Wer nicht hinterm Mond lebt, ein Serienhasser ist oder zu den armen Seelen gehört, die kein Netflix haben, wird vermutlich schon von dieser Serie gehört haben: "The Witcher" wurde von Netflix nach dem erfolgreichen Computerspiel und der fünfbändigen Fantasy-Reihe von Andrzej Sapkowski konzipiert und galt lang als DER Nachfolger für "Game-of-Thrones". Da mich der große Hype neugierig gemacht hat, ich nach der Absetzung von Grimm (danke auch Netflix, grrr) sowieso eine neue Obsession benötigte und noch mit dem Serie-Tief zu kämpfen hatte, das das Ende von GOT in mir hinterlassen hat, habe ich guter Hoffnung auch diese Serie angefangen. Auch wenn sie durchaus sehenswert ist, konnte sie in der ersten Staffel aber meine Erwartungen gar nicht erfüllen.
Worum geht´s?
Der mutierte Hexer Geralt von Riva kämpft um einen Platz in der Welt und für
Gold gegen gefährliche Monster. An seiner Seite verkündet der Barde
Rittersporn seine Heldentaten. Immer wieder begegnen diebeiden der Magierin
Yennefer van Vennerberg, die mit ihrem Schicksal kämpft, das genau wie Geralts
mit dem der jungen Thronerbin Cirilla verbunden zu sein scheint, welche nach
der Zerstörung ihrer Heimat vor der nilfgaardischen Armee flüchtet und
besondere Kräfte zu haben scheint.
Warum sollte ich mir die Serie ansehen?
Mittelalterliche Fantasy, slawische Mythen, gefährliche Monster, ein grimmiger
Held, eine schöne Magierin, eine mutige Prinzessin und ein Netz aus
Intrigen... Das klingt doch schon mal nach einer ganz ordentlichen Grundlage
für eine epische Serie, oder nicht? Und die Grundlage ist auch nicht wirklich
das Problem, sondern viel mehr die Erzählweise. Die erste Staffel basiert auf
zwei Kurzgeschichten ("Der letzte Wunsch" und ein Ausschnitt aus "Das Schwert der Vorsehung"), sowie Teilen des ersten Bandes der Pentalogie "Das Erbe der Elfen", während die weiteren fünf geplanten Staffeln jeweils einen ganzen Band der
Reihe abdecken sollen. Und wie hat Netflix diese Kurzgeschichten auf 8 Folgen
mit im Schnitt ca. 50 Minuten Laufzeit gestreckt? Nun ja, mit drei
undurchsichtigen Handlungssträngen, horizontaler und vertikaler Erzählweise
und viele Gewalt- und Sexszenen.
Das will ich keineswegs verurteilend abtun - in "Game of Thrones" hat
dieses Konzept schließlich auch wunderbar gewirkt. Bei dem Fokus auf die zwei
großen "Gs" der Filmgeschichte (Gewalt und Geschlechtsverkehr ^^) und dem
mittelalterlichen Setting hören die Gemeinsamkeiten zur Über-Serie "Game of Thrones" aber auch schon wieder auf. Denn statt langsam in eine komplexe
Fantasy-Welt einzuführen und ein verzweigtes Handlungsgefüge zu entwickeln,
wird der vorkenntnislose Zuschauer mit der Welt in "The Witcher"
hilflos alleine gelassen. Keine Karte, keine Namenserklärungen, keine lineare
Erzählzeit helfen zu verstehen, wer oder was jetzt eigentlich
"Nilfgaard" ist, warum die Festung "Kaer Morhen" von so großer
Bedeutung ist, was der Unterschied zwischen Magiern und Hexern ist und warum
Geralt von Riva (so scheint es zumindest) die Gesichtsmuskeln entfernt wurden.
Zusätzlich verkompliziert die wirre Erzählweise den Einstieg in die
Geschichte. Es laufen drei Handlungsstränge auf teils unterschiedlichen
Zeitebenen parallel und auch innerhalb dieser Ebenen werden immer wieder
Zeitsprünge und Ortswechsel vorgenommen, welche niemals als solche
gekennzeichnet werden, sodass man sehr leicht den Überblick verliert und die
Folgen bald zu einem einzigen Durcheinander aus düsteren, mystischen Szenen
verschwimmen, die scheinbar miteinander zusammenhängen. Vielfalt und
Handlungstiefe wie in GOT gibt es hier also leider nicht und der Eindruck von
Komplexität kommt wohl nur durch die verwirrende Erzählweise zustande.
