
Allgemeines
Titel: Breach
Interpret: Twenty One Pilots -
Tyler Joseph (Vocals und Instrumental)
und Josh Dun
(Percussion, Vocals)
Label: Fueled by Ramen (12. September 2025)
Genre: Electronic/Alternative-Rock/Rap, Indie-Irgendwas-IDK
Titel:
13 Songs (47:23min)
Weitere Alben: Clancy (2024)
Scaled and Icy (2021)
Trench (2018)
Blurryface (2015)
Vessel (2013)
Regional at Best (2011)
Twenty One Pilots (2009)
Link:
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Über das Album:
Wenn Ihr aufmerksame Verfolger dieses Blogs seid, wisst Ihr, dass ich schon seit mehreren Jahren ein großer Twenty One Pilots Fan bin und auf die Veröffentlichung jedes neuen Albums hinfiebere. Normalerweise bedeutet das, dass ich jahrelang warte, bis endlich Nachschub kommt. Aktuell ist es aber wirklich ausnahmsweise mal großartig, ein Fan der Band zu sein. Denn seit dem letzten Album, "Clancy" und der dazugehörigen Tour, die ich im April 2025 gesehen habe, ist noch gar nicht so viel Wartezeit vergangen - und schon beglückt uns das Duo aus Ohio mit ihrem neuen Album "Breach". Als im Frühjahr angekündigt wurde, dass die Fantheorien tatsächlich stimmen und "Clancy" mit 13 neuen Songs zu einem Doppelalbum ergänzt wird, war ich komplett aus dem Häuschen. Nun ist es endlich so weit: Nach zwei Singles können seit dem 12. September 2025 alle 13 neuen Songs gestreamt werden. Seitdem ich das Album mit einer Listening Party begrüßt habe, liefen die Tracks von "Breach" rauf und runter und nachdem ich nun einige Zeit hatte, um meine Gedanken zu ordnen, muss ich Euch nun natürlich noch ausführlich erzählen, was ich von der Musikneuerscheinung DES JAHRES halte...
Trackliste
🎜1. City Walls (5:22) | 🎜8. Center Mass (3:48) |
🎜2. Rawfear (3:22) | 🎜9. Cottonwood (3:08) |
🎜3. Drum Show (3:23; 2. Single) | 🎜10. One Way (2:43) |
🎜4. Garbage (3:16) | 🎜11. Days Lie Dormant (3:26) |
🎜5. The Contract (3:45; 1. Single) | 🎜12. Tally (3:32) |
🎜6. Downstairs (5:26) | 🎜13. Intentions (2:15) |
🎜7. Robot Voices (3:57) | 🎜+ Drag Path (Bonustrack; 5:04) |
Meine Eindrücke:
Wie schon die Vorgängeralben ist auch "Breach" beim Label Fueled by Ramen erschienen – und wieder hat die Band ihre Fans schon Monate vor Release mit geheimnisvollen Hinweisen, Videos, Briefen und versteckten Symbolen ins Rätseln versetzt. Da mich die Musik schon seit meinen früheren Teenager-Jahren begleitet, ist es jedes Mal etwas Besonderes, wenn neue Musik von Tyler und Josh erscheint. Bei diesem Album waren die Erwartungen der Clique und meinerseits aber besonders groß, denn die Lore, die nun seit über zehn Jahren ein immer größeres Erzähluniversum rund um die Band und die Alben erschaffen hat, sollte hier zu Ende geführt werden. Was dies genau bedeuten würde, war aber noch offen, denn Twenty One Pilots sind dafür bekannt, Erwartungen zu unterlaufen – musikalisch wie erzählerisch.
