Sonntag, 23. Mai 2021

Die Highlanderin


Allgemeines

Titel: Die Highlanderin
Autor: Eva Fellner
Verlag: Aufbau Verlag (17. Mai 2021)
Genre: Historischer Roman
ISBN-10: 3746638291
ISBN-13: 978-3746638294
ASIN: B08NXPHGG5
Seitenzahl: 505
Weitere Bände: Der Weg der Highlanderin
Preis: 11,99€ (E-Book)
15€ (Taschenbuch)
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Inhalt

Island 1289: Bei einem Schiffsunglück gerät Enja in die Fänge von Menschenhändlern. Sie wird in den Orient entführt und dort zur Assassinin ausgebildet. Als junge Frau sucht sie ihre Wurzeln und macht sich auf den langen Weg nach Schottland, wo in den Highlands ein erbitterter Krieg zwischen den Clans und den Engländern tobt. Als Enja bei einem Angriff schwer verletzt wird, rettet sie ausgerechnet der Clanführer James Douglas. Auf seiner Burg kommt sie wieder zu Kräften. Sie ist fasziniert von James, und als er in englische Gefangenschaft gerät, unternimmt Enja alles, um ihn zu retten – obwohl sie sich damit einen mächtigen Feind macht: den englischen König.

Bewertung

Ich habe schon seit Längerem keinen historischen Roman mehr gelesen, da mein großes Problem mit dem Genre ist, dass die Geschichten häufig entweder zum Einschlafen langweilig oder absolut unglaubwürdig aus der Luft gegriffen sind. Mit "Die Highlanderin" hat mich letzte Woche jedoch eine Rezensionsanfrage erreicht, die ich einfach nicht ablehnen konnte, nachdem ich den Klapptext gelesen habe. Assassinen, Medikusse und Highlander vor der Kulisse des schottischen Unabhängigkeitskrieges am turbulenten Anfang des 14. Jahrhunderts? Das klang einfach zu spannend, als dass ich nicht überprüfen könnte, ob diese Mischung tatsächlich funktioniert. Und das tut sie. Und wie. Ich war innerhalb von zwei Tagen mit den gut 500 Seiten durch und auch wenn ich ein paar Punkte zu kritisieren hätte, bin ich froh, dass die Geschichte zu mir gefunden hat.

Das Cover des Aufbau Verlags zeigt eine Frau mit wehendem Kleid und roten geflochtenen Haaren vor einer rauen, gewitterumwölkten Landschaft, über der der Titel in großen, goldenen Letter schwebt. Auch wenn es eine sehr typische Aufmachung für einen historischen Roman ist, gefällt mir die Gestaltung als Ganzes sehr gut. Schade ist nur, dass die abgebildete Frau nur sehr wenig an unsere Protagonistin Enja erinnert, die zum einen sehr helle, fast schon weiße Haare hat und zum anderen keine Kleider trägt. Innerhalb der Buchdeckel ist die Geschichte in 20 größere Kapitel geteilt, die jeweils abwechselnd auf zwei Zeitebenen spielen. Jene Kapitel sind dann nochmal in kürzere Szenen gegliedert, sodass man auch als Fan von kurzen Kapiteln auf seine Kosten kommt. 

Erster Satz: "Welcher Teufel hat mich nur geritten!"

Trotz der sehr starken Anfangsszene, in der wir unsere Protagonistin Enja während eines Mordanschlags auf einen englischen Baron kennenlernen, habe ich mir mit dem Einstieg in die Geschichte eher schwergetan. Das lag vor allem an der eher seltsamen, verschachtelten Erzählweise, die Eva Fellner für ihre Geschichte gewählt hat. Statt durchgängig aus der Sicht von Enja zu erzählen, wechseln sich hier Er-Erzähler aus den Perspektiven von wichtigen Nebenfiguren wie Hal oder James und auktoriale Zwischenepisoden mit dem personalen Ich-Erzähler ab. Schon während des ersten Kapitels gibt es drei solcher Perspektivenwechsel und auch noch einen Zeitsprung von wenigen Tagen, was mir das Ankommen stark erschwert hat. Dazu kommt, dass die Autorin hier nicht nur mit ihren Erzählperspektiven jongliert, sondern der Roman wie bereits erwähnt auf zwei Zeitebenen rangiert, die abwechselnd in jedem Kapitel verfolgt werden. Im ersten Handlungsstrang, der im Mai 1307 in Schottland beginnt, ist unsere erwachsene Protagonistin Enja in die Wirren des schottischen Unabhängigkeitskrieges verstrickt und kämpft zwischen den Fronten des englischen und des schottischen Königs um einen friedlichen Ort zum Leben für sich und ihre Lieben. Ihre Neutralität als Landbesitzerin im schottisch-englischen Grenzland muss sie aufgeben, als sie sich in einen schottischen Clanführer verliebt...

