Allgemeines
Titel: Die Highlanderin
Autor: Eva Fellner
Verlag: Aufbau Verlag (17. Mai 2021)
Genre: Historischer Roman
ISBN-10: 3746638291
ISBN-13: 978-3746638294
ASIN:
B08NXPHGG5
Seitenzahl: 505
Weitere Bände: Der Weg
der Highlanderin
Preis: 11,99€ (E-Book)
15€ (Taschenbuch)
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Inhalt
Bewertung
Ich habe schon seit Längerem keinen historischen Roman mehr gelesen, da mein großes Problem mit dem Genre ist, dass die Geschichten häufig entweder zum Einschlafen langweilig oder absolut unglaubwürdig aus der Luft gegriffen sind. Mit "Die Highlanderin" hat mich letzte Woche jedoch eine Rezensionsanfrage erreicht, die ich einfach nicht ablehnen konnte, nachdem ich den Klapptext gelesen habe. Assassinen, Medikusse und Highlander vor der Kulisse des schottischen Unabhängigkeitskrieges am turbulenten Anfang des 14. Jahrhunderts? Das klang einfach zu spannend, als dass ich nicht überprüfen könnte, ob diese Mischung tatsächlich funktioniert. Und das tut sie. Und wie. Ich war innerhalb von zwei Tagen mit den gut 500 Seiten durch und auch wenn ich ein paar Punkte zu kritisieren hätte, bin ich froh, dass die Geschichte zu mir gefunden hat.
Das Cover des Aufbau Verlags zeigt eine Frau mit wehendem Kleid und roten
geflochtenen Haaren vor einer rauen, gewitterumwölkten Landschaft, über der
der Titel in großen, goldenen Letter schwebt. Auch wenn es eine sehr typische
Aufmachung für einen historischen Roman ist, gefällt mir die Gestaltung als
Ganzes sehr gut. Schade ist nur, dass die abgebildete Frau nur sehr wenig an
unsere Protagonistin Enja erinnert, die zum einen sehr helle, fast schon weiße
Haare hat und zum anderen keine Kleider trägt. Innerhalb der Buchdeckel ist
die Geschichte in 20 größere Kapitel geteilt, die jeweils abwechselnd auf zwei
Zeitebenen spielen. Jene Kapitel sind dann nochmal in kürzere Szenen
gegliedert, sodass man auch als Fan von kurzen Kapiteln auf seine Kosten
kommt.
Erster Satz: "Welcher Teufel hat mich nur geritten!"
Trotz der sehr starken Anfangsszene, in der wir unsere Protagonistin Enja
während eines Mordanschlags auf einen englischen Baron kennenlernen, habe
ich mir mit dem Einstieg in die Geschichte eher schwergetan. Das lag vor
allem an der eher seltsamen, verschachtelten Erzählweise, die Eva Fellner
für ihre Geschichte gewählt hat. Statt durchgängig aus der Sicht von Enja zu
erzählen, wechseln sich hier Er-Erzähler aus den Perspektiven von wichtigen
Nebenfiguren wie Hal oder James und auktoriale Zwischenepisoden mit
dem personalen Ich-Erzähler ab. Schon während des ersten Kapitels gibt es drei
solcher Perspektivenwechsel und auch noch einen Zeitsprung von wenigen
Tagen, was mir das Ankommen stark erschwert hat. Dazu kommt, dass die
Autorin hier nicht nur mit ihren Erzählperspektiven jongliert, sondern der
Roman wie bereits erwähnt auf zwei Zeitebenen rangiert, die abwechselnd in
jedem Kapitel verfolgt werden. Im ersten Handlungsstrang, der im Mai 1307 in Schottland beginnt, ist
unsere erwachsene Protagonistin Enja in die Wirren des schottischen
Unabhängigkeitskrieges verstrickt und kämpft zwischen den Fronten des
englischen und des schottischen Königs um einen friedlichen Ort zum Leben
für sich und ihre Lieben. Ihre Neutralität als Landbesitzerin im
schottisch-englischen Grenzland muss sie aufgeben, als sie sich in einen
schottischen Clanführer verliebt...
Der zweite Handlungsstrang startet 1289 in Island und erzählt Schritt für
Schritt, wie die damals noch kleine Enja von ihren Eltern auf eine Reise ohne Rückkehr geschickt, sie durch Menschenhändler in den Orient verschleppt
wird und dort von einer Station zur nächsten verschiedene Ausbildungen
durchläuft. Die Einbindung von Enjas Vorgeschichte als gleichwertiger
Handlungsstrang, der abwechselnd mit der Haupthandlung verläuft, ist kein
ganz neues, aber ein eher ungewöhnliches Konzept, mit welchem ich mich erst
anfreunden musste. Auf der einen Seite macht diese Vorgeschichte, die
Schritt für Schritt erzählt, wie sie zu der Frau geworden ist, die wir in
Schottland handeln und kämpfen sehen die Haupthandlung gerade erst
interessant. Denn natürlich fragt man sich beim Lesen, wie eine hellhaarige
Isländerin mit Sklaventattoo auf der Stirn und einer Entourage an seltsamen,
diversen Gestalten überhaupt mitten im schottischen Unabhängigkeitskrieg gelandet ist. Auf der anderen Seite
wirkt der Aufbau ein wenig zu verzettelt und an einigen Stellen
unstringent.