Um zu verstehen, wo "Breach" inhaltlich ansetzt, muss man einen Blick auf die große Rahmenerzählung werfen und in das Twenty-One-Pilots-Narrativ einsteigen. Da dieses mittlerweile so umfangreich geworden ist, dass eine Erklärung der Lore diesen Beitrag sprengen würde, habe ich die Lore in einem separaten Beitrag detailliert aufgearbeitet. Die genauen Zusammenhänge könnt Ihr also in meinem ausführlichen Beitrag zur Lore nachlesen, doch in Kürze: Nach dem Cliffhanger von "Paladin Strait" auf dem vorherigen Album kommt es nun zum Endkampf zwischen Clancy, dem Torchbearer, den Banditos und den Bischöfen von Dema. In den Songs "City Walls", "The Contract" und "Intentions" sowie besonders im Musikvideo zu "City Walls" erfahren wir allerdings, dass Clancy in seiner Mission, das unterdrückende Dema zu besiegen scheitert und selbst zu einem Bischof wird. Außerdem offenbart sich, dass es sich bei der Geschichte um einen Zyklus handelt, der nach Clancys Niederlage wieder von vorne beginnt. Es ist ein überraschender, trauriger, aber definitiv realistischer und runder Abschluss der Geschichte. Damit erfüllt das Album die Erwartungen nicht in Form eines endgültigen Showdowns, sondern mit einer reifen, ambivalenten Botschaft, die nicht allen gefallen wird, die jedoch leider sehr realistisch ist: Psychische Kämpfe enden nicht absolut, sondern verlaufen zyklisch. Manchmal gelingt ein Durchbruch, manchmal verliert man sich, aber es bleibt immer die Möglichkeit, weiterzumachen.
Passend zu dem inhaltlichen Ende einer Ära wirkt "Breach" auch musikalisch im größeren Gesamtwerk wie ein ein Knotenpunkt. Das Album zieht stilistisch Linien zurück zu den musikalischen Wurzeln der Band. Demnach lassen sich hier viele Anklänge an ältere Alben, wie "Blurryface", aber auch "Vessel", "Regional at Best" und sogar "Selftitled" finden und manche Demos und Instrumentals reichen sogar noch weiter zurück und erinnern an "No Phun Intended". Egal ob musikalische Schnipsel älterer Songs oder Anspielungen auf Lyrics, das Album ist ein bewusstes und nostalgisches Rekapitulieren der eigenen Geschichte. Für mich als Fan der ersten Stunde war das natürlich eine willkommene Gelegenheit, in eigenen Erinnerungen zu schwelgen und hat das Album mit einem stark emotional aufgeladenen doppelten Boden versehen.
Das Album greift jedoch nicht nur Altes auf und "schließt den Kreis", sondern macht musikalisch auch Platz für etwas Neues und probiert neue Sounds aus. Hyperpop, Breakbeat und Hardcore-Riffs treffen auf die vertrauten TOP-Mischungen aus Rap, Pop und Rock. Damit klingt "Breach" trotz nostalgischer Anklänge deutlich rockiger, energiegeladener als das Schwesteralbum "Clancy". Manche Songs wirken dabei fast schon überladen und überproduziert, mit vielen Hintergrundgeräuschen und übervollem Klang, weshalb man sie mehrmals anhören muss, um alle Ebenen herauszuhören. Genau wie im Vorgänger-Album gibt es zudem keine klare Linie, es wird mit Brüchen, Kontrasten, Tonartwechseln, Tempowechseln und verschiedenen Genres experimentiert. Doch gerade das spiegelt das zentrale Thema wider: Wiederholung, Unruhe und ein fehlender Ausweg.
Der Opener "City Walls" ist dafür ein perfektes Beispiel. Der Song baut sich langsam aus Klavier und Synthitexturen auf, bevor Tylers Stimme mit fast predigender Intensität einsetzt. Nach und nach türmen sich die Schichten auf, bis das Ganze in einem musikalischen Zusammenbruch endet, der Clancys Kampf episch in Szene setzt. Dabei werden immer wieder Zeilen früherer Songs zitiert ("Entertain my Face" - Holding On to You; "I write a promise in pencil, but my loyalty´s in pen" - Addict with a pen; "Island of Violence" - Migraine) und am Ende des Songs klingen die ersten Takte von "Heavydirtysoul" an, wodurch ein direkter Bogen zum Anfang der Bandgeschichte und der Lore gespannt wird. Das dazu passende Musikvideo ist darüber hinaus ein cinemastisches Kunststück, das sowohl Inhalt als auch Musik episch in Szene setzt. Genauer aufgeschlüsselt, was in dem Video passiert und was dies bedetet, findet Ihr wie gesagt hier.
