Sonntag, 26. Januar 2025

Cassardim - Jenseits der goldenen Brücke


Allgemeines

Titel: Cassardim - Jenseits der goldenen Brücke
Autorin: Julia Dippel
Verlag: Planet (17. Oktober 2019)
Genre: Fantasy
ISBN: 9783522654128 
Seitenzahl: 528 Seiten
Weitere Bände: Jenseits der schwarzen Treppe (Band 2)
Jenseits des tanzenden Nebels (Band 3)
Link: Hier klicken!



Inhalt

Amaia ist gerade sechzehn geworden– zum achten Mal. Warum ihre Familie so langsam altert und warum sie keinem ihrer fünf Geschwister ähnelt, möchte Amaia unbedingt herausfinden, aber ihre Eltern tun alles, um dieses Familiengeheimnis zu wahren – ständige Umzüge, strenge Regeln und Gedankenkontrolle inklusive. Amaia sieht ihre Chance gekommen, als ihre älteren Brüder eines Tages einen Gefangenen mit nach Hause bringen: den geheimnisvollen wie gefährlichen Noár, der ebenso wenig menschlich ist wie sie. Doch dann wird Amaias Familie angegriffen und plötzlich ist Noár ihre letzte Hoffnung: Er verlässt mit ihnen die Menschenwelt und bringt sie nach Cassardim, ins Reich der Toten, wo Amaia zwischen Intrigen, Armeen, lebendig gewordenen Landschaften, unwirklichen Kreaturen und mächtigen Fürstenhäusern endlich ihre Antworten findet – und ihr Herz verliert.




Bewertung

In den vergangenen Wochen hat mich der erste Band der "Cassardim"-Reihe von Julia Dippel als Buddyread mit Sofia (@SofiasWorldofBooks) begleitet. Schnell war dabei klar: Hinter dem hässlichsten Fantasy-Cover der Welt versteckt sich eine so lesenswerte und interessante Geschichte, dass ich mich richtig ärgere, dass ich die Reihe so lange auf meinem SuB habe versauern lassen! Zwar hat der Einstiegsband auch ein paar kleine Schwächen, insgesamt war es aber eine mitreißende Fantasygeschichte mit enormer Sogwirkung und somit seit langem mal wieder YA-Fantasy einer deutschen Autorin, die mich begeistern konnte.

Zuerst wie immer ein paar kurze Worte zum Cover. Wie in meiner kurzen Einleitung bestimmt schon (subtil) durchgeschimmert ist: ich finde es grauenhaft! Die braun-beige Farbe, das kantige, leichenhaftblasse Gesicht der Hauptfigur, die seltsame Titelverzierung, die der Frauensilhouette ein ungewolltes Arschgeweih beschert... nein, das war leider ein großer Schuss in den Ofen, lieber Thienemann-Verlag. Zum Glücke habe ich mich davon aber nicht abschrecken lassen und so trotzdem 528 spaßige Seiten mit "Cassardim" verbracht. 

Erster Satz: "Die pulsierende grüne Linie und ihr regelmäßiges Piepen brachten mich dem Tod näher, als ich es in meinem ganzen Leben gewesen war."

Wir steigen zunächst in unserer Welt in das Leben der jungen Amaia ein, die gemeinsam mit ihrer Familie auf der Flucht vor einer unbekannten Bedrohung von Ort zu Ort zieht. Weshalb weder sie noch ihre fünf Geschwister normal altern, wie ihre Eltern ihre Gedanken kontrollieren und wer der Gefangene im Keller mit den schönen schwarzen Augen ist, wirft erstmal viele Rätsel auf. Es dauert allerdings nicht lange, bis das Geheimnis ihrer Vergangenheit sie einholt und die sechs Geschwister in einer neuen Welt landen: Cassardim. Als Erben der Fürstenhäuser jahrelang in der Menschenwelt versteckt gehalten, müssen sie sich nun im Reich der Toten mit all seiner rätselhaften Magie und Intrigen zurechtfinden, bevor ein neuer politischer Komplott ihnen zum Verhängnis wird...

