umgebung spielt.
Denn besonders wenn es darum geht, andere Kulturen, Identitäten, Religionen, Lebensweisen und Realitäten darzustellen ist es von größter Bedeutung, dass AutorInnen sorgfältig recherchieren und respektvoll mit Unterschieden umgehen, da eine falsche Darstellung kann nicht nur die Glaubwürdigkeit des Buches untergraben, sondern auch Schaden anrichten, indem sie Stereotypen verstärkt oder Missverständnisse verbreitet. Gerade bei Büchern über Minderheiten finde ich es höchst problematisch, wenn gewisse AutorInnen beispielsweisen gehäuft Transpersonen zu Killern machen und damit gewisse Bevölkerungsgruppen verunglimpfen. Ich erinnere mich beispielsweise auch an einen historischen Roman, der im alten China spielte, aber voller Anachronismen und klischeehafter Darstellungen war. Ein weiteres Beispiel, das mich regelmäßig auf die Palme bringt und auch schon zu Abbrüchen geführt hat, ist die falsche Darstellung von psychischen Erkrankungen. Wenn Protagonisten plötzlich die wildesten Symptome haben, diese psychoanalytisch mit irgendwelchen Kindheitskomplexen erklärt und in einer Therapiesitzung geheilt werden beispielsweise schadet das dem öffentlichen Verständnis dieser Themen mehr als es nützt.
Das Problem mit der Authentizität ist allerdings, dass man oftmals gar nicht einschätzen kann, ob eine Darstellung nun angemessen ist oder nicht, wenn man nicht spezifisches Fachwissen hat oder selbst zur beschriebenen Gruppe gehört. Klar könnte man jetzt argumentieren, dass eine nicht erkannte Ungenauigkeit einen dann wohl kaum stört beim Lesen, allerdings finde ich das dennoch problematisch, da wir durch Bücher und auch andere Medien wie beispielsweise Filme oder Serien stark sozial geprägt werden. Durch den Effekt der sogenannten Parasozialen Interaktionen oder Beziehungen werden Einstellungen und Perspektiven auf gesellschaftliche Gruppen mitbestimmt. Studien haben gezeigt, dass Erfahrungen, die man Online oder über Unterhaltungsmedien mit Randgruppen macht, ähnliche Verhaltensauswirkungen haben, wie diese, die man persönlich in der Realität erfährt (kurzer psychologischer Exkurs😊). Gerade wenn ich also zu einem Buch greife, zu dessen Thema ich nicht einschätzen kann, ob die Darstellung passend ist, schaue ich mir zuvor an, ob die AutorIn Beta- oder Sensitivity Reader benutzt hat, oder wie Personen aus der In-Group das Buch empfunden haben.
Wie ist das bei Euch?
Liebe Grüße
Sophia
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Nächste Woche bei der Montagsfrage:
Gibt es einzelne Szenen, Sätze oder Ausdrücke aus Büchern, an die Ihr Euch aus irgendeinem Grunde nach Jahren noch erinnert?
Guten Morgen Sophia :)
AntwortenLöschenEigentlich bin ich in allen Punkten bei dir. In der Fantasy wünsche ich mir (oder setze eigentlich voraus), dass die Autoren ihren Welten treu bleiben und alles auch Sinn ergibt. Es sollte passen, aber es ist auch klar, dass es nicht immer realistisch sein muss.
Bei allen anderen Büchern wünsche ich mir die Authenzität, aber wie du schon sagst, es ist oft schwer nachzuprüfen. Und auch Sensitivity Reader sind nicht unfehlbar. Ich erinner mich an Diskussion, die im Zuge der Leserunde zu "Die Geisha" entstanden sind (bei Aleshanee in der Rezi steht auch was dazu drin) ... solche Sachen sind maximal ungünstig und bringen einfach völlig falsche Sachen zum Ausdruck.
