Hallöchen,
in diese Woche starte ich zum ersten Mal seit Weihnachten beschwingt und voller neuer Energie. Meine Prüfungen und die erste Abgabe hinter mich gebracht stehen nun noch das Exposé für meine Bachelorarbeit und eine weitere Hausarbeit zwischen mir und den Ferien. Um mich für den Rest der vor mir liegenden Aufgaben zu motivieren habe ich außerdem für Anfang April mit einer Freundin einen Kurztrip nach München gebucht und freue mich schon riesig darauf, endlich mal wieder rauszukommen. Ich hoffe, Ihr habt den verrückten Sturm der letzten Tage alle unbeschadet überstanden. Bei uns im Schwarzwald ging es nicht ganz so wild zu wie im Norden des Landes, ich habe aber trotzdem sicherheitshalber das Wochenende gemütlich zuhause damit zugebracht, einige liegengebliebene Rezensionen aufzuholen, ganz viel zu lesen und mir ein paar durch den Stress verlorene Kilos wieder draufzufuttern. 😊 In der heutigen Montagsfrage soll es um ein Thema gehen, dass wohl einige gute und einige weniger gute Erinnerungen bei den ein oder anderen lostreten wird: Schullektüren...
Welche Schullektüren waren Euch die liebsten und die verhasstesten?
Ist Euch schonmal aufgefallen, dass es egal ist, in welchem Kontext man auf dieses Thema zu sprechen kommt - sobald es um ehemalige Schullektüren geht, startet häufig das große Auskotzen. Auch ich habe eine eher negative Einstellung zu meinen im Rahmen der Schule gelesenen Bücher. Egal ob "Tschick" von Wolfgang Herrndorf, "Ich hätte Nein sagen können" von Annika Thor, "Die Vorstadtkrokodile", Lessings "Nathan der Weise" oder "Nichts was im Leben wichtig ist" von Janne Teller - bei allen Romanen, mit denen ich mich später nochmal auseinandergesetzt und oftmals auch eine Rezension geschrieben habe, ist mein Urteil sehr kritisch ausgefallen. Rückblickend frage ich mich bei vielen dieser Romane, nach welchen Kriterien unser Deutschlehrer sie wohl ausgewählt hat. Meinte er, sie würden uns Jugendlichen gefallen? Hoffte er, uns eine wichtige Botschaft mit auf den Weg zu geben? War er der Meinung, die Lektüre eines gewissen Buches würde zu unserer Allgemeinbildung beitragen? Oder gab es zu diesen Büchern schlichtweg einfach genug Lehrmaterial, sodass die anderen Kriterien keine Rolle spielten? Egal was sein Beweggrund war, allein die Tatsache, dass ich die Bücher lesen MUSSTE, während mir doch gleichzeitig 100 andere Bücher eingefallen wären, die ich lieber in der Schule gelesen und diskutiert hätte, haben dazu geführt, dass ich mich innerlich dagegen gesträubt habe.
Besonders traurig ist meine aversive Haltung gegenüber Schullektüren deswegen, weil ich mittlerweile alle paar Wochen über einen Klassiker, einen Roman oder ein Jugendbuch stolpere, bei dem ich sofort denke, dass es wunderbare Anknüpfungspunkte für eine Beschäftigung im Rahmen des Unterrichts bieten würde. Klar, sich durch verstaubte Wälzer durchquälen zu müssen, nur damit man sie gelesen hat, scheint mir nicht die richtige Maßnahme zu sein, um SchülerInnen für das Lesen zu begeistern und dazu anzuregen, sich mit dem geschriebenen Wort auseinanderzusetzen. Ich würde aber nicht die Meinung vertreten, dass Pflichtlektüren in der Schule allgemein negativ zu bewerten sind. Stattdessen denke ich, es kommt vor allem auf die richtige Auswahl an. Berücksichtigt man, dass wenigstens eine Figur genügend Identifikationspotential aufweisen, mindestens ein Thema für die LeserInnen aktuell oder relevant sein und die Sprache gerade so weit verständlich sein muss, dass man beim Lesen ohne Lektürenhilfe versteht, was vor sich geht, denke ich nicht, dass die Vermittlung von Kulturgut und das Wecken von der Lust zum Lesen sich per se gegenseitig ausschließen müssen.
