Sonntag, 14. Juli 2024

Serienempfehlung: The Night Agent

Auf die Empfehlung von meinem Bruder hin habe ich vergangene Woche als ich krank war die Netflix Thrillerserie "The Night Agent" begonnen. Erst nachdem ich die 10 Folgen der bisher erschienenen Staffel 1 gesehen habe, habe ich online gelesen, dass es sich dabei um die Adaption von Matthew Quirks gleichnamigen Roman handelt und sowohl Roman als auch Serie im vergangenen Jahr total erfolgreich waren. Ehrlich gesagt hatte ich aber zuvor von beidem noch nie gehört. Ich bin also ein bisschen late-to-the-party, aber umso mehr hat mich gefreut zu sehen, dass eine Fortsetzung bereits bestellt und sogar abgedreht ist! Ich scheine die Serie also zum genau richtigen Zeitpunkt entdeckt zu haben...

Darum geht´s:

Niemand ist überraschter als FBI-Agent Peter Sutherland (Gabriel Basso), als er nach einem beherzten Eingriff bei einem Metro-Anschlag dazu ausgewählt wird, im Lagezentrum des Weißen Hauses zu arbeiten. Allerdings besteht Peters Aufgabe darin, Nacht für Nacht in einem Kellerraum Akten zu wälzen und eine Notrufleitung des Night Agent Programms zu überwachen, die noch nie – und vielleicht auch niemals – genutzt wurde. Bis heute Nacht. Um 1:05 Uhr klingelt das Telefon und stellt sein gesamtes Leben auf den Kopf. Am anderen Ende der Leitung ist eine verängstigte junge Zivilistin namens Rose Larkin (Luciane Buchanan), die um ihr Leben fürchtet und völlig verzweifelt nach jemandem sucht, der ihr glaubt und Schutz gewährt. Gemeinsam mit Rose stolpert Peter in eine Verschwörung, die sich durch die Ränge des FBI bis in die höchsten Ränge der amerikanischen Regierung zieht. Plötzlich ist nicht mehr nur von Terrorgefahr die Rede, sondern von einem gezielten Anschlag - und einem Maulwurf im Weißen Haus...


Das denke ich zur Serie:

Verschwörungs-Agenten-Thriller genieße ich normalerweise eher mit Vorsicht. Zu übertrieben, sexistisch, actiongetrieben, einem Heldenkomplex folgend und unlogisch ist oft der Plot. "The Night Agent" ist jedoch erfrischend intelligent und geradlinig erzählt und konnte mich damit gut unterhalten und mitreißen!

Zunächst ist festzuhalten, dass die Serie grundsätzlich das Genre natürlich nicht neu erfindet. Geheimagenten, eine Verschwörung auf den höchsten politischen Ebenen, einen Anschlag, den es zu verhindern gilt, eine geheimnisvolle Vergangenheit des Protagonisten und jede Menge Unklarheit, wem man vertrauen kann - das klingt wie jede andere Geschichte dieses Genres. Allerdings ist "The Night Agent" anders als viele dieser anderen Geschichten toll erzählt. Das beginnt schon beim sehr ausgeglichenen Verhältnis von Action zu anderen Handlungselementen wie Dialoge oder Figurenarbeit. Anders als in anderen Serien des Genres explodiert nicht alle zwei Minuten sinnlos etwas, sondern die Action- und Kampfszenen erfüllen alle einen wichtigen Zweck und lassen ansonsten Raum für ein eher gemäßigtes Erzähltempo. 

Obwohl die Ungewissheit und Bedrohung der Situation die Spannung durchgängig hoch halten, nimmt sich die Serie genügend Zeit, die Figuren glaubhaft zu vermitteln, Hintergründe durch regelmäßige Rückblenden zu erkunden, Sympathien aufzubauen und den ZuschauerInnen somit auch genügend Gelegenheiten für eigene Theorien und Rätselraten zu geben. Damit erreicht der Plot meiner Meinung nach eine für die Spielzeit absolut angemessene Komplexität. Die Wendungen und Zusammenhänge sind hier weder zu kompliziert, abgefahren und absolut unlogisch, noch zu simpel, oberflächlich und leicht zu durchschauen. Man kommt beim Schauen gut mit, kann selbst miträtseln und auf die ein oder andere Wendung kommen, wird aber auch immer wieder angenehm überrascht. 

Durch die Rückblenden und das angenehme Erzähltempo haben die Figuren auch die Möglichkeit, rational und nachvollziehbar zu handeln, statt blind von einer Katerstrophe in die nächste zu rennen. Dadurch kann man über die 10 Folgen hinweg eine gute Beziehung zu ihnen aufbauen, auch wenn die schauspielerischen Leistungen zwischen hervorragend bis mittelmäßig rangieren - während Hauptfigur Peter in seiner emotionalen Bandbreite stark eingeschränkt erscheint, konnten mich vor allem Nebenfiguren wie Chelsea Arrington (Fola Evans-Akingbola), Diane Farr (Hong Chau) und Maddie Redfield (Sarah Desjardins) sehr überzeugen. Selbst die Antagonisten und ein Auftragskiller-Pärchen bekommen hier immer wieder Screentime und dürfen von ihren Erlebnissen und Wünschen erzählen. Besonders letztere lockern die Geschichte immer wieder angenehm auf und verleihen der Geschichte ein wenig dringend benötigte Originalität. 

Zuletzt ist positiv anzumerken, dass es sich hier zwar um einen Politthriller handelt, dieser jedoch selbst nicht politisch wird oder irgendeine Botschaft vermitteln möchte. Die grundlegende Perspektive ist zwar ur-amerikanisch, da es um das FBI, den Secret Service, das Weiße Haus und Patriotismus geht, konkrete andere Länder oder Parteien werden allerdings nie genannt (so ist zum Beispiel auch auf die namentliche Nennung Russlands als politischer Gegner wie das im Buch der Fall war verzichtet worden) und auch abseits dessen ist die Handlung endlich mal schön ausgeglichen und folgt zur Abwechslung mal nicht einem sexistischen Helden-Mythos á la James Bond. Rose ist als gleichberechtigte weibliche Hauptfigur angelegt, die nicht nur ein hübscher Side-Kick und schon gar keine "Damsel in Distress" ist, sondern mitkämpft, Peter ab und zu auch mal das Leben retten darf und ihre Fähigkeiten als Cyber-Security-Expertin miteinfließen lässt. Auch die Präsidentin und einige der Antagonistinnen sind in diesem Szenario weiblich und verschiedene gesellschaftliche und ethnische Schichten sind ebenfalls repräsentiert. Erneut: James Bond could never!

Das Ende ist recht abgeschlossen, da alle inhaltlichen Punkte der ersten Staffel aufgegriffen und jede Gefahr gebannt wurden. Die Ausgangslage ermöglicht jedoch Raum für weitere Fortsetzungen, was Netflix nach dem Erfolg von Staffel 1 wohl auch plant. Ich bin auf jeden Fall gespannt auf die nächste Staffel, die vermutlich sogar noch 2024 erscheinen wird!

Mein Urteil:

Eine spannende Politthriller-Serie, die das Genre zwar nicht neu erfindet, deren Verhältnis von Action zu Rückblicken, Rätselraten und Figurenarbeit aber angenehm ausgeglichen ist. 


Zum Trailer:


Bild-Quellen: Moviepilot

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