Wie man schon an dieser kurzen Zusammenfassung sehen kann, lebt die Geschichte vor allem von ihrem hohen Erzähltempo und den vielen Richtungswechseln im Plot, die einen dynamischen Spannungsbogen ergeben. Wir wechseln nicht nur in enormer Geschwindigkeit von der realen Welt in eine komplexe High-Fantasy Welt, sondern bereisen diese auch im Schnelldurchlauf, bevor wir gemeinsam mit Amaia im goldenen Berg eine riesige Menge neuer Figuren treffen, verschiedene neue Rollen annehmen, einen Putschversuch verhindern und die magische Welt retten müssen. Spannung und Abwechslung sind hier natürlich vorprogrammiert! Dadurch wirkt die Handlung an manchen Stellen auf den ersten Blick ein wenig wirr und chaotisch, dieser Eindruck löst sich dann aber immer nach wenigen Szenen wieder gelungen auf und setzt sich mit der Zeit zu einem tollen Gesamtbild, mit dem man zu Beginn nicht gerechnet hat. Man merkt der Autorin definitiv an, dass sie Drehbücher schreibt und ein geniales Gespür für Timing hat. 

"Cassardim zu beschreiben, ist genauso unmöglich, wie das Sonnenlicht einzufangen oder eine Melodie in Worte zu fassen."

Ebenfalls großartig eingeführt wird nebenbei das Setting. Man braucht zwar einiges an Fantasie, um die Totenwelt von Cassardim mit den verschiedenen Fürstentümer gedanklich zum Leben zu erwecken, es ist aber definitiv ein originelles und unverbrauchter Spielort für eine YA-Fantasy Geschichte. Sie bedient sich zwar einem Mix aus verschiedenen Mythologien rund um das Thema Tod, fügt aber auch sehr viel Eigenes hinzu, das bisher noch schwer greifbar ist und so viele Fragen aufwirft wie Neugierde weckt. In diesem ersten Band konzentrieren wir uns vor allem auf den goldenen Palast des Kaisers im Zentrum des Reichs, erhalten  aber schonmal einen ersten Einblick in beinahe alle Reiche, was die Vorfreude auf die Fortsetzungen schürt. Ich hoffe sehr, dass wir dort mehr über die anderen Fürstentümer erfahren und verstehen, wie genau diese Welt funktioniert. Ebenso bin ich sehr gespannt auf die weitere Entwicklung des sehr interessanten Magie-Systems, das auf der Macht des Willens beruht. Bislang blieben die genauen Rahmenbedingungen nämlich noch sehr vage und mir erschloss sich noch nicht ganz, welche Regeln und Beschränkungen genau gelten, um menschliches Verhalten, menschliche Körper, Pflanzen und Dinge zu beeinflussen. Bisher fehlt mir außerdem auch eine moralische Einordnung der zwischenmenschlichen Implikationen dieser Art von Magie. Wenn immer der stärkere Wille gewinnt, was bedeutet das für Menschen, über deren Wille ständig hinweggegangen wird? Was bedeutet das für Beziehungen? Ist Consent überhaupt möglich? Um nur mal nur drei exemplarische Fragen zu nennen, die mir beim Lesen durch den Kopf gegangen sind. Ich habe auf jeden Fall große Lust, noch weiter in dieser Welt zu verweilen!

Der temporeiche Erzählstil, das originelle Worldbuilding und interessante Magiesystem machen die Geschichte mitreißend und geben ihr eine einmalige Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Leider hatte ich durch den sehr dynamischen Plot aber einige Probleme mit der Hauptfigur, für deren Entwicklung leider kaum Zeit bleibt. Da Amaia die meiste Zeit damit beschäftigt ist, auf die starken Veränderungen ihrer Lebensumstände zu reagieren, zu verarbeiten was passiert ist und sich neue Fragen zu stellen, wird sie kaum selbst aktiv und bleibt noch sehr blass in ihrer Rolle als Special-Snowflake-Auserwählte (dieses YA-Klischee darf bei all der Originalität natürlich nicht fehlen). Außerdem ist mir schleierhaft, weshalb sie unbedingt 16 Jahre alt sein muss, wo die Cassardien doch ohnehin beinahe unsterblich sind. Sehr erfrischend ist allerdings, dass sie - aufgewachsen in unserer Welt - immer wieder durch Popkulturreferenzen, feministische Ansichten und technologische Vergleiche für den ein oder anderen unterhaltsamen Kontrast zum High-Fanatsy-Setting sorgt. Also egal ob ich ab und zu die Augen über sie verdreht habe - ihr Potenzial für die Folgebände ist klar erkennbar, und ich hoffe, dass sie die kommenden Bände nutzt, sich ihrer eigenen Kraft bewusst zu werden und sich unabhängiger von ihren (männlichen) Unterstützern zu machen. 

