
Allgemeines
Titel: The Wedding People
Autorin: Alison Espach
Verlag:
Henry Holt (30. Juli 2024)
Genre: Roman
Seitenzahl: 384 Seiten
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Inhalt
Bewertung
"The Wedding People" ist ein Buch, auf das ich sehr gespannt war, da es aktuell stark gehyped wird und dessen Klapptext mich sofort angesprochen hat. 384 Seiten später habe ich nun ehrlich gesagt aber sehr gemischte Gefühle zu der Geschichte. Auf der einen Seite ist es ein intensiver, atmosphärischer Roman mit interessanten, vielschichtigen Figuren, nuanciertem Humor und wichtigen Themen, auf der anderen Seite gab es aber im Umgang mit diesen Themen auch einige grobe Schnitzer, die mir das Lesevergnügen etwas vermiest haben. Wie nun also das Buch bewerten? Ich gebe eine Leseempfehlung, allerdings mit ausdrücklicher Triggerwarnung und bei Bereitschaft, die problematischen Aspekte auszublenden.
Das für mich große Problem der Geschichte kam schon sehr früh auf, sodass ich bereits nach zwei Kapiteln überlegt habe, das Buch beiseite zu legen. Denn was der Klapptext leider verschweigt: Phoebe ist nicht einfach nur an einem Tiefpunkt in ihrem Leben angelangt, sondern in das Hotel gekommen, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Vor der akuten Suizidalität der Protagonistin wird leider weder in der Inhaltsangabe noch einer Triggerwarnung gewarnt. Damit beginnen die Probleme allerdings erst. Ob es sich für ein angemessenes Thema für ein locker-leichtes Sommerbuch handelt, kann ja noch diskutiert werden, genau wie die Frage, ob es im Klapptext ausgesprochen werden muss. Was allerdings meines Erachtens zweifellos unangemessen ist, ist die Art und Weise, wie Phoebes Umfeld auf ihre Ankündigung, sich umbringen zu wollen, reagiert (nämlich mit Desinteresse und Verharmlosung). Auch dass nach einigen Kapiteln klar wird, dass sie eigentlich überhaupt nicht ernsthaft vor hatte, es durchzuziehen (es wird geschmackloserweise berichtet, sie sei einfach nicht "der Typ, der sich selbst tötet"), nimmt dem Umgang mit dem Thema leider nicht seine Respektlosigkeit. Im Gegenteil, dass sie nach zwei Tagen den Plan vollkommen abgehakt hat und fröhlich ihre Zukunft plant, wird wohl für alle, die wirklich unter Suizidgedanken oder -plänen leiden, wie der blanke Hohn vorkommen.
Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut für die klare Aussprache dieses Themas und ein humorvoller Umgang kann manchmal ein großartiges Werkzeug sein, sich schwierigen Themen zu nähern, aber dieser Teil der Geschichte hat für mich überhaupt nicht funktioniert, da die Absurdität der Erzählung in einem krassen Gegensatz zum Anspruch des Themas steht. Das für mich Tragische dabei: Der Rest des Buches funktioniert ganz wundervoll. Wäre es wirklich "nur" um eine Frau gegangen, die mit ihren Depressionen angesichts einer schwierigen Zeit droht, eine Hochzeitsgesellschaft zu sprengen und dabei unerwarteten Beistand, Freundschaft und die zarte Hoffnung auf einen Neuanfang findet, hätte es für mich ein Jahreshighlight werden können. Aber so hatte das Buch für mich einen unangenehmen Beigeschmack, den es bis zum Ende nicht ganz los wurde.
Die eigentliche Handlung erstreckt sich in sieben Abschnitten über die sieben Tage der Hochzeit und spielt ausschließlich im Cornwall Inn. In dementsprechend langen Kapiteln, die sich aus Unternehmungen der Hochzeitsgesellschaft, Gesprächen sowie Erinnerungen an Phoebes Vergangenheit zusammensetzen, wird das Bild ihrer aktuellen Situation gezeichnet. Nach und nach erfahren wir zwischen Bootsausflügen, Brunch und Spa-Besuchen, wie die Covid-19 Pandemie, ein unerfüllter Kinderwunsch, ihre akademischen Misserfolge und die Affäre ihres Ex-Mannes dazu geführt haben, dass Phoebe nun in ihrer Krise ist. Währenddessen werden außerdem die anderen Hochzeitsgäste - vor allem die Braut Lila - vorgestellt. Dementsprechend braucht die Geschichte 100 bis 150 Seiten, um in Schwung zu kommen, entwickelt dann allerdings einen überraschenden Sog.
Dieser lässt sich vor allem auf den eigenwilligen Schreibstil zurückführen. Alison Espach schreibt nüchtern, dialogfokussiert, mit feiner Situationskomik, bindet dabei aber auch intelligente, empathische Beschreibungen und Beobachtungen mit ein. So wirkt die Geschichte mal wie eine Gesellschaftsparodie, mal wie eine Charakterstudie und all das gepaart mit dem Schwung einer romantischen Komödie. Die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Humor ist hier also wirklich großartig gelungen (wenn man wie gesagt stur ausblendet, dass die Figur suizidal sein soll).
Auch die Figuren wie Phoebe, Lina, Gary und die anderen Hochzeitsgäste sind lebendig und nuanciert gezeichnet. Gemeinsam mit ihnen werden wir in viele herzhafte, tragische, bizarre und brisante Momente verstrickt, die die Figuren zum Leben erwecken und uns ein greifbares Bild von ihnen vermitteln. Vor allem Phoebe, aus deren Sicht wir die Geschichte lesen, ist in ihrer Gefühls- und Gedankenwelt als Frau in der Mitte ihres Lebens sehr nachvollziehbar gestaltet (wie gesagt, wenn man das Suizid-Thema vollkommen ausblendet!) und bringt mit ihrer Lebenserfahrung und emotionalen Intelligenz einen interessanten Gegenpol zu der naiv und egozentrisch wirkenden Lila ein. In nur wenigen Tagen erleben wir mit ihnen die verschiedensten Emotionen und warten geduldig darauf, bis alle endlich erkennen, was uns von Beginn an schon klar war. Denn das ist der einzige Punkt, in dem die Geschichte tatsächlich einer Rom-Com entspricht: das vorhersehbare Happy-End.
Liebe Sophia
AntwortenLöschenVielen Dank für deine differenzierte Rezension. Das Buch ist ja gerade überall zu sehen und ich habe es mir auch schon vorgemerkt, finde es aber toll, dass du kritisch mit dem Inhalt umgehst und deine Kritikpunkte auch grossartig einordnest.
Das Buch interessiert mich nach wie vor, nun weiss ich aber um so besser, worauf ich beim Lesen achten kann.
Alles Liebe
Livia
Hey Livia,
Löschendas freut mich zu hören! Ich habe nach dem Lesen wirklich eine Weile überlegen müssen, wie ich das Buch bewerten will und auch wie ich die Punkte in der Rezension anspreche. Stilistisch hat mir das Buch nämlich echt wirklich gut gefallen, aber über den extrem schlechten Umgang mit dem Thema Suizidalität konnte ich eben auch nicht hinwegsehen!
So oder so denke ich, dass es gut ist, wenn man vor dem Lesen weiß, was auf einen zukommt. Hat man das im Kopf, kann man das Lesen doch genießen.
Liebe Grüße
Sophia