Um zu erklären, weshalb ich das so empfunden habe, muss ich etwas weiter
ausholen. Die Zeitsprünge und
Erzählperspektiven-Wechsel könnten wohlwollend als "interessant" oder
"anspruchsvoll" betitelt werden, im Endeffekt führte diese eher verworrene
Erzählweise jedoch dazu, dass gerade der Anfang sehr verwirrend für mich war
und mich Enjas Geschichte nur schwer fesseln konnte. Mit der Zeit gelangt man
dann zwar besser in die Geschichte, ich war aber immer wieder zu Beginn eines
neuen Abschnitts verwirrt und musste mich erst kurz gedanklich sortieren, wer
jetzt von was in welcher Zeit erzählt. Mit der Zeit ist mir dann jedoch
aufgefallen, dass mir die Rückblick-Passagen, welche ja wie gesagt von Enjas
Abenteuer im Orient erzählen, besonders gut gefallen haben und ich jedes Mal,
wenn wir zur "Jetzt-Zeit" wechselten, fast etwas enttäuscht war. Das hängt
natürlich ein bisschen damit zusammen, dass die Mischung aus Orient, Sklaven,
Assassinen, Haremsdienerinnen, Medikusse und Kreuzzüge wahnsinnig spannend
war. Das ist jedoch nicht der einzige Grund, denn auch auf dem späteren
Handlungsstrang passiert eine ganze Menge.
Der Hauptgrund, weshalb mich die Vorgeschichte mehr fesseln konnte, als die
eigentliche Handlung liegt bei der Protagonistin Enja selbst. Denn dadurch,
dass wir in der Haupthandlung noch eine Menge Verständnislücken haben, sind
wir beim Lesen emotional viel näher an der jungen Enja, als an der stahlharten
Kriegerin, zu der sie später wird. Mit der Zeit verstehen wir auch, weshalb
unsere Heldin mit der Zeit deutlich abgestumpft ist und lernen mehr über ihren
Weg, die Figuren, die wir später an ihrer Seite sehen und können uns so mit
der Zeit auch mehr mit der erwachsenen Enja identifizieren. Dennoch blieb sie
mir als Figur selbst über die meiste Zeit der Geschichte viel zu fern, da sich
die Autorin schlichtweg in all dem Abenteuer nicht genügend Zeit für die
Gefühle der Figuren nimmt.
Dabei meine ich gar nicht nur die "Liebesgeschichte", die sich erst auf den
letzten Seiten entwickelt und auch nur eine sehr kleine Rolle spielt, sondern
vor allem von Enjas emotionaler Reifung oder allgemein ihren Gefühlen, die
trotz der sehr nahen Ich-Perspektive nur in geringem Maße auf uns Leser
übertragen werden. Versteht mich nicht falsch, die taffe Kriegerin Enja ist
ohne Zweifel eine äußerst interessante Figur - vor allem im gegebenen
historischen Kontext. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir aber mehr
Emotionen von ihr gewünscht, um wirklich rund zu sein. Sie steht in fast jeder
Situation stark und unerschütterlich da, entfernt sich durch ihre geringe
Emotionale Schwingungsfähigkeit aber deutlich vom Leser. (Spoiler:
Ihre Mutter stirbt, sie wird von Menschenhändlern entführt, sie lebt
alleine auf der gefährlichen Straße einer großen Stadt, ihr soll eine Hand
abgehackt werden und ein guter Freund stirbt - und was kommt von Enja? Sie
sagt kurz in einem Satz, wie verzweifelt sie ist und geht danach zum
Alltag über. Ihr Medicus-Meister wird von ihren Augen ermordet? Lass doch
mal mit seinem Mörder anfreunden. Sie soll hingerichtet werden? Nicht so
schlimm, wenigstens stolz aussehen. Das sind nur ein paar Beispiele für
Situationen, in denen sie viel zu wenig reagiert hat, als dass man ihr die
Reaktion abnehmen konnte.)
Neben der im Laufe der Zeit immer größer werdenden Distanz zwischen Leser und
Protagonistin ergibt sich noch eine weitere Schwierigkeit aus dem geteilten
Aufbau des Romans. Die Geschichte funktioniert als Ganzes erstaunlich gut, ist
aber deutlich überfüllt. Zwar gehen die einzelnen Motive - Wikinger, Orient,
Medicus, Harem, Assassinen, Highlander, Krieg - überraschend flüssig
ineinander über, die teilweise großen Zeitsprünge sorgen jedoch dafür, dass
die einzelnen Parts nicht ausreichend auserzählt werden können. So
verschwendet die Autorin eine Menge Potential. Ich an ihrer Stelle hätte ich
auf entweder den einen oder den anderen Handlungsstrang auf einer der beiden
Zeitebenen fokussiert, um die Zusammenhänge flüssiger darzustellen und ihrer
Hauptfigur mehr Tiefe geben zu können. Denn während der Rückblick-Strang auf
ein ganz klares Ziel zuläuft - nämlich zu erklären, wie Enja als
Prinzessin in Schottland gelandet ist -, springt die Haupthandlung eher
ziellos von einer actionreichen Szene zur nächsten. Zwar taucht James Douglas
immer wieder auf und auch das Spannungsgefüge zwischen dem englischen und
schottischen König ist spannend erzählt, einen wirklichen roten Faden gibt es
dabei aber nicht (oder zumindest wurde mir keiner klar) und mir war bis zum
Ende nicht klar, worauf die Geschichte hinauslaufen würde.
