Die Fakten
Titel: Felix Ever After
Autor/in: Kacen Callender
Verlag: LYX (29. Oktober 2021)
Genre: Jugendbuch
Seitenzahl: 368 Seiten
Originaltitel: Felix Ever After
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Der Inhalt
Der siebzehnjährige Felix Love war noch nie verliebt - die Ironie daran geht
ihm selbst ziemlich auf die Nerven! Seine größte Angst ist es, dass sich
niemand in ihn verlieben wird, weil er einfach zu viele Ausschlusskriterien
erfüllt. Braune Haut, queer und trans - die Vorstellung, dass er deshalb nicht
liebenswert ist, lässt ihn in Schockstarre verweilen. Doch als Felix
transfeindliche Instagram-Nachrichten bekommt, nachdem sein Deadname zusammen
mit Fotos von ihm vor seiner Transition in der Schule veröffentlicht wurde,
wird es für ihn endlich Zeit zu handeln. Felix schreibt seinem vermeintlichen
Peiniger zurück, um herauszufinden, wer ihm das angetan hat, und verstrickt
sich dabei in einem Netz aus ungeahnten Gefühlen, Identitätssuche und wahrer
Freundschaft ...
Die Eindrücke
Hinweis: AutorIn Kacen Callender identifiziert sich selbst als trans und
queer und bevorzugt die non-binären Pronomen they/them, zu denen es im
Deutschen leider keine guten Äquivalenten gibt, weshalb ich sie in der
Rezension trotzdem verwende.
"Du bist glücklich. Und tapfer. Es ist so mutig von dir, einfach du
selbst zu sein, obwohl du weißt, dass die Welt nicht bereit ist, dich so
zu akzeptieren, wie du bist. Du weigerst dich trotzdem, jemand anderes zu
sein, ganz gleich was passiert. Davor habe ich Respekt. Das bewundere
ich."
Themen: Kacen Callenders Roman ist stark von eigenen persönlichen
Erfahrungen geprägt - das merkt man jeder einzelnen Zeile an, die sehr
authentisch von ganz durchschnittlichen Krisen der Teenager-Jahre erzählt,
nebenbei aber auch auf wichtige Belange der LGBT-Community aufmerksam macht. "Felix Ever After" ist also alles andere als ein typischer Coming-of-Age-Roman. Neben
allgemeinen Themen wie Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Träume und
Zukunftspläne werden wir hier auch mit Rassismus, Sexismus,
Transfeindlichkeit, Homophobie, Hass und Diskriminierung konfrontiert, welche
leider auch in der vermeintlich offenen LGBT-Community weit verbreitet sind.
Wichtige gesellschaftlich-diskutierte Sichtweisen werden dabei genauso
miteingeflochten wie grundlegende Informationen über die einzelnen
Sexualitäten und Geschlechteridentitäten. Kacen Callender schreibt im Nachwort, they habe das Buch in der Hoffnung
geschrieben, mindestens einer Person mit diesen persönlichen Einblicken die
Augen zu öffnen und dabei zu helfen, die eigene Identität zu finden. Die
Geschichte, die aus diesem Wunsch entstanden ist, hilft aber auch Nicht-Mitgliedern der Community dabei, sich mehr Wissen anzueignen und einen neuen Blickwinkel auf
unterschiedliche Themen einzunehmen. Ich halte mich grundsätzlich für
eine tolerante und weltoffene Person. Beim Lesen dieses Romans sind mir jedoch
viele Versäumnisse meinerseits bewusst geworden, auf die ich in Zukunft
besser achten will. Und wenn das kein Grund ist, die Geschichte zu lesen....
"Serien machen niemanden queer", sagt Austin. "Sie sorgen nur dafür, dass
Leute begreifen, dass es überhaupt... ich weiß nicht, auch eine
Möglichkeit ist. Es ist, als ob wir von klein auf einer Gehirnwäsche
unterzogen werden, damit wir alle denken, wir müssten hetero sein."
