Mittwoch, 2. Juli 2025

Atmosphere


Allgemeines

Titel: Atmosphere
Autorin: Taylor Jenkins Reid
Verlag: Ballantine Books (3. Juni 2025)
Genre: Roman
ISBN: 9783550203107
Seitenzahl: 352 Seiten
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Inhalt

Joan Goodwin sieht zu den Sternen auf, seit sie denken kann. Als Professorin für Astrophysik hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht, und sie ist glücklich, wenn sie ihrer Nichte abends unter freiem Himmel die Sternbilder erklären kann. 1980 wagt sie den Schritt ihres Lebens: Sie bewirbt sich als eine der ersten Frauen für das Space-Shuttle-Programm der NASA. Mit einer Gruppe aus hoch qualifizierten Piloten, Commanders und Ingenieurinnen beginnt sie die intensive Vorbereitung auf ihren ersten Flug ins All. Während sie ihrem Traum von den Sternen immer näher kommt, geschieht etwas, das Joan nicht erwartet hätte: Sie begegnet der Liebe ihres Lebens. Mit einem Mal stellt sie alles infrage, was sie über ihren Platz im Universum geglaubt hat.


Bewertung

Auf das neue Buch von Taylor Jenkins Reid habe ich mich seit Monaten gefreut. Nicht nur, da mich ihre vergangenen Bücher allesamt begeistern konnten, auch weil die Zutaten nach einem sicheren Highlight klangen: Eine queere Liebesgeschichte rund um zwei Frauen, die in den 80ern als erste weibliche Astronautinnen für die NASA arbeiten?!? Und das ganze geschrieben von der Expertin für realistische Historikdramen schlechthin? Count me in! 352 Seiten später schreibe ich nun diese Rezension und kann erleichtert verkünden, dass "Atmosphere" jedes bisschen genauso großartig war wie erhofft!

"Well, we are the stars", Joan said. "And the stars are us. Every atom in our bodies was once out there. Was once a part of them. To look at the night sky is to look at pars of who you once were, who you may one day be.”

Auf dem schlichten Cover sehen wir Hauptfigur Joan, die in einem Fliegeranzug in einen blauen Himmel blickt, während sich der Start einer Rakete in ihrer Aviator-Sonnenbrille spiegelt. Auch wenn ich eigentlich kein Fan von Personen auf Buchcover bin, trifft dieses genau wie der mehrdeutige Titel ins Schwarze. Die innere Gestaltung des Buches ist schlicht und lässt vor allem den Inhalt sprechen.

Erster Satz: "Joan Goodwin gets to the Johnson Space Center well before nin, and Houston is already airless and muggy."

Wie in den meisten Büchern von Taylor Jenkins Reid hat auch "Atmosphere" eine ganz spezielle Erzählweise, die bei genauerem Hinsehen psychologisch ganz schön perfide ist. Die Handlung beginnt mit einem Einsatz des Spaceshuttles "Navigator" am 29. Dezember 1984, bei dem ein tragischer Unfall eine brenzlige Situation für alle Astronauten an Bord auslöst. Bevor wir allerdings erfahren, wer die kritische Lage überleben wird, springt die Geschichte sieben Jahre zurück und erzählt in mehreren Kapiteln von einer jungen Gruppe Astronautenanwärtern, die sich bei der NASA bewerben, jahrelang gemeinsam trainieren, zusammenwachsen, sich verlieben und Kinder bekommen. Während wir die Gruppe rund um Joan, Vanessa, Lydia, Griff, Donna, Hank und Steve immer mehr ins Herz schließen, kehren wir in kurzen Einschüben immer wieder zum 29. Dezember 1984 zurück, die uns daran erinnern, dass über den Figuren ein Damoklesschwert hängt. So steigert sich die Spannung trotz alltäglicher Handlung in den Rückblicken bis zum buchstäblich letzten Satz, da wir der Enthüllung immer näher kommen, während wir die Figuren gleichzeitig immer mehr ins Herz geschlossen haben. 

"My dad taught me when I was little. Bravery is being unafraid of something other people are afraif of. Courage is being afraid, but strong enough to do it anyway. "Oh", Joan said. "Neither of us are particulary brave right now", Vanessa said. "But both of us are going to be courageous."

Neben dem Einsatz, der den erzählerischen und spannungsgebenden Rahmen des Romans bildet, bekommen wir in den Rückblicken Einblicke in das Leben und das Training der AstronautInnen bei der NASA. Ob die geschilderten Abläufe des Space Shuttle Programms in den 80ern realistisch sind, kann ich natürlich nicht beurteilen. Da die Autorin aber für ihre ausführlichen Recherchen bekannt ist und sich auch dieses Setting wieder so angefühlt hat, als hätte die Autorin nie etwas anderes als Raumfahrtsthriller geschrieben, habe ich es sehr genossen, für eine kurze Zeit Teil des Space-Shuttles Programms zu sein. Stärker im Vordergrund als das Raumfahrtsthema stehen allerdings auch in diesem Roman die Beziehungen der Figuren.

"Listen to me,” Joan said. “I was circling two hundred miles above the Earth, and all I wanted was to get home and see you. Do you understand that? Do you understand that I don’t care how big or small this world is, that you are the center of mine? Do you understand that, to someone, you are everything that matters on this entire planet?

