Allgemeines:
Titel: Falling Skye - Kannst du deinem Verstand trauen?
Autorin: Lina Frisch
Genre: Dystopie
Verlag: Coppenrath (1. Januar 2020)
ISBN-10: 3649633442
ISBN-13: 978-3649633440
Verlag: Coppenrath (1. Januar 2020)
ISBN-10: 3649633442
ISBN-13: 978-3649633440
ASIN: B083T9T39B
Seitenzahl: 464 Seiten
Preis: 14,99€ (Kindle-Edition)
20€ (Gebundene Ausgabe)
Weitere Bände: Rising Skye (Herbst 2020)
Link: Hier klicken!
Inhalt:
Nach einer großen Katastrophe sind die USA zu den Gläsernen Nationen geworden. Endlich ist Schluss mit Diskriminierung, Populismus und impulsiven Entscheidungen! Die Menschen werden in Ratio oder Senso eingeteilt – und zu ihrem eigenen Schutz unterliegen die Emotionalen strengen Auflagen.
Als die 16-jährige Skye zu ihrer Testung einberufen wird, ist sie überzeugt, als mustergültige Rationale erkannt zu werden, der eine glänzende Zukunft bevorsteht. Doch die Prüfungen sind verstörend, und Skye fragt sich immer häufiger, welchem Zweck sie in Wahrheit dienen. Wer ist der mysteriöse Testleiter, der ihr auf Schritt und Tritt folgt? Und wohin verschwinden die Mädchen, die im täglichen Ranking abfallen? Zu ihrem Entsetzen muss Skye erkennen, wer in den Gläsernen Nationen den Preis für die neue Ordnung zahlen soll: sie selbst …
Bewertung:
Ich habe mittlerweile seit längerem keine Dystopie mehr gelesen - schlicht und einfach weil mich der immergleiche Aufbau, die vielen auffälligen Parallelen zu anderen Geschichten und die Holzhammer-Gesellschaftskritik zunehmenden nerven. Bei "Falling Skye" hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl: nicht nur dass Cover und Klapptext vielversprechend aussahen und ich natürlich meine Psychologie-Kollegin unterstützen musste - die Geschichte hat mich mit ihrem einzigartigen Stil auch von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen.
Das Cover ist mit dem großen, zersplitternden Kristall mit den Leuchteffekten, dem dynamischen, blauen Hintergrund und dem silbern glänzenden Titel ein wahrer Blickfang. Durch die Silhouette des dunkelhaarigen Mädchens und die Skyline von New York im Hintergrund wird dem futuristischen Motiv etwas Bekanntes entgegengesetzt und die feinen geometrischen Linien rund um den Diamanten, die bei genauerem Hinsehen zu erkennenden roten Blutspuren auf dem Kristall, sowie die Reflexionen der Glassplitter runden das Bild gekonnt ab. Schön ist auch dass die 47 Kapitel durch eine Kristallform voneinander getrennt werden. Der Titel ist ein spannendes Sprachspiel, auf das tatsächlich schon in der ersten Szene indirekt Bezug genommen wird ;-)
Erster Satz: "Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man genau weiß, was gleich passieren wird - und man das Unausweichliche trotzdem nicht ändern kann."
"Wir werden mit unterschiedlichen Veranlagungen geboren, die darüber entscheiden, was für ein Leben zu uns passt. Das schreibt Cloe Cremonte im Silberstreif und daran habe ich immer geglaubt. Aber einer Führung, die eiskalte Gefühlslosigkeit als rationales Ideal verkauft, kann ich doch nicht treu sein!"
