Sonntag, 5. März 2023

Serienempfehlung: Ginny & Georgia


Nachdem im Januar die zweite Staffel erschienen war, habe ich nach der Empfehlung einer Freundin beschlossen, der Drama-Serie "Ginny & Georgia" mal eine Chance zu geben. Auch wenn sich die Handlung, die Figuren und die allgemeine Atmosphäre als ganz anders entpuppten, als ich das ursprünglich angenommen hatte, bin ich mittlerweile ein richtiger Fan geworden, sodass ich die 20 innerhalb von zwei Staffeln erschienene Folgen, die alle etwa 50-60 Minuten gehen, innerhalb kürzester Zeit weggebinched habe.



Darum geht´s:

Auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit zieht die 30-jährige Georgia Miller (Brianne Howey) mit ihrer 15-jährigen Tochter Ginny (Antonia Gentry) und ihrem jüngeren Sohn Austin (Diesel La Torraca) in die Kleinstadt Wellsbury in New England. Als sie einen Job im Büro des Bürgermeisters Paul Randolph (Scott Porter) findet, ihre Tochter Ginny zum ersten Mal Freunde findet und die Liebe ebenfalls an die Tür klopft, scheint sich das Leben zum ersten Mal in die Richtung eines Traums von Stabilität und Sicherheit zu entwickeln. Doch hinter der geordneten Fassade brodeln einige ungelöste Konflikte und das neue Glück gerät in Gefahr, als Georgias Vergangenheit beginnt, sie einzuholen... 


Das denke ich über die Serie:

"Ginny & Georgia" hat vor allem eines: mich positiv überrascht. Mit dem gemütlichem Kleinstadt-Setting mit Teenieproblemen, besorgten Müttern, Kuchenverkäufen und Straßenfesten wirkt die Serie zunächst wie eine oberflächliche Highschool-Coming-of-Age-Serie, die man als Lückenfüller für zwischendurch schauen kann. Nach wenigen Folgen kommen jedoch psychologische Themen, Thriller-Elemente, Gesellschaftsdramen und Beziehungsstudien hinzu, die der Serie deutlich mehr Tiefe, Vielschichtigkeit, Ernsthaftigkeit und Düsternis ermöglichen, als man ihr auf den ersten Blick zutrauen würde.

Die Serie lebt von ihren Kontrasten, die manchmal krass scheinen, aber verdeutlichen, was hinter schönen Fassaden stecken kann. Dabei gibt es Dramen im Kleinen wie Begegnungen mit Rassismus, der ersten Liebe und gebrochenen Herzen, dem Entdecken der eigenen Sexualität, Identität und Kultur, der Start von College-Bewerbungen und Leistungsdruck, das Finden von Freundschaften und Zugehörigkeit, die Beschäftigung mit kleinbürgerlichen Intrigen zur Aufrechterhaltung einer hübschen Fassade, das Ringen nach Akzeptanz und beruflichem Erfolg. Es werden jedoch auch Dramen im großen Stil wie Mord, Betrug, Erpressung, Depression, selbstverletzendes Verhalten, häusliche Gewalt, Missbrauch, Traumata, Essstörungen und andere Mental Health Issues aufgetischt, die den ersten Eindruck einer oberflächlichen Unterhaltungsserie Lügen strafen. Ich kann also nur empfehlen, die Triggerwarnung und Altersempfehlung des Streaming-Dienstes ernst zu nehmen und die Serie nur in einer stabilen emotionalen und psychischen Verfassung zu schauen. Die Handlung erscheint an manchen Stellen zwar ein klein wenig konstruiert und auch die Kommentare aus dem Off strapazieren das Drama eine Winzigkeit über, unterm Strich gelingt "Ginny & Georgia" aber ein spannender, unterhaltsamer und sensibel erzählter Rundumschlag durch verschiedene Genres und wichtige Themen unserer Gesellschaft.

