Samstag, 29. Februar 2020

Serienempfehlung: Carnival Row

Da ich meinen "Game of Thrones"-Kater noch immer nicht überwunden habe, bin ich immer auf der Suche nach tollen neuen Fantasy-Serien, die mich über das Ende der All-Serie ein wenig hinwegtrösten können. Die US-Amerikanische Fantasy-Serie "Carnival Row" von Travis Beacham und René Echevarria war mein letzter Versuch, der zwar - wie leider bis jetzt immer - nicht an GOT herankam, aber trotzdem erfrischend anders und sehr spannend war! Mittlerweile sind 2 Staffeln mit jeweils 8 Folgen bei Prime Video zu sehen.


Darum geht´s:

Der imperialistische Stadtstaat "The Burgue" führt seit Jahren einen blutigen Krieg in der Welt der Fabelwesen gegen den „Pakt“, weshalb verschiedene Fantasy-Kreaturen sich mithilfe von Schleusern in die Stadt retten. In der Stadt entstehen infolgedessen zunehmend politische und ethnische Spannungen zwischen Einwohnern und Migranten. Als im sozialen Brennpunkt der Stadt, der "Carnival Row", eine Fee blutig ausgeweidet gefunden wird, nimmt sich Inspektor und Kriegsveteran Rycroft Philostrate dem Fall an, da er durch eine vergangene Liebschaft mit einer Fee Sympathie für die sogenannten "Kräher" hegt. Doch dann taucht diese Fee, Vignette Stonemoss, plötzlich wieder auf und auch der Fall zeigt immer mehr Verbindungen zu seiner eigenen Vergangenheit auf, sodass er sich seinem größten Geheimnis endlich stellen muss...


Warum sollte ich mir diese Serie ansehen?

Ich muss zugeben, die Serie hat es wirklich sehr darauf angelegt, das Beste aus bereits bekannten Serien zu vereinen und ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Ich meine, Fabelwesen wie Feen, Kobolde, Zentauren, Trolle, Werwölfe und Co., die in einer viktorianischen Version von Königsmund mit allerlei Intrigen, politischen Machtspielchen und einem blutigen Krieg leben und ein Kriminalinspektor mit einem Geheimnis, der einen grausamen Jack-the-Ripper-Killer mit Superfähigkeiten sucht? Das ist schon eine ziemlich verrückte Kombination, die trotz unterschiedlicher Erzählstilen und eines wilden Stimmungsmix wunderbar funktioniert!

Besonders überzeugt hat mich, dass sich die Serie herrlich viel Zeit nimmt, das Setting, die Protagonisten und die politische Stimmung, vorzustellen und zu Beginn weder auf große Action oder Skandale, noch auf Cliffhanger oder "Monster-of-the-Week"-Episoden setzt. Stattdessen beschäftigt sich die ganze Staffel nur mit einem einzigen Fall, der es aber ganz schön in sich hat. Im Wesentlichen verfolgen wir drei Haupthandlungsstränge. Neben den Ermittlungsarbeiten von Rycroft „Philo“ Philostrate (Orlando Bloom) und der ihn einholenden Beziehung zur Fee Vignette Stonemoss (Cara Delevigne), blicken wir vor allem auf ein bankrottes, prüdes High-Society-Geschwisterpaar (Andrew Gower), das mit einem neuen Nachbar konfrontiert wird - einem Puck. Zu sehen, wie Imogen Spurnrose (Tamzin Merchant) langsam ihre Vorurteile überwindet und sich in den gehörnten Agreus Astrayon (David Gyasi) verliebt, ist einfach hinreißend und  so hat sich die verbotene Liebe der Beiden bald zu meinem Lieblingshandlungsstrang aufgeschwungen. Ab und zu erhalten wir auch durch den Kanzler (Jared Harris) und dessen Familie einen Einblick in die marode Regierung der Burgue. Wir dürfen beobachten, wie im Parlament immer mehr rechte Stimmen laut werden, wie der Sohn des Kanzlers Jonah (Arty Froushan) beginnt, seinen eigenen Weg zu gehen und die Frau des Kanzlers Piety (Indira Varma) ganz eigene Intrigen spinnt. Wie diese drei Handlungsstränge miteinander zusammenhängen, ist zu Beginn noch sehr unklar, fest steht jedoch schon von Anfang an, dass wir ein rundum rundes Bild der Gesellschaft der Burgue mit allen Schichten vermittelt bekommen. 

Sehr schön ist auch, dass wir die Hintergrundgeschichte von Philo und Vignette erst in der dritten Episode erfahren und der Hauptfokus ganz anders gelegt ist - nicht wie der Trailer impliziert auf der Liebesgeschichte, sondern eher auf einem Porträt der Gesellschaft, für das die Figuren nur eine instrumentelle Funktion zu haben scheinen. Und so hat die Serie, die wie ein wilder Mix erscheint, was wohl vor allem auch durch die unterschiedlichen Macher entstanden ist, einen klaren roten Faden: Neben einem bisschen Fantasy, einem bisschen Krimi, einem bisschen Liebesdrama, einem bisschen Identitätssuche und einem bisschen politischen Ränkespiel geht es vor allem sehr viel um aktuelle Gesellschaftskritik. Auch der ungebildetste Serienschauer wird bald herausfinden, dass es in der Burgue große Parallelen zur Flüchtlingsbewegung, zum Rechtsruck und aufkommenden Ängsten und Fremdenhass in Europa zu finden gibt. An diesem fiktiven Beispiel lässt sich mal wieder (wenn auch etwas mit Holzhammer-Methode rübergebracht) gut verfolgen, wie schnell die Stimmung in einer Gesellschaft umschlagen und hilflose Opfer treffen kann. Dass es hier ganz offen um Rassismus, Diskriminierung, Segregation, Radikalisierung und Terrorismus geht und ordentlich der Zeigefinger erhoben wird, hat mich - an den Maßstäben einer Main-Stream-Serie gemessen - sehr beeindruckt!