Nachdem wir kurz in Skyes Alltagswelt eingeführt werden, die sich im Grunde nicht groß von unserem Leben unterscheidet bis auf dass die USA in die "Gläsernen Nationen" umbenannt worden sind und die Klassifizierung der Gesellschaft nach Traits für Frieden und Gerechtigkeit sorgen soll, wandelt sich die lockere Atmosphäre schon bald und nimmt Thriller-artige Züge an. Erschien Skyes Leben zuvor noch recht harmlos wie das eines normalen Teenagers, häufen sich bald Indizien dafür, dass sie in einem maroden, korrupten System lebt, dass sich unter dem Deckmantel einer zukunftsorientierten, perfekten Gesellschaft versteckt. Denn neben den Tests auf verschiedenen Persönlichkeitsdimensionen wie Neurotizismus, Verträglichkeit, Extraversion, Zielstrebigkeit und Temperament (die ersten drei gehören tatsächlich zu den "Big Five" der Persönlichkeit) gibt es außerdem ein rätselhaftes Ranking, eine "Gläserne Stunde" in der die Mädchen ihre Geheimnisse verraten müssen und lückenlose Überwachung. Wozu das alles, wenn doch die Tests klar die Traits herausarbeiten sollen? Bald wird dem Leser klar, dass hinter der Testung noch viel mehr steckt als die Kategorisierung der Jugendlichen und hinter der gläsernen Fassade viele Abgründe lauern. Diskriminierung, Sexismus, Diktatur, Gleichschaltung der Medien und Zensur - statt üble Auswüchse zu vermeiden hat die neue Ordnung noch viel mehr hervorgerufen. Zusammen mit Skye geraten wir in einen rasanten, undurchsichtigen Strudel aus Ereignissen, der ihre Welt komplett über den Haufen wirft.
"Ich bin nicht nur das zielstrebige Mädchen, das Probleme logisch löst. Ich bin nicht nur die ehrgeizige Wettkampfsportlerin, die ihrem Erfolg alles andere unterordnet. Ich bin auch das Mädchen, das in den See springt, wenn jemand in Gefahr ist - ohne über die Strömung nachzudenken. Das Mädchen, das Alexander vertraut, obwohl nichts dafür spricht außer einem Gefühl. Ich bin nicht nur rational. Und seltsamerweise löst diese Feststellung keine Panik mehr in mir aus, sondern Trotz. Warum muss ich mich für eine der Seiten entscheiden?"
Beim Lesen merkt man bald, dass die junge Autorin Psychologie studiert. Nicht nur weil ihre Protagonisten im Matheunterricht über Regressionsgeraden und die Methode der kleinsten Quadrate reden, sondern auch weil ihre spannend konzipierte Gesellschaft, Skyes einfühlsame Identitätssuche, der besondere Fokus auf die Gruppendynamik der Mädchen, die abgekarteten Manipulationen und durchdachten Kampagnen der Kristallisier Wissen über menschliches Verhalten, Erleben und vor allem auch über soziale Beeinflussung erkennen lassen. Auch ihr einfühlsamer, häufig auf den Punkt treffender Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Zwar ist das Erzähltempo durch den genauen Blick auf Skyes Gedanken- und Gefühlswelt während der Tests und das Miteinbeziehen von einer kleinen Portion Teenie-Drama nicht so hoch, wie es das vielleicht hätte sein können, dennoch brodelt die Spannung geradezu und ich konnte das Buch zu keinem Zeitpunkt aus der Hand legen.
Skye ist als Hauptprotagonistin und Ich-Erzählerin sehr liebenswürdig und definitiv ein Sympathieträger, auch wenn sie zu Beginn sehr systemkonform, in gewisser Weise naiv und mit ihrer Zielstrebigkeit und erzwungener Emotionslosigkeit kalt wirkt. An ihrem Mitgefühl, ihrer Impulsivität wenn andere in Gefahr sind und an ihrer Leidenschaft, mit der sie sich, ihre Werte und ihre Freunde verteidigt, merkt man jedoch schnell, dass sie nicht so emotionslos und rational ist, wie sie vorgibt zu sein. Auch in anderen Charakteren täuschen wir uns zu Beginn und müssen im Verlauf der Geschichte bestellen, dass der erste Eindruck trügen kann: die kalte Jasmine lässt hinter ihre Fassade blicken, der perfekte Elias verliert sich in seiner Konformität, die emotionale Luce verbirgt ein großes Geheimnis, der schwächliche Colin packt geheime Skills aus, der geheimnisvolle Testleiter Alexander entpuppt sich als Skye wichtigster Verbündeter und auch ihre Eltern erscheinen vor dem Hintergrund der Kristallisierung plötzlich in einem ganz anderen Licht... Einen besonderen Einblick bekommen wir durch die zweite Erzählperspektive, die durch eine andere Schriftart optisch hervorgehoben wurde, die das Innenleben von Alexander/Hunter beschreibt. Leider bleibt er erstmal eine recht eindimensionale Randfigur, die vor allem die Spannung steigern und die Handlung vorantreiben soll. Auch die Liebesgeschichte schöpft ihr Potential nicht aus - so kommt Skyes plötzliche Verliebtheit fast aus dem Nichts und konnte von mir nicht ganz nachvollzogen werden. Ich habe aber die Hoffnung, dass er sich im zweiten Teil zu einer genauso eindrücklichen Persönlichkeit entwickelt wie Skye.