Direkt im Anschluss folgt "Rawfear", ein drängender und eindringlicher Track, der inhaltlich an Songs wie "Stressed Out" oder "Doubt" erinnert. Er beschreibt das permanente Streben im Leben, das durch "rohe Angst" motiviert ist und wie Fortschritt Schritt für Schritt erkämpft werden muss. Übersetzt in die Musik resultiert das in vollen Klängen und cleveren Tempowechseln: Wenn Tyler „never slowing down“ singt, beschleunigt das Tempo plötzlich, nur um schlagartig in den alten Takt zurückzufallen. Ich habe mich schon beim allerersten Hören in den Song verliebt und halte ihn für einen der größten Ohrwürmer des Albums. "Drumshow", die zweite Single, hält eine große Überraschung für die Fans bereit: Hier darf Schlagzeuger Josh zum ersten Mal singen. Die als "Jocals" (Josh + Vocals) bekannt gewordenen Passagen sind so eingeschlagen, dass sie beinahe das Internet gesprengt haben. Gemeinsam mit dem hymnischen, arena-tauglichen Refrain und dem Gänsehaut-Scream-Part darf man sich also schon auf einen künftigen Live-Favoriten freuen!
Unmittelbar danach treibt "Garbage" die Stimmung in eine andere Richtung. Die verspielte, poppige Hymne hat beim ersten Hören beinahe Coldplay-Anklänge, ist mit seinen verschiedenen Schichten aber schnell zu einem meiner absoluten Favoriten auf dem Album aufgestiegen. Das selbstironische "I feel like garbage" beißt sich wunderbar mit dem sanften Piano-Part und der dramatisch, emotionalen Bridge. Besonders die ersten Live-Versionen des Songs sind so berührend, dass ich es kaum erwarten kann, ihn selbst live zu erleben! Die Leadsingle "The Contract" greift im Anschluss wieder die fiebrige Energie der ersten drei Songs auf und bündelt das Klangchaos von "Breach" in Reinform. Der wilde Stilmix aus Nu-Metal-Riffs, hyperpopartigen Glitches, Rap-Passagen und einem manischen Refrain hat als erste Single bereits im Juli den Ton für das gesamte Album gesetzt und auch inhaltlich für viele Spekulationen und Theorien gesorgt. Türen fallen ins Schloss, Schritte hallen vor der Tür, ein „Necromancer“ drängt auf Einlass – Es sind Bilder, die sich perfekt in die Lore einfügen, aber auch ohne Kontext wirkt der Track hochpräzise inszeniert und verspricht, was wir von den restlichen Tracks erwarten können.
Auch im Mittelteil des Albums geht es voller Kontraste weiter. "Downstairs" ist ein neu aufgelegtes Demo aus der Vor-Major-Label-Zeit (Korea-Demo), das roh, melancholisch und mit spirituellen Anklängen in die Anfangszeit der Band mitnimmt. Mit Wiederholungen und flehentlichen Lyrics wirkt der Song beinahe wie ein Psalm und passt damit eher in die Regional-at-Beste-Zeit als auf das reifere, erwachsenere "Breach" (was dem Hörgenuss natürlich keinen Abbruch tut). Ebenso kontextlos folgt "Robot Voices" an der siebten Stelle des Albums. In dem neu aufgelegten Indie-Song, bei dem sich Tyler von "My Soft Spots, My Robots" von Blanket Approval inspirieren ließ, verschmelzen künstlich verzerrte Stimmen mit einer warmen Klaviermelodie zu sommerlichen Lyrics. In "Center Mass" werden die Brüche auf die Spitze getrieben. Musikalisch experimentiert der Song mit Call-and-Response-Passagen und Reggae-/Dancehall-Einflüssen, bettet außerdem Konzert Samples und Fan-Referenzen (z.B. eine humorvolle Referenz an die Schlagzeug-Diebstahl-Episode früher im Jahr) ein und schafft es zusätzlich noch, verletzliche Lyrics und einen Ohrwurm-Refrain einzubinden. Es ist definitiv kein Song für jedermann - auch ich musste mich erstmal reinhören -, aber definitiv ein Song, der lange nachhallt.