Tatsächlich lese ich wenn vermehrt Bücher, wo ich tatsächlich in Anteilen einschätzen kann, ob das geschriebene richtig ist. Oder ich hab Leute an der Hand, die das kennen. Mir fällt ein Buch ein, in dem es ums Schwimmen ging ... und ich bin daran fast verzweifelt, weil so viele Fachfehler drin waren. Obwohl es da angeblich auch Betaleser mit Schwimmerfahrungen gegeben haben soll.
Was Erkrankungen, insbesondere psychische, angeht ... da gehe ich auch regelmäßig an die Decke. So oft werden sie falsch dargestellt oder von Wunderheilungen gesprochen ... das hat schlicht mit der Realität nichts zu tun. Als Sozialpädagogin hab ich täglich mit Betroffenen zu tun und muss dann gegen genau diese Aussagen ankämpfen, weil sie vielen ein falsches Bild vermitteln.
Lieben Gruß
Andrea
Hey Andrea,
Löschenja genau, bei Fantasy-Geschichten reicht es mir, wenn die AutorInnen ihrer eigenen Logik treu bleiben, da müssen nicht dringend die Maßstäbe unserer Realität angelegt werden...
Du hast absolut recht, dass auch Sensitivity Reader nicht unfehlbar sind und auch mal unterschiedlicher Meinung sein können - es sind ja oft hochkomplexe Themen, um die es geht, da gibt es ja auch nicht nur eine "Wahrheit". Solange es einfach nur nicht komplett abwegig ist, bin ich da auch schon zufrieden...
Über die Sache mit den psychischen Erkrankungen hatten wir uns schon häufiger ausgetauscht, das finde ich persönlich echt immer besonders ärgerlich!
Liebe Grüße und eine schöne Woche
Sophia
Hallo Sophia,
AntwortenLöschendanke für die spannende Montagsfrage. Zuerst dachte ich, da fällt mir nicht allzu viel dazu ein, aber dann, wenn man erst einmal mit dem Schreiben begonnen hat, sind es doch einige Aspekte. Hier also mein Beitrag auf Bücher wie Sterne und ich freue mich auch auf die Ausführungen der anderen hier.
Liebe Grüße aus Hochfranken
Jay
Hey Jay,
Löschenich musste über deinen Exkurs zu den Action-Filmen ein bisschen lachen, weil das echt genau der Inbegriff von fehlender Authentizität und Glaubwürdigkeit in Unterhaltungsmedien darstellt. Schön finde ich zum Beispiel auch immer, wenn die Helden in solchen Filmen in Schießereien alle Gegner niederstrecken, aber nie selbst getroffen werden und der Sidekick genau lange genug eine tödliche Wunde überlebt, um noch ein verwirrendes Geheimnis auf den Weg zu geben und eine herzzerreißende Sterbeszene zu produzieren ;-)))
Liebe Grüße
Sophia
Hallo zusammen,
AntwortenLöschenheute etwas später und ein wenig knapper ausformuliert, meine Antwort.
Ich bin zeitlich aktuell etwas eingespannt und wenn ich mir die Beteiligung anschaue, ist es den meisten entweder zu heiß oder die Frage war ein wenig zu anspruchsvoll bzw. akademisch. Wer weiß, wer weiß.
Ich werte übrigens ab, wenn Autoren etwas falsch darstellen, denn das kann ganz unterschiedliche Gründe haben. Auch Stephen King ist in seinen Büchern ungenau, was die Bezeichnungen von Krankheiten oder Behinderungen angeht. Wenn das Buch aus den 70ern stammt, so war es damals eben nicht geläufig, sich damit auseinanderzusetzen. Ich glaube, dass heutzutage die Leser sensibler und auch anspruchsvoller geworden sind.
Ach, ihr merkt, ich hätte auch deutlich mehr dazu schreiben können, aber mir rinnt die Zeit aktuell viel zu schnell durch die Finger :)
Euch einen guten Start in die Woche - trotz der Hitze muss ich ja sagen, die mir noch zusätzlich zusetzt.