Ich denke also, dass nicht nur der äußere Zwang und die darauffolgende Abwehrhaltung dazu geführt haben, dass ich meine Schullektüren nicht mochte. Das Hauptproblem bei "Antigone", "Andorra", "Der Sandmann" und Co war, dass der Großteil der Werke einfach sowohl sprachlich als auch inhaltlich so weit von meiner Lebenswelt entfernt war, dass ich keinen Mehrwert darin sah, mich damit zu beschäftigen. Von der Schwerpunktliteratur der Oberstufe will ich da gar nicht erst anfangen. Mit "Faust", "Der goldene Topf" und dem "Steppenwolf" musste ich mich zwei Jahre lang mit gleich drei Büchern über die Midlife-Crisis eines älteren Mannes beschäftigen, der versuchte, sich durch die Benutzung einer Frau aus einer anderen Gesellschaftsschicht jung zu fühlen und seine eigenen Komplexe zu überwinden. Danke für diese diverse, vielseitige und sensible Auseinandersetzung mit für mich relevanten Themen liebe Schule (nicht)!!1
Die Frage nach meiner verhasstesten Schullektüre ist demnach sehr leicht zu beantworten: mit großem Abstand Goethes "Faust". Weder die umständliche Sprache mit den aufgeblasenen Dialogen, den vielen Wiederholungen noch die diskontinuierliche Konstruktion der Handlung oder die fragwürdigen Figuren konnten mich überzeugen. Auch wenn ich die Handlung besser verstanden habe, als ich zu Beginn angenommen hatte, habe ich mich nur durch diese Tragödie gequält. Ein erster Grund, weshalb ich mit "Faust" nicht besonders viel anfangen konnte, ist die verantwortungslose, zerstörerische Ich-Bezogenheit des Hauptprotagonisten. Er zerstört nicht nur gedankenlos das Leben der jungen Margarete, sondern leugnet dann auch noch all seine Schuld an ihrem Schicksal, verdrängt es und versucht es auf Mephisto abzuwälzen. Ihr seht also - ein sehr liebenswerter Charakter, dieser Heinrich Faust. Auch die sprachlichen Gestaltung, in der eindeutige Einflüsse des Sturm und Drangs erkennbar (eine Epoche deren Gefühlsbetontheit und Ichbezogenheit mir ehrlich gesagt sehr auf die Nerven gehet) sind, hat mich eine Menge Nerven gekostet. Dabei sind es noch nicht mal die Madrigalvers, Knittelverse, Blankverse und freien Rhythmen, die mich zur Weißglut trieben, sondern viel mehr die diskontinuierliche Szenenfolge. Denn leider hielt Goethe wohl nicht wirklich etwas von einer Einheit von Zeit, Ort, fortlaufender Handlung oder sprachlicher Geschlossenheit. Statt wichtige Informationen und essenzielle Szenen, die zum Verständnis der Handlung notwendig sind, beizusteuern, wiederholen sich endlos ausschweifende Monologe von Seiten Fausts über seine Lebenskrise, seinen Treibstau oder über seine entgrenzenden Naturerlebnisse. Hätte ein heutiger Roman sich diese grottige Konstruktion geleistet, wäre er in der Luft zerrissen worden. Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, welche Art von Faszination für dieses Werk, Menschen dazu treibt, sich freiwillig diesem Kuddelmuddel zu widmen. Klar kann man jetzt sagen, dass "Faust" insofern ein interessanter Klassiker ist, als dass es Merkmale mehrerer verschiedener Epochen aufweist (Weimarer Klassik, Sturm und Drang, Aufklärung) und für die damalige Zeit recht fortschrittlich war was Sozialkritik, Religionskritik und Wissenschaftskritik anbelangt. Mir persönlich hat es aber eine ordentliche Leseflaute und jede Menge zäher Deutschstunden beschwert.
Der zweite Teil der Frage, nach meiner liebsten Schullektüre, ist da schon viel schwerer zu beantworten. Es gab leider über die Jahre keinen Roman, der mich wirklich überzeugen oder begeistert konnte, aber es waren durchaus ein, zwei darunter, die ich wenigstens interessant fand. Beispielweise hat mich der verständliche, aber trotzdem dichte und vielschichtige Schreibstil in der "Schachnovelle" von Stefan Zweig positiv überrascht. Ich hatte trockenen Lesestoff erwartet, bei dessen Entschlüsselung ich mir die Zähne ausbeißen würde. Bekommen habe ich jedoch ein gut ausgearbeiteter Schreibstil mit vielen genialen Metaphern, die wirklich jeder versteht und nicht in den Text hineingeprügelt wurden, sondern sich natürlich und kunstvoll in den Gesamtzusammenhang fügen. Anders als viele anderen der Lektüren hatte die "Schachnovelle" aber auch ein klares Thema mit noch klarerer Message. Wenn man den Inhalt des ganzen Buches in eine Hand nimmt und ordentlich durchschüttelt, sodass alle Metaphern und ausschmückende Worte wegfallen, bleibt nur eines übrig: ein Vorwurf an die unglaublichen Brutalität der Nazis. Und sich damit im Rahmen des Unterrichts auseinanderzusetzen halte ich für deutlich relevanter als mit Fausts Entgrenzungsversuchen oder Anselmus´ Träumen von Atlantis.
