Dienstag, 27. Oktober 2020

Das Kowalski-Protokoll - Todesfeature



Allgemeines:

Titel: Das Kowalski-Protokoll - Todesfeature
Autor: Armin Weber
Genre: Science-Fiction
Verlag: Selfpublished (21. Juli 2020)
Seitenzahl: 371 Seiten
ISBN-13: 979-8668092604
ASIN: B08BYWDSCB
Weitere Bände: in Arbeit
Preis: 2,99€ (Ebook)
10,99€ (Taschenbuch)

Inhalt:

Pitt Kowalski, Captain der Chariot, fliegt mit seiner Crew nach elf Monaten im Weltraum und einem folgenschweren Einsatz zurück zum Erdmond, seiner Heimatbasis. Unterwegs erreicht ihn von dort ein Missionsbefehl: Er soll sich mit einem Sonderteam zum Mars begeben. In Ares City, der Hauptkolonie, kommen Menschen offenbar gewaltsam ums Leben. Der Funkkontakt dorthin ist abgebrochen. Der Befehl lautet: Aufklären, das Sterben beenden und die noch lebenden Kolonisten retten.
Als Pitt dämmert, womit er es zu tun hat, ist es beinahe zu spät: Für die Kolonisten, ihn und Zelinda Moretti, eine Erdfrau, die Gefühle in ihm auslöst, die er bisher nicht kannte.
Für sie alle beginnt ein Kampf auf Leben und Tod. Wird es Pitt und dem Team gelingen, die Bewohner - und sich - zu retten?


Bewertung:

Wenn ihr aufmerksame Verfolger meines Blogs seid, wisst ihr, dass Armin Weber mich schon mit seiner unkonventionellen und spannenden "Exoplanet"-Trilogie überzeugt hat und ich beim Vorschlagen der Motive und dem Lektorat des dritten Teils nicht ganz unbeteiligt war. Umso mehr freut es mich, dass ich auch bei seiner neuen Science-Fiction-Reihe wieder meinen Senf als Testleserin dazugeben durfte. Und wieder einmal ist mein Urteil: Die Geschichte ist wieder ein wirrer Genremix voller origineller Ideen, überraschende Wendungen, fesselnder Action und schockierende Szenarien, die es sich trotz einiger Schwächen zu lesen lohnt!

Das Cover entführt gleich in eine futuristische Science-Fiction-Welt, in der der rote Planet mit einer Kolonie besiedelt ist. Der rote Staub, die Sterne am Himmel, die hohen Türme einer Stadt und das anfliegende Raumschiff schreien sofort "Mars-Abenteuer" und machen Lust auf die Geschichte. Der weiße Titel hebt sich in Großbuchstaben deutlich vom Hintergrund ab und gefällt mir nach dem Lesen sogar noch viel besser als vorher. „Das Kowalski-Protokoll – Todesfeature“ hat einen hohen Wiedererkennungswert, verrät noch nicht zu viel über die Geschichte, wird aber nach dem Lesen in vollkommen anderem Licht betrachtet und fasst die Handlung treffend zusammen.  

Erster Satz: "Pitt Kowalski zog den Zeigefinger aus dem Ohr und schmierte ihn verstohlen am Hosenbein seiner Basisuniform ab."

Denn Armin Weber erzählt hier in 35 Kapiteln von den Erlebnissen des Raumschiff-Kapitäns Pitt Kowalski, der auf einen gefährlichen, wie mysteriösen Auftrag in die Mars-Kolonie Ares City geschickt wird. Jeder weitere Kommentar zur Handlung, der über den Klapptext hinaus geht, wäre hier tatsächlich ein unverzeihlicher Vorgriff, denn diese Geschichte lebt vor allem von ihren überraschenden Wendungen und dem Mysterium hinter der Bedrohung der Stadt. Bevor wir jedoch in Ares City angelangen, nehmen wir uns einige Kapitel Zeit, Pitt und sein Team auf der Chariot kennenzulernen. Mir gefällt der Einstieg in die Geschichte sehr gut, da er sowohl viele beiläufig eingefädelte Informationen enthält, aber auch so unmittelbar beginnt, dass man sich als Leser gleich mit der Situation auseinandersetzen muss. Trotz, dass wir das Jahr 2187 schreiben und uns auf einem außerirdischen Einsatz befinden, bleibt relativ Vieles innerhalb des nach aktuellem Stand der Wissenschaft Möglichen und einige Kleinigkeiten im Leben der Menschen erkennen wir auch aus unserem Alltag wieder. So wird verhindert, dass die Geschichte trotz des sehr unkonventionellen Verlaufs und des fremden Settings zu weit ins Unrealistische abdriftet.