"Es war eine simple Formel der Natur. Frau in Not + starker Beschützer = Hormon-Party. Theoretisch völlig legitim, nur ging das Leben auch nach der Notsituation weiter und dann wurden die starken Beschützer oft zu geltungssüchtigen Psychos oder hilfsbedürftigen Wracks. Außerdem war das hier ganz sicher die schlechtmöglichste Gelegenheit für eine rosarote Brille. Und Noár trug ein blinkendes Gefahrenhinweisschild um den Hals."

Apropos männliche Unterstützer... Neben den Nebenfiguren, die ebenfalls großes Potenzial haben, hier aber stark hinter dem Plot zurücktreten, muss natürlich auch Noár erwähnt werden. Genau wie Amaia ist er als sehr interessante Figur angelegt und erinnert in seiner Ambivalenz zwischen toxischer Rolle und tatsächlichen Gefühlen irgendwie ein bisschen an Rhysand ("Das Reich der sieben Höfe") oder Prinz Cardan ("Elfenkrone"). Allerdings wird seine toxische Seite für meinen Geschmack noch zu wenig kritisch beleuchtet und zu sehr romantisiert. Der Liebesgeschichte tut dies jedoch keinen Abbruch. Durch bekannte Tropes wie „Enemies to Lovers“ und „Marriage of Convenience“ gepaart mit dem undurchsichtigen Ränkespiel am Hof entsteht eine enorme Chemie zwischen den beiden, sodass schnell die Funken fliegen (da es sich bei der Reihe um YA handelt, gibt es allerdings keine expliziten Szenen). Obwohl sich die Liebesgeschichte recht schnell entwickelt und meiner Meinung nach noch ein bisschen auf die Folgebände gezogen hätte werden können, habe ich die beiden sehr gerne beobachtet und bin gespannt darauf, was sich in den kommenden beiden Bänden noch entwickelt. 

Das Ende des Buches ist weitgehend abgeschlossen und lässt zwar einige Fragen und Probleme offen, löst den Hauptkonflikt aber erstmal auf. Dadurch lässt sich „Cassardim - Jenseits der goldenen Brücke“ theoretisch auch als Einzelband lesen. Wenn mir das Buch nicht so gut gefallen hätte, wäre ich tatsächlich in Versuchung, es hier dabei zu belassen. Doch Julia Dippels faszinierende Welt, die spannenden Intrigen und das Potenzial der Figuren machen natürlich Lust auf mehr, weshalb ich natürlich auch die Fortsetzungen lesen werde.

"Wenn die Wüste fließt wie ein trockenes Meer, Felsen schweben, Wälder wandern, Städte über Chaos-Fluten thronen und der Nebel deine Erinnerungen stiehlt, dann bist du jenseits der Goldenen Brücke – im Reich der Toten."

Fazit

"Cassardim" ist ein vielversprechender Auftakt einer temporeichen, mitreißenden YA-Fantasy-Geschichte. Bisher überzeugen mich besonders das originelle Setting und das tolle Timing der Autorin. Noch nicht ganz abgeholt haben mich die Hauptfiguren, ich bin aber sehr gespannt auf die beiden kommenden Bände!

*keine WERBUNG, selbstgekauft*

Quelle Informationen: Goodreads.de. Klapptexte und Zitate sind Eigentum des Verlags oder jeweiligen Rechtinhabers.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich, wenn Du einen Kommentar dalässt.
Egal ob Kritik, Verbesserungsvorschläge, Lob, Anmerkungen, Fragen oder eigene Meinung - das ist der richtige Ort dafür ;-)