Bei Klassikern stellt sich für mich immer die Frage - behalte ich das Buch und werde es vielleicht nochmal lesen oder reicht für mich die einmalige Lektüre und sortiere es aus? Das antike Drama "Antigone" von Sophokles aus der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. fällt für mich leider eher in die letzte Kategorie...
Mein Eindruck
Im Zentrum des Dramas steht ein moralisches Dilemma, das aktueller kaum sein könnte: Soll man dem aktuellen staatlichen Gesetz gehorchen oder stattdessen einer höheren, ethischen Pflicht folgen? Hauptfigur Antigone, die Tochter des Ödipus, muss sich diese Frage stellen, als ihr Onkel Kreon, der neue Herrscher von Theben, verbietet ihren gefallenen Bruder Polyneikes zu bestatten, da dieser als Staatsfeind gilt. Als sie sich dazu entscheidet, dem Weg der Götter zu folgen und sich über das Gesetz hinwegzusetzen, wird sie zum Tode verurteilt. König Kreon kann zwar umgestimmt werden, seine Einsicht kommt allerdings zu spät.... "Antigone" will also zum Nachdenken anregen über Gerechtigkeit, Gewissen, Macht und Ohnmacht; über das Spannungsfeld zwischen individueller Moral und staatlicher Ordnung; und über die Frage, wie weit man gehen darf (oder muss), um dem eigenen Wertesystem treu zu bleiben – selbst wenn es das eigene Leben kostet.
"Allen Segens Anfang heißt Besinnung, was der Götter ist entweihe keiner! Überhebung büßt mit großem Falle, dem Alter zur Besinnung."
Was mich an dieser Tragödie beeindruckt, ist ihre Klarheit und Kompromisslosigkeit. Antigone lässt sich nicht beugen, nicht abbringen, nicht aufhalten in ihrem Plan und ihren Werten. Damit ist sie gleichzeitig eine der frühesten Frauenfiguren der Literatur, die aktiv gegen männliche Autorität aufbegehrt. Gut endet das für sie zwar nicht, aber immerhin behält sie ihre Integrität und Selbstbestimmung bis zum Ende, was deutlich mehr ist, als man über viele andere weibliche Figuren der Literaturgeschichte sagen kann.
Ausgereicht, um mir das Drama wirklich schmackhaft zu machen, hat dies aber leider nicht. So faszinierend der moralische Konflikt, so eindrücklich die Sprache (besonders angesichts des Alters des Textes), so hoch die Tragweite der Themen – für mich persönlich bleibt der Zugang zum Originaltext eher sperrig. Ich liebe griechische Mythen, aber lieber in moderner Nacherzählung als in alter Tragödienform. Die starren Chorpassagen, das Pathos, die Distanz zu den Figuren, das alles hat es mir schwer gemacht, emotional wirklich einzutauchen.
Fazit
Antigone ist ein Klassiker mit starker Botschaft und einer bemerkenswert unbeugsamen Heldin – für mich persönlich aber eher ein „einmal reicht“-Lektüreerlebnis.
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