"Die Heteros glauben, wir hätten vor, Leute umzudrehen", sagt Marisol,
"aber dann versuchen sie schon Kleinkinder irgendwie zu verkuppeln und
sagen, wie süß sie doch zusammen sind und dass sie dazu bestimmt sind,
eines Tages zu heiraten."
Handlung: Neben den wichtigen Themen kommt die eigentliche Handlung in
meinen Augen aber leider ein wenig zu kurz. Gerade zu Beginn passiert erstmal
sehr wenig auf der reinen Handlungsebene, was es mir stark erschwert hat, in
der Geschichte anzukommen. Erst ab der Hälfte wird klar, worüber Kacen Callender überhaupt schreiben möchte: eine zarte
Liebesgeschichte, die einige herbe Rückschläge, Umwege und Erkenntnisse
benötigt, um sich entfalten zu können. Als der Stein dann nach gut 200 Seiten endlich ins Rollen kommt, passiert dann gefühlt alles gleichzeitig und leider haben viele
Entwicklungen nicht den Raum bekommen, den sie verdient gehabt hätten.
"Du bedeutest nichts. Du existierst nicht. Mit einem Anflug von Scham
wird mir bewusst, dass ich angefangen habe, diese Behauptungen zu
verinnerlichen. Es ist nicht leicht, Stolz auf mich selbst zu empfinden,
wenn es sich anfühlt, als hätte die Welt etwas dagegen."
Figuren: Die Problematik, dass erst wenig und dann alles auf einmal
passiert, lässt sich auch auf die Hauptfigur übertragen. Felix ist zunächst
sehr schwer als Figur zu greifen, was womöglich daran liegt, dass er selbst
noch vieles über sich herausfinden muss und seine Identität laufend
hinterfragt. Auch im späteren Verlauf der Handlung arbeitet Kacen Callender in
Felix´ Charakterisierung mit vielen Wiedersprüchen, was es schwer macht, ihn
wirklich zu verstehen und ein Gespür für diese komplexe Figur zu bekommen. Seine Entwicklung habe ich aber trotzdem mit ganz viel
Liebe im Herzen verfolgt. Denn wie der laute, selbstbewusste Junge in seinem
Inneren leise nach Antworten sucht und dabei auf eine Wahrheit stößt, die für alle anderen sichtbar, ihm jedoch völlig unklar war, ist einfach wunderschön mitanzusehen. Ein
wichtiges Mittel in seinem Entwicklungsprozess hin zur Selbstfindung und auch
Selbstermächtigung ist seine Kunst. Passend dazu ziert auch eines von Felix´
Selbstportraits das Cover, welches definitiv zu meinen Coverfavoriten des Lesejahres 2021 zählt.
"Ich bin Felix. Niemandem außer mir steht es zu, zu entscheiden, wer ich
bin."
Mit den Nebenfiguren, insbesondere der Freundesclique an der Kunstakademie, hatte ich aber leider so meine Probleme. Zunächst war ich etwas überfordert
mit all den unterschiedlichen Figuren, deren Bild in meinem Kopf sich auch
von Situation zu Situation verändert hat. Dadurch dass hier jedoch alle
mögliches "races", "gender" und Sexualitäten vertreten sind, machen sie langfristig die
Geschichte noch bunter und vielseitiger.
"Wir alle machen mal Fehler. Wir alle können daraus lernen und es in
Zukunft besser machen. Aber wir alle haben auch das Recht, selbst zu
entscheiden, ob wir jemandem vergeben."