"Pass auf dich auf", flüstere ich, bevor ich mich abwende. Irgendwo unter dieser Festung aus Glas verbirgt sich ein Geheimnis, für das Menschen sterben müssen. Und wir werden es finden."
Bevor ich meine Lobeshymne abschließe, muss ich noch einen Kritikpunkt anbringen: an einigen Stellen wirkt die sonst so runde Handlung etwas unrealistisch. Beispielsweise scheint Alexander der Einzige zu sein, dem Skyes Fehltritte auffallen, außerdem manipuliert er immer wieder die Ergebnisse oder das ganze System, ohne dass es jemandem auffällt. Seine Verbindung zu Skye ist so offensichtlich, dass sie die anderen Mädchen damit aufziehen aber von den Testleitern merkt keiner etwas? Und trotz der vollkommenen Überwachung und neuster Technik finden die Protagonisten immer ein Schlupfloch, sich zu unterhalten? Man kann sich in den Aufgaben so nach seinem Wunsch-Trait verhalten, dass die Testung beeinflusst wird und das obwohl alle physischen Parameter genauestens aufgezeichnet werden? Für mich war die Darstellung von Überwachung und neuer Technik auf der einen Seite und Nachlässigkeiten und Schlupflöcher auf der anderen Seite ein wenig unglaubwürdig.
Leider musste ich zudem in der Hälfe feststellen, dass die Grundidee nicht ganz neu erschien. Tests zur Kategorisierung der Persönlichkeit, Konfrontation mit Ängsten in Simulationen, ein geheimer Komplott hinter den Kulissen, eine Liebesbeziehung zu einem Testleiter/Ausbilder … wen erinnert das auch ein bisschen an "Die Bestimmung"? Etliche erschütternde Geheimnisse, Tod, Verrat, Angst und mehrere überraschende Wendungen später musste ich mein Urteil dann aber nochmal überdenken. Denn die wahre Agenda, die sich hinter der Kristallisierung verbirgt ist wahrhaft gut durchdacht, glaubwürdig, authentisch und ABSOLUT EKELHAFT! Was wirklich hinter alldem steckt, hätte ich niemals erraten und vor der Art und Weise, wie die Autorin und hier überrascht und es noch schafft, eine subtile Botschaft an die Enthüllung zu hängen, hat mich wirklich beeindruckt! Von der großen Wendung abgesehen ist das Ende sehr offen und weckt vor allem die Spannung auf den nächsten Teil, der leider erst im Herbst 2020 erscheint. Ich werde auf jeden Fall weiterlesen und freue mich schon sehr auf die Fortsetzung!
"Meine Wut macht mich mutiger, als ich bin.
"In Wirklichkeit geht es doch bloß darum, dass ihr Angst vor uns habt." Ich trete näher an den Konsiliar heran, der nicht viel größer ist als ich selbst. "Denn Sie irren sich: Frauen wurden keine Rechte gegeben - sie haben sie sich genommen. Und wir werden sie uns zurückholen, wenn man uns dazu zwingt."
Fazit:
Ein treffsicherer Schreibstil, eine liebenswürdige Protagonistin, ein glaubwürdiges, böses System mit Realitätsrelevanz, eine feministische Botschaft, etliche spannende Wendungen und eine atmosphärische Spannung machen dieses Debüt zu einem wirklichen Dystopie-Highlight. Rasant, authentisch, undurchsichtig: eine Mischung aus psychologischer Spannung, Gesellschaftskritik und Teenie-Drama.
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*unbezahlte WERBUNG*
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat.
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