Unterstützt wird das ganze Konstrukt von einem sehr lebensecht gestalteten, spannenden Setting und tollen Schauspielern. Die Handlung spielt wie schon gesagt zum Großteil in der Burgue und beschränkt sich dabei leider noch auf wenige Standorte. Nichtsdestotrotz erscheint das viktorianische Steam-Punk Setting total bunt, vielseitig und wartet mit toll animierten Fabelwesen und Monstern auf. Auch die Kostüme können sich wirklich sehen lassen! Einzig warum die Figuren alle durchgeknallte Namen haben müssen, die ich mir beim besten Willen einfach nicht merken konnte (zum Beispiel auch die des männlichen Hauptprotagonisten, was auf Dauer echt ungünstig ist), kann ich einfach nicht nachvollziehen ;-)

Gegen Ende kommen dann immer mehr Geheimnisse ans Licht und wir werden mit der ein oder anderen schockierenden Wendung und Entwicklung überrascht. Leider wirkt der Showdown am Ende - gerade nachdem sich die Macher zuvor herrlich viel Zeit gelassen haben - etwas überhastet, macht jedoch unbedingt Lust auf mehr! Zum Glück müssen wir ja auch nicht mehr allzu lange auf die zweite Staffel warten.


Ergänzung zu Staffel 2: Schon nach der ersten Folge war sofort klar: Staffel 2 ist deutlich düsterer, brutaler, mit teilweise horrorähnlichen Szenen und gezeigtem Leid, das unter die Haut geht. Genau wie Staffel 1 ist auch die Handlung hier wieder sehr politisch aufgeladen und vielschichtig erzählt. Die Entstehung von Ghettos, radikale Gesetzesänderungen und blutige Eskalationen, die von Unverständnis, Hass, Populismus und Fremdenfeindlichkeit angetrieben werden - was wir hier in 8 Folgen beobachten, kommt einem (abzüglich der Flügel und Hörner) leider aus der Realität viel zu bekannt vor.

Mit der verbohrten High-Society der Burgue, dem Parlament voll radikaler Feen-Hasser, die ebenfalls menschlichen Kriegsgegner des "Pakts", der geflügelten Widerstandsgruppe der "Black Raven" und die neue undurchsichtige Revolution des "New Dawn" gibt es so viele unterschiedliche Parteien und Seiten des Konflikts, dass zunehmend Grauzonen entstehen und es fällt schwer fällt, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Auch Philo und Vignette finden sich in diesem Wirrwarr wieder und driften immer mehr auseinander, als sie plötzlich auf verschiedenen Seiten stehen...

Neben Philos Handlungsstrang, der zwischen Leid und Ränkespielen in der Burgue erneut einer magischen Mordserie auf den Grund gehen und währenddessen sein feeisches Erbe in sich erforschen und eine Seite im Konflikt wählen muss, gibt es noch einen weiteren, der außerhalb der Burgue spielt. In diesem verfolgen wir Agreus und Imogen, die nach ihrer Flucht auf der Burgue auf die kommunistische Revolution "New Dawn" treffen, allerdings schon bald bemerken, dass auch deren Methoden nicht die Lösung sein können. Durch die beiden Handlungsstränge wird das Worldbuilding erweitert und nochmals komplexer, leider unterbrechen sich die beiden Geschichten aber immer wieder in wichtigen Schlüsselmomenten und lassen nicht genügend Raum füreinander. Statt Philos und Vignettes Geschichte konsequent zuende zu erzählen, wird der Fokus auf andere Figuren verlagert und es schlägt die Stunde der ehemaligen Nebenfiguren. So rücken Philos Freund Darius (Ariyon Bakare), Vignettes Feen-Freundin Tourmaline (Karla Crome) oder Philos Erzfeind, Polizei-Sergeant Domby (Jamie Harris) weiter in den Vordergrund. Meine Lieblingsfigur ist und bleibt Runyan Millworthy (Simon McBurney), der auch hier wieder mit diplomatischen Höchstleistungen um Frieden ringt.

Während die erste Hälfte der Staffel genauso bedacht und atmosphärisch erzählt war wie Staffel 1, überschlagen sich in der zweiten Hälfte allerdings die Ereignisse und es scheint, als hätten die Serienmacher nach dem Absetzen der Serie dringend noch alle Handlungsstränge zu einem unfertig wirkenden Ende zusammenbasteln wollen. So bleiben nach 8 Folgen voller Identität, Humanität, Freiheit, Gerechtigkeit, Krieg und Revolution noch offene Fragen und Anknüpfungspunkte für eine weitere Staffel bestehen, die allerdings stand jetzt nicht kommen wird. Schade. 


Hier noch der Trailer:



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