So, Ende des Rants 😂. Ich hoffe sehr, dass Ihr mehr Positives über Eure Schullektüren zu sagen habt, oder das Ganze vielleicht auch so wenig Eindruck hinterlassen hat, dass Ihr nach all den Jahren keine Meinung mehr zu dem Thema habt.
Wie steht Ihr zu Schullektüren? Zu welchen fühlt auch noch nach Jahren Groll, welche haben Euch vielleicht sogar begeistert?
Liebe GrüßeSophia
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Guten Morgen Sophia,
AntwortenLöschenwas für eine schöne Frage, das Schwelgen in Erinnerungen hat richtig Spaß gemacht! Ich stelle fest, dass ich nahezu unverschämtes Glück mit meiner Schullektüre hatte.
Montagsfrage auf dem wortmagieblog
Liebe Grüße,
Elli
Hey Elli,
Löschendas freut mich! Genau dafür war die Frage gedacht, auch wenn ich leider nicht so viel Positives zu berichten hatte wie du.
Wie schön, dass du dich mit so tollen Werken beschäftigen durftest! "Das Tagebuch der Anne Frank" bietet meiner Meinung nach jede Menge Anknüpfungspunkte, genau wie "Das siebte Kreuz". Beide Bücher habe ich nicht als Schullektüre gelesen, sondern bin erst später darauf gestoßen. Auch "Das Parfüm" hat mir ganz wunderbar gefallen - das hätte ich tausend Mal lieber gelesen als "Der goldene Topf".
Was "Nathan der Weise" angeht kann ich dir nur zustimmen. Das ist mal wieder ein Werk, dessen (wenn auch nicht ganz irrelevante) Message man nur versteht, wenn man es bis zur Unkenntlichkeit zerpflückt. Auch bei Kafka bin ich deiner Meinung - ich verstehe den Reiz seiner Werke bislang auch nicht.
Liebe Grüße
Sophia
Guten Morgen zusammen,
AntwortenLöschenich bin mal gespannt, wie oft Faust genannt wird ;) In meinem Fall vermutlich in einem eher ungewöhnlichen Zusammenhang.
Einen guten Start in die Woche
Frank
Hey Frank,
Löschendas klingt ja echt nach einem Traum. Ich hätte so viele Ideen für Bücher gehabt, die es wert gewesen wären, in der Klasse zu lesen... ;-)
Liebe Grüße
Sophia
PS: Ich bin auch sehr gespannt, wie oft und in welchem Kontext heute noch der "Faust" fällt.
O je, eine schwierige Frage. Ich glaube, ich habe meine Schulzeit verdrängt. Hier mein Versuch einer Antwort:
AntwortenLöschenhttps://aequitasetveritas.wordpress.com/2022/02/21/montagsfrage-325/
Hey,
Löschenich finde es auch schade, dass die Definition lesenswerter Bücher der Schule so sehr auf vorzeitliche Klassiker beschränkt ist und nur äußerst wenig zeitgenössische Literatur behandelt wird. Wäre ich nicht schon von klein auf eine Leseratte gewesen, hätte mich der Deutschunterricht wohl eher abgeschreckt...
Liebe Grüße
Sophia
Hallo Sophia^^
AntwortenLöschenEinen schönen Montag wünsche ich dir! Achja, Schullektüren, man kann gute oder schlechte Erinnerungen daran haben - oder beides. Bin jetzt auch mal gedanklich durch meine Schulzeit gegangen und hab versucht mich daran zu erinnern, welche Romane wir alles gelesen haben. Mir sind doch mehr eingefallen, als ich dachte, auch, wenn es vermutlich nicht alle waren.
Wie dem auch sei, hier ist mein Beitrag: https://blog.kiranear.moe/2022/02/montagsfrage-210-schullekturen.html
Sorry, er ist heute ein wenig länger geworden^^°
Lg,
Kira
Hey Kira,
Löschenja ich denke auch, dass es einen großen Unterschied macht, in welcher Lebensphase und in welchem Kontext einem so ein Klassiker über den Weg läuft. Wenn man als Teenie so etwas und dann auch noch unter Zwang vorgesetzt bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man es mag natürlich viel geringer, als wenn man es ein paar Jahre später in Eigenmotivation selbst entdeckt.
