Allgemeines
Titel: Princess, Prophet, Saviour - Kassandra, die Prophetin, der keiner glaubt
Autorin: Bea Fitzgerald
Verlag:
cbj (14. August 2024)
Genre: Romantasy
ISBN: 9783641306083
Seitenzahl: 593 Seiten
Originaltitel: The End Crowns All (übersetzt von Inka Marter)
Weitere Bände: Girl, Godess, Queen: Mein Name ist Persephone (Band 1)
Link:
Hier klicken!
Inhalt
Bewertung
"Princess, Prophet, Saviour" ist eine queere Enemies-to-Lovers-Geschichte vor der Kulisse des trojanischen Kriegs der griechischen Mythologie. Als großer Fan von Enemies-to-Lovers Geschichten und Retellings der griechischen Mythologie klang das für mich fast zu gut, um wahr zu sein. Leider konnte die Geschichte deshalb auch nicht ganz halten, was sie versprochen hatte...
Zuerst mal wieder ein paar einleitende Worte zur Gestaltung. "Princess, Prophet, Saviour" zeigt einen blauen Himmel mit Schleierwolken sowie Schiffe auf einem glatten Ozean vor einer stilisierten Sonne, von der goldene Strahlen über das gesamte Cover strahlen und an Kassandras Schicksalsfäden erinnern. Der Titel prangt in großen modernen Blockbuchstaben über der Gesamtkomposition. Damit passt das Cover sehr gut zu Band 1, "Girl Godess, Queen", welches man allerdings nicht dringend gelesen haben muss, bevor man in die Geschichte einsteigt, da bis bis auf kurze Erwähnungen am Rande, die Figuren hier nicht vorkommen und eine eigenständige Geschichte erzählt wird. Erwähnenswert ist auch der toller Farbschnitt, der in dunkelblau die goldenen Fäden und die Wolkenmotive des Covers aufgreift und ringts um den Buchschnitt fortsetzt. In den Buchinnenseiten sieht man jeweils eine Illustration von Kassandra und Helena und hilfreich ist auch das Personenregister, das zu Beginn eingefügt ist.
Die Geschichte setzt einige Monate vor Beginn des Trojanischen Krieges zwischen den griechischen Verbündeten Spartas und der Stadt Troja ein und erzählt zunächst aus Kassandras Sicht, wie sie durch ihren Wunsch nach mehr Macht an Apollo gerät und von ihm verflucht wird. Fortan hat sie zwar die Gabe der Prophezeiung, allerdings glaubt ihr keiner, was sie sieht. Umso belastender ist für sie, dass ihre erste Vision von einem heranziehenden Krieg handelt, der ihr Leben und das ihrer Familie zerstören wird. Im Zentrum dieser Vision steht eine junge Frau, die ihrem spartanischen Ehemann geraubt und nach Troja gebracht wird, was ein zehnjähriges Blutbad zwischen den beiden Städten auslösen wird. Als die Frau - Helena von Sparta - tatsächlich vor den Türen der Stadt steht, lässt Kassandra nichts unversucht, um zu verhindern, dass in Erfüllung geht, was sie gesehen hat. Doch mit weder hat sie damit gerechnet, dass Helena alles andere ist als eine willenlose Trophäe, noch mit den Gefühlen, die sie in Kassandra weckt...
Die Grundidee der Nacherzählung von Homers "Ilias" als Romantasy-Geschichte finde ich großartig und an vielen Stellen geht das Konzept von Bea Fitzgerald auch wunderbar auf. Allerdings werden an vielen Stellen der Handlung ähnlich wie im zugrundeliegenden Epos viele der Schlüsselmomente nur am Rande angedeutet und es geht vielmehr um die beiden weiblichen Hauptfiguren als um den Krieg. Dies ist auf der einen Seite toll, da so viel Raum für die Figuren geschaffen wird und handelnde Helden wie Odysseus, Achilles, Agamemnon, Patroklos ja nun wirklich bereits genug Aufmerksamkeit in der Literatur erhalten haben. Auf der anderen Seite geht durch die Ausblendung und Verdrängung des Krieges aus der Handlung die Tragik und Epik der Geschichte stark verloren. So entsteht eine beinahe gemütliche Atmosphäre, in der die Figuren unbehelligt vom Krieg über den Markt schlendern und gemeinsam Stoffe weben können.
Dementsprechend gemütlich ist auch das Erzähltempo, nach dem in den ersten 200 Seiten beinahe gar nichts passiert. Bis der Krieg startet, beobachten wir lose Kassandras sozialen Abstieg und erst nachdem nach 8 Kapiteln die Erzählperspektive der zweiten Hauptfigur Helena eingeführt wird, wird überhaupt absehbar, wohin sich die Geschichte bewegen könnte. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte gibt es zahlreiche Wiederholungen von ähnlichen oder alltäglichen Szenen, und wenn dann doch etwas Entscheidendes geschieht, erfahren wir es oft nur im Nachhinein, anstatt es erzählerisch miterleben zu dürfen. Darüber hinaus wird der rote Faden durch Zeitsprünge und sprunghafte Szenenwechsel zerfasert, sodass sich für mich trotz vieler toller Szenen und des flüssigen Schreibstils der Autorin nie ein wirklich spannender Lesefluss oder eine Sogwirkung aufgebaut hat. War ich in der Geschichte, habe ich mich nicht gelangweilt, habe ich es jedoch zur Seite gelegt, war ich aber nicht sehr verlockt, es wieder zur Hand zu nehmen.