Das klingt jetzt vielleicht erstmal positiv, denn wenn ich das wüsste, wäre
die Geschichte ja vorhersehbar, oder nicht? Nein, "Die Highlanderin" trudelt im letzten Drittel eher ziellos umher und anstatt die aufgebaute
Spannung weiter zu nutzen, endet der Roman abrupt in einer der wichtigsten
Szenen mit tausenden offenen Fragen. Auch der Vergangenheitsstrang endet auf
halbem Weg einfach und schafft es nicht, wie zu Beginn erwartet den
Kreis zu schließen, sodass wir mit Enja in Schottland ankommen würden. Mir ist
klar, dass es noch eine Fortsetzung geben soll und gewisse Cliffhanger sind
auch gerne gesehen, hier wird jedoch so vieles abgewürgt, dass der Roman im
Gesamten als unrund erscheint.
Jetzt habe ich relativ ausführlich zu erklären versucht, weshalb der Aufbau
der Geschichte auf mich etwas verwirrend und nicht ganz stimmig gewirkt hat.
Dennoch möchte ich nochmal hervorheben, dass ich den Roman alles in allem
mochte und deshalb mit einigen positiven Punkten abschließen. Mir hat zum
Beispiel sehr gut gefallen, dass man die Geschichte sowohl als historischen
Roman, als auch als Abenteuerroman lesen kann, da "Die Highlanderin"
sich zu keinem Zeitpunkt in langen Ausführungen oder Erklärungen des
politischen Klimas etc. verliert, sondern sich stark auf die Erlebnisse der
Protagonisten konzentriert. Für den ein oder anderen Leser werden die
Erklärungen oder Einbettungen in den historischen Kontext vielleicht etwas zu
knapp gerade sein, mir hat der Fokus aber gut gefallen, da es nichts Anstrengenderes gibt, als historische Romane, die zu stark von der Handlung
abweichen und sich im belanglosen Inforausch verzetteln. Spannend ist auch,
dass Eva Fellner hier Wahres mit Fiktion mischt und vergangene Zeiten auf eher
moderne Einstellungen treffen lässt. Die Frage, ob alles, was hier passiert,
wirklich realistisch ist, fegt die Autorin dabei sehr geschickt vom Tisch, in
dem sie die Figuren selbst erkennen lässt, dass Enja erstaunlich viel Glück zu
haben scheint. "Die Highlanderin" landet zwar nicht wirklich in der
Mystik-Schiene, die Enjas weitsichtige Instinkte oder ihr Talent, sich
wahnsinnig schnell anzupassen, oder zu heilen, mit Magie zu erklären versucht.
Durch das Einbinden von Vorsehung, Schicksal und Religion wird das
unwahrscheinlich Erscheinende jedoch passend eingebettet, sodass es im
Gesamtkontext stimmig wirkt.

Hey Sophia,
AntwortenLöschenEin interessanter Blick auf dieses Buch. Ich finde an sich auch, dass diese Mischung sehr spannend klingt. Hatte es auch auf meiner möglichen Leseliste, aber es ist wegen einem bestimmten Grund jetzt doch wieder runter geflogen, der in deiner Rezension keine Erwähnung gefunden hat, aber ich will andere hier auf keinen Fall spoilern. Hmm, das mit den Zeitsprüngen würde mich wohl auch eher stören. Schön, dass es dir alles in allem dennoch ganz gut gefallen hat.
LG, Moni
Hi Moni,
Löschenjetzt bin ich aber neugierig, weshalb du "Die Highlanderin" doch wieder von deiner Liste gestrichen hast, haha. Es muss ja ein Grund sein, der von außen ersichtlich ist, da du es ja offensichtlich nicht gelesen hast, dann wird es wohl kaum spoilern?
Liebe Grüße
Sophia
Hey Sophia,
LöschenNein, ist nicht von außen ersichtlich. Eine Freundin hat das Buch gelesen und mir etwas aus dem Nachwort verraten, was ich persönlich überhaupt nicht mag. Das würden definitiv einige als Spoiler ansehen, wenn auch nicht alle.
LG, Moni
Hey Moni,
Löschenahh, wenn es das Nachwort betrifft, weiß ich denke ich, was du meinst. Diesen Punkt finde ich bei historischen Romanen auch immer kritisch. Bei dieser Geschichte hat die Autorin das aber noch im akzeptablen Bereich gelöst.
Liebe Grüße
Sophia