 Besonders gut gefallen an dem Aufbau des Plots hat mir, dass wir Leser nur häppchenweise mit Informationen versorgt werden und hierbei sowohl bei uns als auch bei den Protagonisten ein stufenweiser Erkenntnisprozess ausgelöst wird. Häufig habe ich mir eine Frage gestellt und sie wurde gleich auf den nächsten Seiten durch die Überlegungen der Protagonisten beantwortet – man kann also wunderbar gleichzeitig mit den Charakteren rätseln, was hinter den Morden im Eispalast der Marshauptstadt steckt. So ahnen wir durch geschickt platzierte Andeutungen immer die nächste Wendung voraus, bevor sie dann eingeleitet wird und haben danach die Möglichkeit, uns mit einem neuen Fakt abzufinden, bevor der nächste Hammer folgt. Insgesamt ist die Handlung voller logisch durchdachter und spannender Details und verblüfft immer wieder mit unvorhergesehenen, originellen Ideen. Auf diese Art und Weise werden wir Leser in den Denkprozess mit einbezogen und aufgrund der vielen Wendungen und neuen Erkenntnissen, die unsere Protagonisten immer wieder aus der Bahn werfen, ist durchgängig eine konstante Grundspannung vorhanden.

Und das ist auch bitter notwendig, da sich im Mittelteil, als unser Team dann im Eispalast immer wieder auf die rätselhafte hier nicht näher beschreibbare Bedrohung trifft, viele ähnliche Szenen häufen. Teilweise wirken manche Szenen dabei wie ein Ablauf eines Ego-Shooter-Spiels und sind für meinen Geschmack zu wenig emotional mitreißend. Grundsätzlich lesen sich die Action-Szenen trotzdem spannend und auch durch die eingestreuten, neuen Erkenntnisse kommt es auf keinen Fall zu einer echten Durststrecke. Dennoch habe ich die Geschehnisse mit sehr wenig emotionaler Beteiligung verfolgt und musste feststellen, dass mir die Figuren sogar fast egal waren (Hierzu mehr in meinem kurzen Absatz zu den Protagonisten). 

Die Darstellung der Geschichte ist also wieder sehr Plot-orientiert, was auch bei diesem Genre durchaus sinnig ist! Dennoch hätte ich mir mehr Hintergrundinformationen gewünscht und auch vonseiten der Protagonisten in etlichen Szenen mehr Gefühlsregungen erwartet. So ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass wir über die Gesellschaft der Erde, den Stand der Technik, die politische Lage und Hintergrundinfos zu SPQR relativ wenig erfahren, was natürlich in erster Linie interessante Details wären, die aber auch für das Verständnis der Rahmenhandlung notwendig sind. Was genau ist SPQR? Beherrschen sie die Menschheit? Wie sieht es auf der Erde aus? Gibt es noch andere Kolonien? An ein paar Stellen kam ein bisschen Kritik an der genetischen Manipulation, sozialer Gerechtigkeit etc. durch, doch leider war für mich zu offen, wie es der Menschheit allgemein so geht. Hier wäre es interessant gewesen, das Setting genauer zu erforschen – aber das würde ja auch guten Stoff für eine Fortsetzung bieten, die meines Wissens schon in Arbeit ist ;-)

Der Schreibstil ist wieder gewohnt nüchtern und einfach, was natürlich in Verbindung mit den kurzgehaltenen Beschreibungen, den Szenenwechseln und Perspektivwechseln die schnellen Entwicklungen und Sprünge von einer Situation zur nächsten unterstützt. Besonders auffällig sind hier an manchen Stellen das Übergewicht von Dialogen und die daraus resultierende Derbheit in der Sprechweise. Auch außerhalb der Unterhaltungen wird kein Blatt vor den Mund genommen und durch eindrückliche Bilder und schonungslose Szenarien, bei denen ich schon auch mal das Gesicht verziehen musste, entsteht die beklemmende Situation der Protagonisten bildlicher vor dem Auge des Lesers, als es mir lieb war. Ein bisschen Splatter, ein bisschen Science-Fiction, ein bisschen Space Opera, ein bisschen Groteske, ein bisschen Drama, ein bisschen Urban-Fantasy, ein bisschen Psychothriller und ein Schuss Weltuntergangs-Action - diese Geschichte hat wirklich von allem etwas und vereint die spannendsten Seiten aller Genres (wenn auch nicht unbedingt die besten und einfühlsamsten). Denn Armin Weber hält sich abermals nicht lange mit der Charakterisierung der Nebencharakteren oder ihrer Gefühlswelt auf, sondern hält uns mit unvorhergesehenen, originellen Ideen bei Atem. Dabei muss ich dazusagen, dass ich ein Fan des „Erzählerischen“ bin und mir bei sehr szenischen Beschreibungen häufig Emotionen und Protagonisten ein wenig zu kurz kommen. 