Mit den beiden unterschiedlich alten Hauptfiguren und dementsprechend auch verschiedenen Themenschwerpunkten spricht die Serie auch zwei unterschiedliche Zielgruppen an: Coming-of-Age-Teenager und Frauen mittleren Alters. Die Serie eignet sich also wunderbar, um sie mit der eigenen Mutter zu schauen. Neben den Lebenswelten der beiden Frauen stehen auch ihre Beziehung und generell die Konstellationen, Machtverhältnisse und Ungleichgewichte sowie auch die Emotionen und Bindungen innerhalb der Familie stark im Vordergrund. Wir verfolgen hier, wie Georgia mit zweifelhaften Methoden versucht, ein Leben für ihre Kinder aufzubauen, das sie nie hatte, dabei aber moralische Grenzen und die persönlichen Grenzen ihrer Tochter laufend überschreitet. Was der Hintergrund von Georgias Verhalten ist, lernen wir nach und nach durch Rückblicke in die Kindheit von Georgia, die mit der frühen Geburt von Ginny abrupt endete. Ich finde sehr spannend, dass Georgia als Figur es schafft, trotz ihrer Taten und Fehler immer wieder Verständnis und Bewunderung für sie in uns zu wecken. Man kann sie schlecht für das verurteilen, was sie getan hat und erwischt sich immer wieder dabei, ihr Verhalten zu rechtfertigen, egal wie falsch es objektiv sein mag. Dabei hat die Darstellerin Brianne Howey eine interessante Art, die fröhliche Aufgesetztheit von Georgia umzusetzen, die den Eindruck vermittelt, dass selbst die Figur eine ewige Schauspielerin auf der Bühne ihres eigenen Lebens ist. Auch wenn Georgias Figur dazu ausgelegt ist, zum Teil die Antiheldin zu sein, war ich über weite Teile der Geschichte in ihr Leben, ihr Liebesdreieck zwischen dem attraktiven Bürgermeister Paul (Scott Porter), die Café-Besitzer Joe (Raymond Ablack) und ihrem Ex und Ginnys Vater Zion (Nathan Mitchell) deutlich mehr interessiert als in Ginnys.

Auch Ginny wird von Antonia Gentry sehr eindrücklich umgesetzt. Mit ihr als Figur hatte ich allerdings hin und wieder meine Probleme. Ich weiß, dass die Figur darauf ausgelegt ist, zu polarisieren, die Zerrissenheit und Gebrochenheit darzustellen, die aus Georgias Verhalten resultiert und ein 16jähriges Mädchen darzustellen, das nicht weiß, wohin mit ihren Emotionen. Für mich war es trotzdem schwierig zuzusehen, wie sie in ihrem eigenen Schmerz regelmäßig andere ungerecht behandelt oder verletzt. Die vielen Stellen, an denen sie sich dann aber doch wieder aufrappelt, sich Hilfe holt und sich in Wellsbury ein Leben mit Freundinnen und einem festen Freund aufbaut, haben mich dann aber wieder versöhnt. Sehr gut gefallen hat mir auch die Darstellung ihres Freundeskreises MANG, bestehend aus der lesbischen Maxine (Sara Waisglass), die ihr Herz auf der Zunge trägt, der schnippischen Abby (Katie Douglas), die mit einer Essstörung und der Trennung ihrer Eltern zu kämpfen hat, und Norah, die hier verhältnismäßig blass bleibt (Chelsea Clark). Am besten gefallen hat mir in Ginnys Handlungsstrang jedoch mit Abstand ihr Nachbar und Teilzeit Lover Marcus (Felix Mallard). Er ist eine Figur mit riesigem Potenzial, emotionaler Tiefe und Glaubwürdigkeit, die vom Darsteller auch wunderbar greifbar umgesetzt wurde.

Fest steht also, dass hier jede Figur mehr zu verbergen hat als ursprünglich gedacht und bis zum Ende von Staffel 2 habe ich ausschließlich jeden fest ins Herz geschlossen. Besonders spannend an den Charakterisierungen ist, dass sie uns alle als Spiegel dienen und verschiedene Gefühle wie Fremdscham, Unwohlsein, Wut oder Verachtung; aber auch Bewunderung, Neid, Belustigung oder Zuneigung auslösen. Neben der durchweg grandiosen Leistung der SchauspielerInnen ist auch das diverse Casting positiv hervorzuheben. Negativ fällt hier allerdings wieder auf, dass der Cast der Jugendlichen 24+ Jahre alt ist. Figuren wie Ginny, Max, Abby und Marcus kann man optisch noch abnehmen, dass sie unter 20 Jahre alt sind, andere wie Hunter (Mason Temple) oder beispielsweise Sophie (Humberly González) stechen aber optisch deutlich als zu alt für die Rolle heraus. 

Mein Urteil:

Unterm Strich gelingt "Ginny & Georgia" ein spannender, unterhaltsamer, überraschend tiefgründiger und sensibel erzählter Rundumschlag durch verschiedene Genres und wichtige Themen unserer Gesellschaft. Positiv hervorzuheben sind neben den psychologischen Themen vor allem die bewusst gesetzten Kontraste in Themen und Setting, die grandiose Leistung der SchauspielerInnen, der diverse Cast und die wendungsreiche Handlung. Eindeutige Empfehlung!!!

Zum Trailer:

Bild-Quellen: Moviepilot.de

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