Während ich also versucht habe, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen
Szenen und Handlungsstränge zu erkunden und ein wenig Ordnung in den
Handlungsablauf zu bekommen, wartete ich auf die große Erleuchtung am Ende,
darauf, dass in einer plötzlichen Wendung die Verbindung zwischen den
Handlungssträngen enthüllt wird und den Geschehnissen einen tieferen Sinn
verliehen wird. Ich hatte so tolle Theorien von Liebschaft, Verwandtschaft,
Magie und Intrigen... doch anstatt mich mit einer erwarteten Enthüllung
umzuhauen, plätschert die Handlung weiter vor sich hin und wir erhalten als
"großes Finale" eine scheinbar total unnötige Schlacht, in der ungefähr die
Hälfte der Protagonisten stirbt und noch mehr Fragen.
Das klingt bislang alles sehr negativ und auch wenn ich von diesen negativen
Aspekten wirklich angenervt war, spricht aus mir mehr die Enttäuschung als die
Abneigung. Denn trotz dass meine Erwartungen (vielleicht waren sie durch den
ständigen Vergleich mit GOT auch ein wenig überhöht?) nicht erfüllt wurden,
hatte ich Spaß beim Schauen dieser Serie. Die Spezialeffekte sind toll, die
Actionszenen sind wunderbar choreografiert, die Musik ist einfallsreich
eingesetzt und die Schauspieler gestalten die Protagonisten überzeugend. Vor
allem hat mir aber der trockene Humor gefallen, der zwar manchmal ein wenig
fehl am Platz wirkt, die grausame, düstere Handlung aber gekonnt auflockert.
Geralt von Riva (Supermandarsteller Henry Cavill) ist ein weiteres
Argument, die Serie anzuschauen. Er ist wohl (neben der Fragen was zum Teufel
Nilfgaard ist) DAS Mysterium der Serie und verzaubert die Zuschauer als
großer, undurchschaubarer Unbekannter voller Geheimnisse, der nicht besonders
viel redet (außer mit seinem Pferd) und sich nicht in die Karten schauen
lässt. Dass er mit seiner sparsamen Mimik (wirklich SEHR sparsam ;-)), seinem
stechendem Blick und dem durchtrainierten Körper der dank der vielen
Nacktszenen häufig zu sehen ist, vor allem die weiblichen Zuschauer in den
Bann zieht ist natürlich ein angenehmer Nebeneffekt.
Mein Lieblingshandlungsstrang war jedoch Yennefers (Anya Chalotra) Weg
von der verkrüppelten Bauerntochter zu einer mächtigen, wunderschönen
Magierin, auch wenn diese Entwicklung leider total überhastet ablief. Etwas
mehr Zeit nimmt die Serie sich dagegen für die junge Prinzessin Ciri (Freya Allan), die dank einer glaubwürdigen Mischung aus Verletzlichkeit, Mut, Naivität
und Starrsinn schnell ans Herz wächst.
Alles in allem kann ich die Serie für Fantasy-Fans durchaus weiterempfehlen
mit dem eindrücklichen Hinweis, sich nicht vom konfusen Handlungsaufbau
verwirren zu lassen und eine der hilfreichen Grafiken im Fandom-Wiki zur Hand
zu nehmen wenn man mal wieder nicht versteht, wer was wann warum gemacht hat.
Ich werde auf jeden Fall der zweiten Staffel noch eine Chance geben - vor
allem da ich gehört habe, dass diese stringenter erzählt und mit mehr Inhalt
gefüllt werden soll.