Liebe Grüße
Sophia
Guten Morgen liebe Sophia,
AntwortenLöschenich bin heute auch wieder mit dabei. Wirklich erinnern kann ich mich an die, die ich gehasst habe, nicht mehr so wirklich. Ist ja auch schon eine gaaaaanze Weile lang her. *lach*
Aber das Buch, dass mich am meisten geprägt hat, auch was mein Leseverhalten angeht, das habe ich gefunden.
Montagsfrage
Liebe Grüße
Melanie
Hey Melanie,
Löschenwie schön, dass du in der Schule schon ein Buch kennenlernen konntest, dass dich solange begleitet hat. Das sind doch die besten!
Liebe Grüße
Sophia
Na, da bin ich mal auf die gesammelten ANtworten gespannt :)
AntwortenLöschenhttps://minorherba.wordpress.com/2022/02/21/montagsfrage-schullektuere/
Hey Herba,
Löschenwie schön, dass du diese Woche wieder dabei bist!
Ich glaube, dass es sehr darauf ankommt, wie die jeweilige Lehrkraft die Werke verkauft ;-) Also schön, dass du aus dem LK was mitnehmen konntest!
"Effie Briest" fand ich auch toll!
Liebe Grüße
Sophia
Bei mir sind die schullektüren schon ganz schön lange her, aber bei meinen Kindern ist das ja immernoch Thema. Und da werden wohl auch mal neuere Bücher gelesen....
AntwortenLöschenhttps://streifisbuecherkiste.wordpress.com/2022/02/21/montagsfrage-12-schullekturen/
LG
STreifi
Huhu,
Löschenwie schön, dass du die heutige Frage gleich aus zwei Perspektiven beantworten kannst! Mein eigenes Abitur ist ja erst (oder soll ich sagen, auch schon wieder) drei Jahre her, also sind meine Erinnerungen noch ein wenig frischer. Ich bin schon gespannt, was ich in 30 Jahren über meine Schullektüren denken werde. Nicht viel wahrscheinlich ;-)
Stimmt, "Jugend ohne Gott" und "Die Welle" sind mittlerweile zwei sehr beliebte Lektüren und gerade in der Unterstufe hat sich da einiges getan. Leider haben die Lehrkräfte in den höheren Klassen nur wenig Spiellraum, weil manche Pflichtlektüren einfach im Bildungsplan vorgegeben sind. Bis wir den "Faust" los sind, wird es denke ich noch einige Jährchen dauern... ;-)
Liebe Grüße
Sophia
Gute zehn Stunden, nachdem ich angefangen habe, bin ich nun auch endlich mal dazu gekommen, meine Antwort zu beenden:
AntwortenLöschenhttps://schriftweise.wordpress.com/2022/02/21/montagsfrage-12-schullekture-2208/
Hey Chris,
Löschenich habe tatsächlich ebenfalls zu den Klassikern, die ich selber für mich entdecken und aus Eigenantrieb lesen konnte, eine viel bessere Beziehung als zu denen, die ich in der Schule kennengelernt und auf Zwang zerpflückt habe. Zu Kafka finde ich aber nach wie vor einfach keinen Zugang. Kannst du mir da ein Werk empfehlen?
Liebe Grüße
Sophia
Hallo Sophia,
AntwortenLöschendas ist ja mal eine spannende Frage. Ihr habt ja viel in der Schule gelesen. Das war bei uns auf jeden Fall nicht so.
Hier ist mein Beitrag:
https://www.buchbahnhof.de/montagsfrage-12-2022-schullektuere/
LG
Yvonne
Hey Yvonne,
Löschenwir haben seit der 5. Klasse jedes Jahr mindestens eine Lektüre im Unterricht gelesen (Fremdsprachen und Grundschule nicht miteinberechnet). Da kommen bei 8 Jahren Gymnasium also einige zusammen...
Ich hatte tatsächlich erwartet, dass diese Woche der "Faust" noch öfter fallen würde ;-) Das scheint ja ein Klassiker zu sein, der sehr weit verbreitet für Unmut über Generationen von SchülerInnen hinweg gesorgt hat ...
Die anderen von dir genannten Lektüren kenne ich tatsächlich gar nicht ^^
Liebe Grüße
Sophia