Der zweite Handlungsstrang startet 1289 in Island und erzählt Schritt für Schritt, wie die damals noch kleine Enja von ihren Eltern auf eine Reise  ohne Rückkehr geschickt, sie durch Menschenhändler in den Orient verschleppt wird und dort von einer Station zur nächsten verschiedene Ausbildungen durchläuft. Die Einbindung von Enjas Vorgeschichte als gleichwertiger Handlungsstrang, der abwechselnd mit der Haupthandlung verläuft, ist kein ganz neues, aber ein eher ungewöhnliches Konzept, mit welchem ich mich erst anfreunden musste. Auf der einen Seite macht diese Vorgeschichte, die Schritt für Schritt erzählt, wie sie zu der Frau geworden ist, die wir in Schottland handeln und kämpfen sehen die Haupthandlung gerade erst interessant. Denn natürlich fragt man sich beim Lesen, wie eine hellhaarige Isländerin mit Sklaventattoo auf der Stirn und einer Entourage an seltsamen, diversen Gestalten überhaupt mitten im schottischen Unabhängigkeitskrieg gelandet ist. Auf der anderen Seite wirkt der Aufbau ein wenig zu verzettelt und an einigen Stellen unstringent.

"Kannst du es hören? Dort schlägt das Herz einer Löwin, dort fließt das Blut einer Königin, stolz und stark! Du gehörst nicht hierher!"

Um zu erklären, weshalb ich das so empfunden habe, muss ich etwas weiter ausholen. Die Zeitsprünge und Erzählperspektiven-Wechsel könnten wohlwollend als "interessant" oder "anspruchsvoll" betitelt werden, im Endeffekt führte diese eher verworrene Erzählweise jedoch dazu, dass gerade der Anfang sehr verwirrend für mich war und mich Enjas Geschichte nur schwer fesseln konnte. Mit der Zeit gelangt man dann zwar besser in die Geschichte, ich war aber immer wieder zu Beginn eines neuen Abschnitts verwirrt und musste mich erst kurz gedanklich sortieren, wer jetzt von was in welcher Zeit erzählt. Mit der Zeit ist mir dann jedoch aufgefallen, dass mir die Rückblick-Passagen, welche ja wie gesagt von Enjas Abenteuer im Orient erzählen, besonders gut gefallen haben und ich jedes Mal, wenn wir zur "Jetzt-Zeit" wechselten, fast etwas enttäuscht war. Das hängt natürlich ein bisschen damit zusammen, dass die Mischung aus Orient, Sklaven, Assassinen, Haremsdienerinnen, Medikusse und Kreuzzüge wahnsinnig spannend war. Das ist jedoch nicht der einzige Grund, denn auch auf dem späteren Handlungsstrang passiert eine ganze Menge. 

Der Hauptgrund, weshalb mich die Vorgeschichte mehr fesseln konnte, als die eigentliche Handlung liegt bei der Protagonistin Enja selbst. Denn dadurch, dass wir in der Haupthandlung noch eine Menge Verständnislücken haben, sind wir beim Lesen emotional viel näher an der jungen Enja, als an der stahlharten Kriegerin, zu der sie später wird. Mit der Zeit verstehen wir auch, weshalb unsere Heldin mit der Zeit deutlich abgestumpft ist und lernen mehr über ihren Weg, die Figuren, die wir später an ihrer Seite sehen und können uns so mit der Zeit auch mehr mit der erwachsenen Enja identifizieren. Dennoch blieb sie mir als Figur selbst über die meiste Zeit der Geschichte viel zu fern, da sich die Autorin schlichtweg in all dem Abenteuer nicht genügend Zeit für die Gefühle der Figuren nimmt.