Ergänzungen nach der zweiten Staffel: Da ich die Staffel 2 erst nach dem Schreiben dieser Serienempfehlung gesehen habe, folgen hier noch einige Ergänzungen. Bevor ich mich an die zweite Staffel zu "The Witcher" gesetzt habe, die ja im Dezember 2021 ENDLICH erschienen ist, wollte ich mit einem Rewatch der ersten meine Erinnerungen auffrischen. Doch dieser Rewatch entpuppte sich nicht nur als gute Möglichkeit, mich wieder ins Witcher-Universum zu denken, beim zweiten Mal Sehen ergab auch die verwirrende Handlung endlich SINN! Geht man mit dem Wissen um die Zeitverschiebungen der Handlungsstränge in die Serie hinein, kann man der Handlung inhaltlich viel besser folgen und versteht endlich auch die großen Zusammenhänge, die mir beim ersten Mal sehen noch schleierhaft waren. Mit diesem besseren Hintergrundverständnis hatte ich auch gleich viel mehr Lust auf die zweite Staffel! Diese beginnt dann dort, wo Staffel 1 aufgehört hat: mit dem ersten Treffen von Ciri und Geralt. Auch wenn auch in Staffel 2 einige verwirrende Erzählelemente wie Visionen, Vorgriffe, Träume und Geisteswanderungen eingesetzt werden, ist sie um einiges stringenter erzählt. Ein besonderes Highlight war für mich aber die Beziehung zwischen Ciri und Geralt, die hier einen überraschend großen Raum einnimmt und die Chance bietet, Geralts Hintergrundgeschichte zu seiner Kindheit, seiner Herkunft und der Entstehung der Witcher zu erzählen sowie seine Charakterisierung weiter zu vertiefen. Auch Yennefers Weg geht natürlich weiter und verstrickt sie weiter mit den politischen Interessen der Magier, Nilfgaards und der Elfen... Insgesamt bekommt Staffel 2 also einen großen Daumen nach oben!
Ergänzungen nach der dritten Staffel: Auch vor Erscheinen der dritten Staffel habe ich einen Rewatch eingelegt, um ganz in die Handlung eintauchen zu können. Genau wie beim ersten Rewatch habe ich auch nun beim erneuten Ansehen viele Zusammenhänge besser verstanden und konnte auf deutlich mehr Details achten. "The Witcher" ist für mich also offiziell eine Serie, die besser wird, je öfter man sie schaut. Doch nun direkt zur dritten Staffel, die wieder eine komplexe Geschichte erzählt, die sich über zahlreiche Handlungsstränge, über viele Nebenfiguren und auf etliche Nebenschauplätze erstreckt. Während Ciri, Geralt und Yennefer weiterhin auf der Flucht sind und als Familie mehr zusammenwachsen, plant das Kaiserreich Nilfgaard um "weiße Flamme" Emir, Ritter Cahir und Magierin Fringilla weiterhin die Invasion der nördlichen Königreiche. Das Königreich Redanien kann sich nicht so recht entscheiden, auf welcher Seite es stehen möchte und schmiedet fleißig Komplotte, die Elfen rund um Francesca suchen immer noch nach einer Heimat und die Magier in Aretusa suchen einen geheimnisvollen Verräter... In den 8 Folgen muss man also wieder höllisch aufpassen, während der temporeichen und vielschichtigen Handlung inhaltlich mitzukommen. Damit sind der Unterhaltungswert und die Spannung natürlich gesichert, an einigen Stellen hat mir aber etwas ein roter Faden zwischen all den Handlungssträngen gefehlt. Zwischendurch gibt immer mal wieder sehr ausführliche Folgen, in denen die Handlung wenig vorankommt (beispielsweise Ciris Soloshow in der Wüste in Folge 7 oder Folge 5, die sich ausschließlich um eine Ballnacht dreht) und dann wieder riesige Handlungssprünge zwischen den Folgen, bei denen man denkt, man hätte etwas verpasst. Außerdem erscheint nicht immer als logisch. Figuren erscheinen immer wieder zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort, während andere immer wieder aus dem Nichts ihre Seiten wechseln (z.B. Cahir!!!), ohne das das in irgendeiner Weise vorbereitet wäre. Auch die große Wendung, wer der geheime Bösewicht im Hintergrund ist, habe ich leider vorhergesehen. Im letzten Drittel gibt es dann sehr viele Actionszenen, während Emotionales leider etwas auf der Strecke bleibt. Positiv steht diesem gemischten Eindruck die tolle Optik gegenüber. Bis auf ein, zwei Perücken-Fails ist Staffel 3 wieder toll choreografiert, gespielt und ausgestattet! Das Ende lässt einiges offen und bietet mit der Einführung der Ratten-Bande Anknüpfungspunkte für das geplante Spin-Off. Ob ich die Serie weiterhin verfolgen werde, wenn Hauptdarsteller Henry Cavill in Staffel 4 gegen Liam Hemsworth ausgetauscht wird, muss ich erst noch abwarten...
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