Allgemeines
Titel: Zukunftsrepublik
AutorInnen: 80 VerfasserInnen
Verlag:
Campus (1. Januar 2021)
Genre: Sachbuch
Seitenzahl: 350 Seiten
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Inhalt
Um ein Land zukunftsfähig zu machen, braucht es vor allem eines: kreative Köpfe, die über das Morgen hinausdenken. Darum haben die Herausgeberinnen und Herausgeber 80 herausragende Persönlichkeiten zusammengebracht, die unsere Zukunft mit ihren Ideen entscheidend prägen werden.
Das Buch ist ein Feuerwerk an Zukunftsvisionen, persönlichen Einschätzungen und Wegweisern für die sechs Kategorien Bildung, Wirtschaft, Arbeit, Gesundheit, Politik und Gesellschaft.
Bewertung
Dieses spannende Sachbuch, das Essays von 80 VorausdenkerInnen Deutschlands zu den unterschiedlichsten Themen enthält, habe ich auf der Frankfurter Buchmesse mitgenommen und erhoffte mir davon etwas Denkfutter für die Feiertage. Das Konzept des Buchs klang vielversprechend: Ein Sammelwerk mit kurzen, prägnanten Impulsen für die großen Herausforderungen unserer Zeit mit dem Ziel, einen Kontrapunkt gegen die "German Angst" und Zukunftspessimismus zu setzen. Tatsächlich war auch viel Spannendes dabei, als Ganzes konnte mich "Zukunftsrepublik" aber nicht überzeugen.
Zunächst wie immer ein paar kurze Worte zur Gestaltung: Das Buch präsentiert sich modern und aufgeräumt mit einem Cover in kühlem Blau mit gelbem Titel in Großbuchstaben und minimalistischen Linien. Überschriften und Kästen sind auch innerhalb des Buches in blau hervorgehoben und Trennseiten mit Illustrationen gliedern das Buch. Ein praktisches Lesebändchen rundet das durchdachte Design ab.
Eingeteilt in die sechs großen Überkategorien Arbeit, Bildung, Gesellschaft, Gesundheit, Politik und Wirtschaft enthält das Sammelwerk 80 einzelne Beiträge, die auf jeweils wenigen Seiten im Stil eines freien Essays die Visionen der jeweiligen AutorInnen für das Jahr 2030 enthalten. Gefolgt von einer Zusammenfassung mit Zukunftsbausteinen, die für das Erreichen dieser Vision umgesetzt werden sollten und einer kurzen Vita der jeweiligen VerfasserIn bekommt man bündig und leicht zugänglich einen Eindruck von der jeweiligen Idee.
Dabei waren wirklich spannende Texte dabei und besonders im Bereich "Gesellschaft" und "Gesundheit" haben mich viele Essays wie beispielsweise der von Eckart von Hirschhausen oder Florian Langenscheidt überzeugt. In diesen und anderen inhaltlich interessanten Texten geht es beispielsweise um die Wichtigkeit von Klimaschutz und lebenslangem Lernen, Ansätze für die dringend benötigte Reform von Bildungs- und Gesundheitssystem, der zunehmenden Flexibilisierung von Arbeit und dem damit verbundenen Wandel von Arbeitsorten und Rahmenbedingungen, neue Mobilitätskonzepte und die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit von Diversität und Toleranz.
Allerdings entstehen bei 80 einzelnen Texten unweigerlich etliche Wiederholungen und Überschneidungen. Besonders in den Kapiteln zu "Bildung" und "Arbeit" wiederholen sich dieselben Ideen und Argumente so häufig, dass ich dazu überging, nur noch selektiv zu lesen und ausschnittsweise die Zukunftsbausteine zu überfliegen. Hier hätte eine gezielte Auswahl, eine Beschränkung der Beiträge zu einem Thema oder ein inhaltliches Strukturieren nach Schlagworten meiner Meinung nach mehr Sinn ergeben.
Ein weiteres zentrales Problem des Herausgeberwerks ist, dass die Menge an unterschiedlichen AutorInnen sich leider nicht in einer bunt ausdifferenzierten Zukunftsvision widerspiegelt. Statt einer ausgewogenen Vielfalt an Denkansätzen zieht sich ein deutlich neoliberaler Fokus durch die meisten Beiträge. Themen wie Start-ups, Erleichterungen bei Unternehmensgründungen, Digitalisierung und technischer Fortschritt dominieren, während soziale Aspekte, menschliche Variablen oder alternative Berufsbilder, deren Probleme sich nicht durch mehr technische Schnittstellen und Start-Up-Gründungen lösen lassen, kaum Beachtung finden. Besonders die Abschnitte "Wirtschaft" und "Bildung" lesen sich leider wie aus einem FDP-Wahlprogramm entnommen. Hier hätten die HerausgeberInnen Marie-Christine Ostermann, Céline Flores Willers, Miriam Wohlfahrt, Daniel Krauss, Andreas Rickert und Hauke Schwiezer dringend auf eine ausgewogenere Auswahl der sogenannten VorausdenkerInnen achten müssen.
Eine weitere Schwäche des Sammelbandes ist die zeitliche Terminierung der Visionen auf das Jahr 2030. Beim Erscheinen des Buchs im Jahr 2021 mochte das Zieljahr 2030 noch in weiter Ferne gelegen haben. Doch mittlerweile, Anfang des Jahres 2025, wirken die formulierten Visionen häufig wie unrealistische Spielereien. Für die Realisierung der erhofften Veränderungen im Sinne einer utopischen Zukunftsvision, in der wir in Flugtaxis durch unsere grünen, nachhaltig gebauten Städte fliegen, Roboter die Wertschöpfung übernehmen und wir uns ganz auf unsere persönliche Weiterentwicklung konzentrieren können, wirken fünf Jahre geradezu lächerlich kurz. Vor allem angesichts des aktuellen politischen Klimas, in dem rechts-konservative Kräfte überhand zu nehmen scheinen und Fortschritt und Veränderungswille sowieso in den Hintergrund zu treten drohen...
Fazit
"Zukunftsrepublik" ist die noch stark ausbaufähige Umsetzung einer tollen Idee, die das Potenzial hat, mit einer Mischung aus persönlichen Einschätzungen, Zukunftsvisionen und praktischen Handlungsvorschlägen zu inspirieren, die Angst vor kommenden Herausforderungen zu nehmen und konkrete Wegweiser für die Zukunft zu liefern. Auch wenn es interessante Ideen und sehr gelungene Beiträge beinhaltet, ist es als Ganzes doch durch Wiederholungen, die starke neoliberale Prägung und die oft spielerische Herangehensweise begrenzt und wirkt als Zukunftsleitfaden zu eindimensional und zu wenig fokussiert.
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