"Ich werde einen Weg herausfinden. Niemand wird es schaffen, mich zu brechen... und eines Tages werde ich dich zu mir holen und wir werden frei sein, frei wie der Wind."

Dabei meine ich gar nicht nur die "Liebesgeschichte", die sich erst auf den letzten Seiten entwickelt und auch nur eine sehr kleine Rolle spielt, sondern vor allem von Enjas emotionaler Reifung oder allgemein ihren Gefühlen, die trotz der sehr nahen Ich-Perspektive nur in geringem Maße auf uns Leser übertragen werden. Versteht mich nicht falsch, die taffe Kriegerin Enja ist ohne Zweifel eine äußerst interessante Figur - vor allem im gegebenen historischen Kontext. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir aber mehr Emotionen von ihr gewünscht, um wirklich rund zu sein. Sie steht in fast jeder Situation stark und unerschütterlich da, entfernt sich durch ihre geringe Emotionale Schwingungsfähigkeit aber deutlich vom Leser. (Spoiler: Ihre Mutter stirbt, sie wird von Menschenhändlern entführt, sie lebt alleine auf der gefährlichen Straße einer großen Stadt, ihr soll eine Hand abgehackt werden und ein guter Freund stirbt - und was kommt von Enja? Sie sagt kurz in einem Satz, wie verzweifelt sie ist und geht danach zum Alltag über. Ihr Medicus-Meister wird von ihren Augen ermordet? Lass doch mal mit seinem Mörder anfreunden. Sie soll hingerichtet werden? Nicht so schlimm, wenigstens stolz aussehen. Das sind nur ein paar Beispiele für Situationen, in denen sie viel zu wenig reagiert hat, als dass man ihr die Reaktion abnehmen konnte.) 

Neben der im Laufe der Zeit immer größer werdenden Distanz zwischen Leser und Protagonistin ergibt sich noch eine weitere Schwierigkeit aus dem geteilten Aufbau des Romans. Die Geschichte funktioniert als Ganzes erstaunlich gut, ist aber deutlich überfüllt. Zwar gehen die einzelnen Motive - Wikinger, Orient, Medicus, Harem, Assassinen, Highlander, Krieg - überraschend flüssig ineinander über, die teilweise großen Zeitsprünge sorgen jedoch dafür, dass die einzelnen Parts nicht ausreichend auserzählt werden können. So verschwendet die Autorin eine Menge Potential. Ich an ihrer Stelle hätte ich auf entweder den einen oder den anderen Handlungsstrang auf einer der beiden Zeitebenen fokussiert, um die Zusammenhänge flüssiger darzustellen und ihrer Hauptfigur mehr Tiefe geben zu können. Denn während der Rückblick-Strang auf ein ganz klares Ziel zuläuft - nämlich zu erklären, wie Enja als Prinzessin in Schottland gelandet ist -, springt die Haupthandlung eher ziellos von einer actionreichen Szene zur nächsten. Zwar taucht James Douglas immer wieder auf und auch das Spannungsgefüge zwischen dem englischen und schottischen König ist spannend erzählt, einen wirklichen roten Faden gibt es dabei aber nicht (oder zumindest wurde mir keiner klar) und mir war bis zum Ende nicht klar, worauf die Geschichte hinauslaufen würde. 

"Sein Leben hatte nun Allah in der Hand. Ab jetzt würde sich einiges ändern, ja, vielleicht auch zum Guten. Er entließ seine Gedanken in einen tiefen Schlaf voller schöner Bilder, sein alter Körper schwebte schwerelos und schmerzfrei in einem sanften Traum. In der Luft lag der leicht bittere Geruch von Mohn."

Das klingt jetzt vielleicht erstmal positiv, denn wenn ich das wüsste, wäre die Geschichte ja vorhersehbar, oder nicht? Nein, "Die Highlanderin" trudelt im letzten Drittel eher ziellos umher und anstatt die aufgebaute Spannung weiter zu nutzen, endet der Roman abrupt in einer der wichtigsten Szenen mit tausenden offenen Fragen. Auch der Vergangenheitsstrang endet auf halbem Weg einfach und schafft es nicht, wie zu Beginn erwartet den Kreis zu schließen, sodass wir mit Enja in Schottland ankommen würden. Mir ist klar, dass es noch eine Fortsetzung geben soll und gewisse Cliffhanger sind auch gerne gesehen, hier wird jedoch so vieles abgewürgt, dass der Roman im Gesamten als unrund erscheint. 