Nach so viel Unruhe gönnt sich das Album in "Cottonwood" eine kurze Atempause. Der bittersüße Song ist eine liebevolle Hommage an Tylers verstorbenen Großvater und wird von Klavier und Streichern getragen. Es ist einer der emotionalsten und zugleich stillsten Momente des Albums, ein Moment der Ruhe, bevor das Album wieder Fahrt aufnimmt. "One Way" ist ein kurzer, aber mitreißender Track, der mit der Kombination aus viby Sound und desillusioniertem Text an "Scaled and Icy" erinnert. Mit einem Voicemail-Outro von Josh durchbricht der Song außerdem die vierte Wand und liefert die perfekte Überleitung zu "Days Lie Dormant". Hier wird der Ton wieder kantiger und erinnert fast an Punk Rock á la "My Chemical Romance", während die Lyrics Heimweh und Sehnsucht nach der Familie während der Tour ansprechen. Der abwechslungsreiche Song mit vielen Brüchen klingt ganz anders als der typische Twenty One Pilot Sound, ist aber ein guter Beweis dafür, wie weit die Band ihre Palette inzwischen auslotet.
Kurz vor dem Ende überraschte mich "Tally" noch einmal mit gritty Pop-Anklänge, die an die "Vessel"-Ära erinnern. Ich habe mich schon beim ersten Hören in den Song verliebt, der inhaltlich mit einer hoffnungsvollen Botschaft ("I see your heart break every time/Still now, you believe in me somehow"). auch ein weiteres Schlüsselstück zum Verstehen der Lore bereithält. Der Song kann als letzte Entschuldigung an den Torchbearer interpretiert werden, der Clancy auf seiner gesamten Reise begleitet hat, am Ende aber doch von ihm verraten wurde. Der Abschluss "Intentions" nimmt sich dann wieder zurück und nach 12 High-Power-Songs klingt das Album leise, ereignislos und fast meditativ aus. Bemerkenswert ist allerdings das versteckte Detail: das Instrumental des Songs ist die Melodie aus "Truce" rückwärts gespielt. Damit schließt sich nicht nur musikalisch, sondern auch symbolisch ein Kreis. Der Bonustrack "Drag Path", der für kurze Zeit in den Digital Remains zu kaufen war, setzt schließlich einen letzten, eindringlichen Akzent, der nochmal richtig unter die Haut geht. Auch dieser Song kann im Kontext der Lore interpretiert werden als letzte Botschaft an den Torchbearer: "A drag path that leads to my own prison, I’m confident, you’ll find mе". Davon abgesehen ist es aber auch einfach ein musikalisches Meisterwerk!
Bis ich alle Songs live hören werde, wird leider noch etwas Zeit vergehen müssen. Da die Breach-Tour Amerika leider nicht verlassen wird, muss ich mich gedulden, bis ich die Band nächstes Jahr auf dem Southside Festival sehen werde. Wie sich bis dahin meine Meinung zu dem Album nochmal verändern wird, bin ich gespannt. Für mich war "Breach" nämlich kein sofortiges „Insta-Love“-Album. Es waren viele "Grower"-Songs dabei, die man mehrmals anhören musste, bis sie geklickt haben, und auch die Raffinesse der Übergänge und Kontraste entfaltete sich erst mit der Zeit. Dass das Album bei den internationalen Fans so gut ankommen und gleich auf Platz 1 der Billboard Charts steigen würde, hat mich deshalb überrascht. Mit seinen Kontrasten, der Komplexität und der emotionalen Wucht zählt es für mich aber mittlerweile auch zu den stärksten Werken der Band. Denn es ist nicht nur das epische Ende eines Kapitels, sondern auch ein Neubeginn, der zeigt, wohin es in Zukunft gehen könnte. Die Kreise schließen sich musikalisch und erzählerisch, aber dennoch bleibt die Gewissheit: die Geschichte von Twenty One Pilots ist noch lange nicht vorbei.
Fazit
"Breach" ist eine kompromisslose, wilde und zutiefst persönliche Platte, die die Band gleichzeitig zurück zu ihren Wurzeln bringt und neue musikalische Experimente wagt. Mit dem Ende der Lore findet eine ganze Ära ihren Abschluss, doch die Musik öffnet ebenso Türen für Neues, auf das wir gespannt sein dürfen! Egal ob Ihr Twenty One Pilots schon länger begleitet oder erst neu entdeckt habt: Ihr hört hier eine der mutigsten, unberechenbarsten Pop-Produktionen der letzten Jahre!
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