Das wird schon durch den Untertitel "A Love Story" angedeutet: im Zentrum von "Atmosphere" steht die Liebe und zwar in verschiedenen Facetten. Da wäre zum einen die offensichtlichste Art - die queere Liebesgeschichte zwischen Joan und Vanessa, bei der allerdings kein einziges Label verwendet wird. Es geht immer nur um die Emotionen zwischen den beiden, die Joan lange nicht in Worte fassen kann. Die Autorin nimmt sich sehr viel Zeit für Joans Queer Awakening sowie den langsamen Beziehungsaufbau, ohne die Romanze zu stark in den Vordergrund zu stellen. So bleibt auch viel Raum für eine Liebeserklärung an die Wissenschaft, den großen Traum ins All zu fliegen und die Sterne zu berühren, das Bedürfnis über sich hinauszuwachsen und sich selbst und der Welt neue Grenzen zu setzen. Die Träume und der Antrieb der Frauen und Männer im Raumfahrtsprogramm wird als genauso große Kraft dargestellt wie die romantische Liebe. Als drittes - und das war die Facette der Geschichte, die mich am allermeisten berührt hat - erzählt die Autorin unerwartet von der Liebe zwischen einer Tante und ihrer Nichte. Wie mit Joan und Frances über mehrere Jahre zusammenfindet, was schon von Beginn an zusammengehörte, ist die überraschendste und bewegendeste Interpretation des Untertitels. 

"I want to be an astronaut", Frances said. What a time Joan lived in. To be able to tell her niece that she could be an astrounaut."

Ein großer Faktor, weshalb ich das Buch so sehr geliebt habe, ist auch die Hauptfigur Joan selbst. Die große Stärke der Bücher von Taylor Jenkins Reid ist, dass sich die fiktiven Figuren so lebensecht anfühlen, dass man meint, man könne sie googeln. Die Protagonistinnen haben dabei immer Ecken und Kanten und sind nicht immer klare Identifikationsfiguren, aber sie finden dennoch in jedem Fall einen ganz eigenen Weg, sich ins Leserherz zu schleichen und dort häuslich einzurichten. Während ich mit den komplizierten, extrovertierten Figuren wie Carrie Soto, Daisy Jones und Co erstmal warmwerden musste, ist Joan einfach zu lieben und unterscheidet sich von Reids sonstigen Figuren: leise, überlegt und in sich ruhend bringt sie eine überraschende Reife und Weisheit mit. Sie lässt sich nichts gefallen, durchschaut andere Menschen sofort, ist allerdings bei all ihrer Stärke und Ambitionen aber auch ein herzlicher und liebevoll kümmernder Mensch. Ihre Stärke liegt gerade darin, dass sie Schwäche zulässt – und damit ein neues Bild von Weiblichkeit im männerdominierten NASA-Kosmos zeichnet.

"Because the world had decided that to be soft was to be weak, even though in Joan’s experience being soft and flexible was always more durable than being hard and brittle. Admitting you were afraid always took more guts than pretending you weren’t. Being willing to make a mistake got you further than never trying. The world had decided that to be fallible was weak. But we are all fallible. The strong ones are the ones who accept it.”

Spannend ist an ihrer Charakterisierung aber auch, dass durch die Erzählperspektive in der dritten Person gerade zu Beginn etwas Distanz zu ihr entsteht, da wir kaum direkte Emotionen von ihr erfahren, sondern vor allem aus den Dialogen und ihrem Verhalten zwischen den Zeilen erkennen müssen, was sie fühlt. Besonders ihre Selbsterkenntnis bezüglich ihrer Sexualität und ihre erwachende Liebe zu Vanessa sind deshalb sehr langsam und kleinschrittig, dadurch aber umso mitreißender und authentischer dargestellt. 

"I mean, it´s 1981," Lydia said. "It´s time to stop getting upset at stupid jokes and start getting stuff done." "I would say the exact opposite to you", Joan countered. "It´s 1981, and I´m done pretending sexist jokes are funny just so men will give me a chance at something I´m probably better at than they are."

Die Nebenfiguren aus Joans persönlichem und beruflichem Umfeld sind zu Beginn noch vor allem Namen ohne Gesicht, werden über die 352 Seiten hinweg aber mit so viel Leben gefüllt, dass es die drohende Katastrophe umso schmerzhafter macht. Welches Schicksal sie für welche Figur geplant hat, bleibt tatsächlich bis zur aller letzten Sekunde des Romans offen und da ich der Autorin mittlerweile alles zutraue, habe ich bis zuletzt gehofft und gebangt. Die letzten Seiten haben mir dann nochmal bestätigt: Taylor Jenkins Reid hat hier mal wieder ein episches, lebendiges, einfühlsames und gedankenvolles Meisterwerk geschrieben! 

"Happiness is so hard to come by. I don't understand why anyone would begrudge anyone else for managing to find some of it." "That´s because you´re too good for the world you love so much," Vanessa said.

Fazit

Einfühlsam, vielschichtig und absolut mitreißend – "Atmosphere" ist ein weiterer Geniestreich von Taylor Jenkins Reid mit starken Frauenfiguren, queerer Romantik und atmosphärischem Storytelling. 

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Quelle Informationen: Amazon.de. Klapptexte und Zitate sind Eigentum des Verlags oder jeweiligen Rechtinhabers.

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