Herzliche Grüße
Frank
Hey Frank,
Löschenes kann sehr gut sein, dass die Frage heute angesichts der Hitze und der Urlaubszeit ein bisschen zu anspruchsvoll war ;-) Aber ich war sehr gespannt, was ihr alle darüber denkt...
Ich denke auch, dass die LeserInnen von heute deutlich sensibler und anspruchsvoller gegenüber gründlicher Recherche und Authentizität geworden sind und finde das auch insgesamt eine positive Entwicklung. Dennoch kann ja jeder selbst Anforderungen an die gelesenen Bücher stellen und wenn einem in gewissen Genres die Authentizität nicht so wichtig ist oder man einfach zu wenig Hintergrundwissen hat (vor allen bei historischen Romanen geht es mir auch immer genauso), um es beurteilen zu können, ist das ja auch vollkommen in Ordnung.
Liebe Grüße und dir trotz des Zeitstresses eine gemütliche Woche
Sophia
Hallo^^
AntwortenLöschenMeine Antwort fällt heute wieder recht kurz aus, aber ich bin trotzdem wieder mit dabei: https://blog.kiranear.moe/2024/09/montagsfrage-327.html
Liebe Grüße,
Kira
Hey Kira,
Löschenja in den meisten Fällen muss man einfach darauf vertrauen, dass die AutorInnen gut genug recherchiert haben und es gibt im Zweifel ja auch noch das Lektorat oder Testleser, denen grobe Schnitzer auffallen könnten...
Bei sehr sensiblen Themen oder wenn mir etwas extrem unstimmig vorkommt, kann es sein, dass ich selber etwas recherchiere, aber meistens gibt es einfach einen Vertrauensvorschuss...
Liebe Grüße
Sophia
Hi!
AntwortenLöschenHier meine Antwort. Ich bin besonders bei historischen Roman ziemlich kniefieselig, was Fakten und Gefühl für die Zeit betrifft (Regency Romane mal ausgenommen, da geht es ja um was anderes...)
https://streifisbuecherkiste.wordpress.com/2024/09/02/montagsfrage-130-authentizitat-und-kulturelle-genauigkeit-in-buchern/
Gruß
Gitti
Hey Gitti,
Löschenbei historischen Romanen erwarte ich auch (sofern die Historie mehr ist als der grobe Hintergrund für eine andere Geschichte – manchmal gibt es ja dann doch noch Fantasy-Elemente oder eine Liebesgeschichte steht im Vordergrund…), dass sie sich zumindest im Raum des Möglichen bewegen. Wenn mir jemand eine Geschichte über eine selbstständige buddhistische Frau im mittelalterlichen Augsburg verkaufen will, die in ihrer Scheune Yoga anbietet, bin ich natürlich raus :-))
Liebe Grüße
Sophia
Huhu,
AntwortenLöschenich finde es schwer, wirklich zu bewerten ob etwas authentisch ist oder nicht. Wir haben doch eher ein falsches Bild von einem Land, da man oft nur Randgruppen kennt, oder sich durch Filme, Bücher oder ähnliches doch auch beeinflussen lässt. Dazu kommt auch die Zeit in welcher die Geschichte spielt.
Mein Post:
https://rubystintengewisper.de/?p=7918
Tintengrüße von der Ruby
Hey Ruby,
Löschenja du hast recht, dass es super schwierig ist, als Laie einzuordnen, ob oder in welchem Rahmen die Dartstellung einer Kultur oder einer Epoche realistisch und authentisch ist. Das kann man meistens nur für die eigene Perspektive einschätzen... Deshalb lese ich auch gerne in anderen Rezensionen, wie andere Personen, die vielleicht andere Hintergründe haben, es empfunden haben.
Liebe Grüße
Sophia