Schreibstil: Ein weiterer Punkt, weshalb ich der Geschichte trotz des
berührenden Umgangs mit wichtigen Themen und einer tollen Charakterentwicklung
keine volle Punktzahl geben kann, ist der Schreibstil. Jener hat mich zu Beginn
leider gar nicht überzeugen können, da er mir sehr flapsig und ohne große
emotionale Tiefe erschien. Im Nachhinein würde ich ihn eher als jung, frech
und direkt bezeichnen, da sich mit der zunehmenden Öffnung und Klarheit von Felix auch Szenen häuften, die mich sehr ergriffen haben. Auffällig ist auch die
sehr sensible deutsche Übersetzung, die auch in den Feinheiten der Sprache die
Botschaft von Vielfalt und Toleranz des Buches umsetzt. "Felix Ever After"
war der erste Roman, den ich gelesen habe, in dem konsequent gegendert und die
richtigen Pronomen auch im Deutschen verwendet wurden. Auch wenn
Formulierungen wie "they" und "Schüler:innen" zunächst ungewohnt klangen, ist
es mir nach wenigen Seiten gar nicht mehr aufgefallen, was beweist, dass es
auch möglich ist, in Romanen auf geschlechtersensible Sprache zu achten, ohne
den Lesefluss zu stören.
Die restlichen Zitate
"Ich heiße Felix Love, aber verliebt war ich noch nie. Ich weiß nicht,
manchmal macht mir diese Ironie echt zu schaffen"
"Selbst nach meinem Outing, sogar nach dem Beginn meiner Transition habe
ich manchmal dieses Gefühl. Dieses Gefühl, dass irgendwas immer noch nicht
stimmt. Fragen treiben an die Oberfläche. Diese Fragen ziehen an meinen
Ängsten wie an einem Faden, und ich fürchte mich davor, dass sich, wenn
ich zu fest daran ziehe, alles auflöst und ich auseinanderfalle.
Vielleicht hasse ich es deshalb mehr als alles andere, wenn mich mein
Vater mit meinem Deadname anspricht. Denn dann frage ich mich, ob ich
wirklich Felix bin, ganz gleich, wie laut ich diesen Namen schreie."
"Möchtest du darauf wirklich deine Energie verwenden?", fragt er.
"Was soll ich mit meiner Energie denn sonst anstellen?"
"Sie für dich selbst einsetzen", schlägt er vor. "Liebe, akzeptiere
und feiere dich selbst, und liebe, feire und unterstütze die jungen
Frauen der nächsten Generation, die so sind wie du. Die Welt
verändern, ja - wir brauchen Menschen, die für unsere Rechte kämpfen,
die vor Gericht um Gerechtigkeit streiten, damit es für die nächste
Generation leichter wird. Aber unsere eigene Welt zu erschaffen, nicht
nur für uns selbst in einer abgeschlossenen Blase, sondern so, dass
sie sich bis zu denen erstreckt, die es am meisten brauchen - eine
Welt voll mit unseren Erzählungen, unserer Geschichte, unserer Liebe
und unserem Stolz -, das ist eben so schön. Ebenso wichtig. Denn ohne
so etwas vergessen wir uns selbst."
"So wie ich wird er die Welt nie erleben können. Wie soll ich auf so
jemanden wütend sein?"
"Sobald ich einmal ins Schreien eingestimmt habe, kann ich nicht mehr
aufhören. Ich schreie so laut, dass meine Kehle wund wird und mein
Herz hämmert. Ich schreie vor Freude. Ich schreie vor Schmerz. Ich
schreie vor lauter Staunen darüber, hier zu sein, darüber, dass wir
alle hier sind, und dass wir aufgrund all der Menschen hier sind, die
vor uns da waren und jetzt nicht dabei sein können, und ich schreie
auch um meinetwillen."
Das Urteil
Eine authentische Geschichte über Liebe, Freundschaft, Familie, Identität, Sexualität und Erwachsenwerden, in die ich mich aber erst auf den zweiten Blick verlieben konnte. Denn zu Beginn hatte ich leider Probleme mit dem sehr direkten Schreibstil, der schwer greifbaren Hauptfigur und der langsam startenden Handlung
*keine WERBUNG, selbstgekauft*
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des Verlags oder jeweiligen Rechtinhabers.
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