Jetzt habe ich relativ ausführlich zu erklären versucht, weshalb der Aufbau der Geschichte auf mich etwas verwirrend und nicht ganz stimmig gewirkt hat. Dennoch möchte ich nochmal hervorheben, dass ich den Roman alles in allem mochte und deshalb mit einigen positiven Punkten abschließen. Mir hat zum Beispiel sehr gut gefallen, dass man die Geschichte sowohl als historischen Roman, als auch als Abenteuerroman lesen kann, da "Die Highlanderin" sich zu keinem Zeitpunkt in langen Ausführungen oder Erklärungen des politischen Klimas etc. verliert, sondern sich stark auf die Erlebnisse der Protagonisten konzentriert. Für den ein oder anderen Leser werden die Erklärungen oder Einbettungen in den historischen Kontext vielleicht etwas zu knapp gerade sein, mir hat der Fokus aber gut gefallen, da es nichts Anstrengenderes gibt, als historische Romane, die zu stark von der Handlung abweichen und sich im belanglosen Inforausch verzetteln. Spannend ist auch, dass Eva Fellner hier Wahres mit Fiktion mischt und vergangene Zeiten auf eher moderne Einstellungen treffen lässt. Die Frage, ob alles, was hier passiert, wirklich realistisch ist, fegt die Autorin dabei sehr geschickt vom Tisch, in dem sie die Figuren selbst erkennen lässt, dass Enja erstaunlich viel Glück zu haben scheint. "Die Highlanderin" landet zwar nicht wirklich in der Mystik-Schiene, die Enjas weitsichtige Instinkte oder ihr Talent, sich wahnsinnig schnell anzupassen, oder zu heilen, mit Magie zu erklären versucht. Durch das Einbinden von Vorsehung, Schicksal und Religion wird das unwahrscheinlich Erscheinende jedoch passend eingebettet, sodass es im Gesamtkontext stimmig wirkt. 


Fazit

Ein spannender, temporeicher historischer Roman mit starker Heldin, der jedoch durch viele Zeitsprünge und Perspektivenwechsel an Stringenz einbüßt und nie in einen richtigen Handlungsfluss findet. 


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Vielen Dank an den Verlag und die Autorin für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat. Quelle Informationen: Amazon.de. Klapptexte und Zitate sind Eigentum des Verlags oder jeweiligen Rechtinhabers.

4 Kommentare:

  1. Hey Sophia,

    Ein interessanter Blick auf dieses Buch. Ich finde an sich auch, dass diese Mischung sehr spannend klingt. Hatte es auch auf meiner möglichen Leseliste, aber es ist wegen einem bestimmten Grund jetzt doch wieder runter geflogen, der in deiner Rezension keine Erwähnung gefunden hat, aber ich will andere hier auf keinen Fall spoilern. Hmm, das mit den Zeitsprüngen würde mich wohl auch eher stören. Schön, dass es dir alles in allem dennoch ganz gut gefallen hat.

    LG, Moni

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    1. Hi Moni,

      jetzt bin ich aber neugierig, weshalb du "Die Highlanderin" doch wieder von deiner Liste gestrichen hast, haha. Es muss ja ein Grund sein, der von außen ersichtlich ist, da du es ja offensichtlich nicht gelesen hast, dann wird es wohl kaum spoilern?

      Liebe Grüße
      Sophia

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    2. Hey Sophia,

      Nein, ist nicht von außen ersichtlich. Eine Freundin hat das Buch gelesen und mir etwas aus dem Nachwort verraten, was ich persönlich überhaupt nicht mag. Das würden definitiv einige als Spoiler ansehen, wenn auch nicht alle.

      LG, Moni

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    3. Hey Moni,

      ahh, wenn es das Nachwort betrifft, weiß ich denke ich, was du meinst. Diesen Punkt finde ich bei historischen Romanen auch immer kritisch. Bei dieser Geschichte hat die Autorin das aber noch im akzeptablen Bereich gelöst.

      Liebe Grüße
      Sophia

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