Auch das Worldbuilding ließ in vielen Bereichen zu wünschen übrig. Zwar ist die griechische Mythologie für viele LeserInnen ein wohlbekanntes Terrain, ein wenig mehr Erläuterungen zu den handelnden HeldInnen, Halbgöttern, Göttern oder der gesamten Welt der Achaier und Trojaner hätten dennoch nicht geschadet, um die Geschehnisse besser einzubetten. Auch die spezifischen Rahmenbedingungen zu Kassandras Gabe, ihrem Fluch oder Helenas Kräften haben viele Fragezeichen aufgeworfen. Dies hätte durch detailliertere Beschreibungen und klarere Regeln besser ausgearbeitet werden können. So blieb die Welt, in der die Geschichte spielt, trotz toller Vorlage, diffus und schwer greifbar. Vielleicht hatte ich angesichts der Vorlage etwas zu hohe Erwartungen, für mich konnte die Geschichte aber leider nicht ihr Potenzial ausschöpfen.
Ein weiterer Punkt, der mir den Einstieg erschwert hat, ist, dass die beiden Hauptfiguren anfangs schwer zu mögen waren. Während Kassandra sich als verwöhnte, egozentrische Prinzessin präsentiert, der nichts wichtiger ist als ihr Ansehen und ein angenehmes Leben, erscheint Helena manipulativ und rückgratlos. Diese Eigenschaften machen es anfangs schwer, sich mit ihnen zu identifizieren oder Sympathie für sie in ihren schwierigen Lebenslagen zu empfinden. Zwar ist es spannend, die Entwicklung der beiden von diesem Ausgangspunkt zu beobachten, doch die Charakterschwächen der beiden Figuren hätten für meinen Geschmack etwas weniger übertrieben dargestellt werden können, um die spätere Charakterentwicklung glaubhafter und weniger forciert wirken zu lassen. Denn der Wandel von zwei Einzelkämpferinnen, die sich dem patriarchalen System unterordnen und von diesem aufgestachelt gegeneinander vorgehen zu zwei sich liebenden Heldinnen ist das absolute Kernstück der Geschichte und ging mir trotz des starken Fokus der Handlung und des Seitenumfangs durch diese anfängliche Übertreibungen etwas zu schnell.
Davon abgesehen ist es genau diese Entwicklung, die die Geschichte für mich trotzdem zu einem lesenswerten Leseerlebnis gemacht hat. "Princess, Prophet, Saviour" zeigt eindrücklich, wie Frauen bereits in der antiken Welt von den Männern (und Göttern) ihrer Umgebung unterdrückt und klein gehalten werden. Kassandra und Helena kämpfen auf unterschiedliche Weise gegen patriarchale Rollenbilder an, was dem Roman eine starke feministische Perspektive verleiht. Die Art und Weise, wie sie schließlich zueinanderfinden, um sich und andere Frauen in ihrer Umgebung gegenseitig zu stärken, ist eine Feier weiblicher Solidarität und Empowerment, die der Geschichte einen moderneren Anstrich verleiht als die zeitgenössische Sprache der Autorin.
Positiv hervorzuheben ist in dem Zuge auch die Repräsentation queerer Charaktere und Themen. Klar, die Beziehung zwischen Kassandra und Helena, die vorsichtig von Feindseligkeit zu Freundschaft und Liebe übergeht, während um sie herum der Krieg tobt, in dem tausende Männer um ihre Hand kämpfen, ist fesselnd und fast schon schadenfroh inszeniert. Besonders toll ist allerdings die respektvolle Darstellung von Konsens und die Einbindung von Asexualität in die Liebesgeschichte und Kassandras Charakterisierung – beides Aspekte, die in vergleichbaren Romantasy-Büchern nur selten zu finden sind. Diese Themen werden subtil und natürlich in die Handlung eingeflochten und heben sich als klare Stärke des Buches ab. So kann man gut darüber hinwegsehen, dass die Nebenfiguren neben Kassandra und Helena recht flach sind, sodass es mir schwerfiel, sie auseinanderzuhalten und ich ab und zu im Glossar nachschlagen musste, ob es sich bei einer Person um Kassandras Mutter, ihre beste Freundin oder eine Dienerin handelt.
Insgesamt kann ich also mit folgender Schlussfolgerung enden: Wer Geduld mitbringt und sich auf die Reise der beiden Protagonistinnen einlässt, wird mit einer starken, feministischen Botschaft und einigen faszinierenden Momenten belohnt, auch wenn das volle Potenzial der Geschichte nicht ganz ausgeschöpft wird! Ob ich die anderen Bände der Reihe - Band 1 über Persephone und Hades soll deutlich besser sein, habe ich den Rezensionen entnommen - lesen werde, weiß ich demnach noch nicht, würde es aber nicht kategorisch ausschließen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ich freue mich, wenn Du einen Kommentar dalässt.
Egal ob Kritik, Verbesserungsvorschläge, Lob, Anmerkungen, Fragen oder eigene Meinung - das ist der richtige Ort dafür ;-)