
Hallöchen,
die heutige Frage wurde mir von Jay (Bücher wie Sterne) zugesendet und da ich sie sehr interessant fand, gebe ich sie heute mal an Euch weiter. Zugegeben: Ich habe erst kurz gezögert. Nicht, weil ich das Thema unwichtig finde – im Gegenteil – sondern weil ich eigentlich vermeiden möchte, dass daraus eine allgemeine Grundsatzdebatte über das Gendern entsteht (die erfahrungsgemäß leider oft wenig konstruktiv verläuft). Aber dann dachte ich mir, dass ich eigentlich genug Vertrauen in uns habe, dass wir wie vernünftige Erwachsene über das Thema diskutieren können. Denn auch wenn die Debatte gesellschaftlich sehr aufgeladen ist und gezielt als Kulturkampf aufgebauscht wurde, geht es letztendlich nur um das, mit dem wir uns sowieso die ganze Zeit beschäftigen: Sprache und deren Wirkung. Also steigen wir mal ein:
Wie steht Ihr zur gendersensibler Sprache in Büchern?
Bevor ich auf gendersensible Sprache in Büchern eingehe, muss ich ein wenig ausholen und meinen generellen Standpunkt erklären. Zunächst muss ich sagen, dass ich Gendern wichtig, wenn auch keine optimale Lösung finde. Eine Sprache zu verwenden, die alle anspricht und inkludiert ist definitiv ein wichtiges und sinnvolles Vorhaben. Das zeigen psychologische Selbstwirksamkeitsstudien mit Kindern genauso wie die Rückläufe auf Stellenanzeigen, in denen verschiedene Berufsbezeichnungen verwendet werden, eindrücklich. Wege zu finden, alle Geschlechter und Personengruppen der gesellschaftlichen Realität auch in der sprachlichen Realität abzubilden, finde ich deshalb richtig. Allerdings finde ich die bisherigen Lösungen alle nicht ganz optimal, weshalb ich bis zu einem gewissen Punkt durchaus verstehen kann, weshalb sie so viel Widerstand und Gegenwind hervorgerufen haben.
Es gibt viele Vorschläge für gendersensible Sprache, von den klassischen Doppelformen (z.B. Schülerinnen und Schüler) über Binnen-I, Gendersternchen*, Partizipialformen (z.B. Studierende) bis hin zu ganz verrückten Ideen wie x-Pronomen. Alle davon sind erstmal ungewohnt und sperrig. Eben vorläufige Vorschläge. Und hier liegt genau der Punkt der Diskussion, den ich nicht verstehe: Die enorme Ideologisierung und Aufladung des Themas als "Genderwahn" oder "woke Sprachdiktatur". Sprache wird nicht diktiert, sie kann nicht vorgegeben oder durchgesetzt werden. Sprache muss im Alltag erprobt werden, Sprache entwickelt sich ganz natürlich in der Verwendung und stellt so sicher, dass sich langfristig durchsetzen wird, was unkompliziert ist und funktioniert. Aber solange wir uns noch am Anfang des Prozesses befinden und sich viele Personen überhaupt nicht darauf einlassen können, probiere ich mich eben durch das Repertoire durch, das mir bislang zur Verfügung steht und versuche das beste daraus zu machen. So benutze ich meistens das Binnen-I in schriftlichen Texten (weil ich das für die am wenigsten aufdringliche Version halte) und versuche in gesprochener Sprache wenn möglich das Gender-Partizip zu verwenden. Die Betonung liegt auf "versuche" - ich gebe einfach mein Bestes und wenn es mal nicht klappt, reißt einem ja keiner den Kopf ab.
So, mit dieser langen Vorrede nun zum Gendern in Büchern. Bisher habe ich tatsächlich selten einen deutschen Roman (im Englischen erübrigt sich die Debatte ja an vielen Stellen, da sind eher die Pronomen von Interesse) gelesen, in denen konsequent gegendert wurde. "Felix Ever After" und "How do I tell them I love them?" von Kacen Callender sind die beiden Ausnahmen, die mir bisher über den Weg gelaufen sind. Hier werden sowohl die deutschen Neopronomen Pronomen "dey/demm" als Übersetzung des englischen "they/them" verwendet, als auch durchgängig mit dem Genderstern gegendert. Auch wenn das zunächst ungewohnt war, ist es mir das tatsächlich nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne den Lesefluss zu stören. Man muss allerdings sagen, dass ich ja berufsbedingt viel Fachliteratur lese, in der sowieso ständig gegendert wird, weshalb sich da ein sehr schneller Gewöhnungseffekt einstellt.
Während ich das in Belletristik wirklich nur in diesen beiden Fällen gesehen habe, ist irgendeine Form von gendersensibler Sprache in den Sachbüchern, die ich zuletzt gelesen habe, beinahe schon Standard (haha, ich lese aber meistens auch nur linke, feministische, queere oder wissenschaftliche Sachbücher). Eine recht elegante Lösung, die ich hier öfter gelesen habe, ist dass einfach abwechselnd männliche und weibliche Formen verwendet werden, wenn es um Gruppen geht. Dann heißt es eben mal "der Schüler" und später "die Lehrerinnen" und zusammen mit einem Hinweis am Beginn des Buches wird so klar, dass das Geschlecht bei der Nennung keine Rolle spielt.
In fiktiven Geschichten ist das natürlich nicht möglich, da das Geschlecht von Gruppen oftmals einen inhaltlichen Unterschied macht und es durchaus von Interesse sein kann, die sprachliche Präzision beizubehalten. Ob die Hauptfigur von einer Gruppe Schülerinnen oder einer Gruppe Schülern oder einer gemischten Gruppe aus SchülerInnen ausgelacht wird, kann die Richtung der Geschichte durchaus verändern. Wie man gendersensible Sprache in Romanen umsetzen soll, finde ich deshalb eine nicht ganz einfache Frage. Ich bin gespannt, welche Ansätze sich in den nächsten Jahren etablieren, wie diese von der Buchcommunity aufgenommen werden und lasse mich davon gerne überraschen. Für mich steht allerdings fest: das generische Maskulinum hat so langsam ausgedient. Denn ist man an das Gendern gewöhnt, denkt man irgendwann bei der Beschreibung von "einer Gruppe Magier" eben doch nur an männliche Magier....
Wie seht Ihr das?
Liebe Grüße
Sophia
Um in die Linkliste aufgenommen zu werden, hinterlasst bitte einen Kommentar
mit dem Link zu Eurem Beitrag.
Nächste Woche bei der Montagsfrage:
Halbjahresbilanz Bücherbingo 2025
Hey Sophia,
AntwortenLöschenein wichtiges Thema. Ich bin heute gerne dabei, weil es mir am Herzen liegt:
https://mellisbuchleben.blogspot.com/2025/06/aktion-montagsfrage-gendersensible.html
Liebe Grüße Melli
Guten Morgen Sophia,
AntwortenLöschenja, so unterschiedlich sind die Eindrücke bzw. die Lesegewohnheiten. In meinem Umfeld wird eher wieder weniger gegendert, auch in Sachbüchern. Ich sehe leider auch keine Form des Genderns, die im Deutschen funktioniert, weshalb ich nicht denke, dass das generische Maskulin ausgedient hat.
Zu meiner Antwort
BTW: Welches Bücherbingo meinst Du?
Herzliche Grüße
Frank
Moin zusammen,
AntwortenLöschenich habe meine Erfahrungen und Meinung zum Thema hier versucht zusammenzutragen.
| Montagsfrage | gendersensibler Sprache?
Viele Grüße
Ariane