Gerade in "Das Kowalski Protokoll - Todesfeature" sticht mir das nochmal mehr ins Auge als bei seinen Vorgängern: der Autor hat hier einfach seinen Schwerpunkt stark auf Handlung und Spannung gelegt, was zulasten der Figuren fehlt, die daraufhin blass bleiben. Das hatte ich schon in den vorhergegangenen Rezensionen immer wieder kritisiert, da ich aber nun mal ein sehr Protagonisten-orientierter-Leser bin, muss ich das auch hier nochmal anbringen. Natürlich erwarte ich bei einem Science-Fiction-Roman keine tiefgründigen Kunstwerke, auf mehr als authentische Statisten der Handlung sollte man hier aber nicht hoffen! Die spärlichen Informationen, die wir hier zu unseren Helden präsentiert bekommen, reichten mir einfach nicht aus, um sie als vollständige, runde Persönlichkeiten wahrzunehmen. An einigen Stellen sehe ich also noch Ausbaubedarf, vor allem da mir der Hauptprotagonist Pitt über große Teile der Handlung eher unsympathisch war. 

Trotz meines anfänglichen Versuchs, in unvoreingenommen zu betrachten, wurde ich einfach nicht warm mit unserem Abenteurer und Anführer und habe des Öfteren die Augen über ihn gerollt. Die Fehler, die er macht, seine sehr oberflächliche Faszination für Zelinda und sein aufgeblasenes Ego haben ihn für mich nicht etwa menschlich, sondern eher wie ein Proll erscheinen lassen. Leider erschien er mir darüber hinaus noch oberflächlich, verächtlich (zum Beispiel gegenüber den Menschen, die er beschützen sollte oder den Menschen in unteren „Klassen“), stolz (zum Beispiel dass er sich mehr Gedanken darüber macht, ob die anderen seine Schwäche sehen, als über seinen bevorstehenden Tod), gefühllos (zum Beispiel bei dem Tod seiner Kameraden oder von Zivilisten) und ab und zu unsicher (vor allem in Bezug auf Zelinda), was weder besonders gut zusammenpasst, noch ihn besonders sympathisch für mich oder zu einem besonders guten Anführer macht. Grundsätzlich ist das nicht schlimm, aber ohne Sympathieträger und Identifikationsfigur hatte es die Handlung relativ schwer, mich emotional zu berühren und abzuholen. Das hatte zur Folge, dass ich oftmals schulterzuckend weiterlas, als es für ihn brenzlig wurde - und glaubt mir, da war die ein oder andere Szene dabei...

Auch die Nebenprotagonisten konnten hier leider nicht so sehr bei mir punkten. Der Bösewicht ist leider ein Antagonist der stereotypen Rache-trifft-auf-Wahnsinn-Sorte, dessen äußerst derbe Sprache es zusätzlich schwer machte, ihn ernst zu nehmen. Das Team rund um Pitt war zwar grundlegend sympathisch, erhielt zwischen all den Kämpfen und Gefahren jedoch nur wenig Profil, da weder ihre Spezialgebiete, Stärken und Schwächen, noch ihre allgemeinen Geschichten erzählt werden konnten. Ray fiel für mich nur wegen seines bissigen Humors und seiner manchmal plumpen Aussprüche auf, die beiden Frauen Tali und Arietta verschmolzen in meinem Kopf aber zu mehr oder weniger einer Person. Bei den Soldaten war es noch schlimmer - sie erschienen mir eher wie eine Reihe unwichtiger Klonkrieger, die man in Kämpfen verheizen kann, als wie wirkliche Personen. 

Am meisten aufgestoßen hat mir aber die Darstellung von Pitts Love Interest Zelinda, die meiner Meinung nach viel zu sehr durch Pitts (zugegebenermaßen etwas objektivierenden) Beschreibungen geprägt ist. Dass sie ihn im Grunde nicht leiden kann (im Übrigen aus denselben Gründen wie ich auch), erfahren wir erst in ihrer ersten Perspektivübernahme im Mittelteil. Hier zeigt sie immer wieder Rückgrat, bringt gute Ideen und frischen Wind, im weiteren Verlauf wird sie dann für meinen Geschmack aber viel zu sehr zum hilflosen Opfer degradiert, dass vom Helden gerettet werden muss (das „Damsel in Distress“-Klischee ist bei mir mittlerweile leider ein absolutes No-Go). Hier hätte ich mir nochmal ein weiteres Kapitel aus ihrer Perspektive gewünscht, um sie etwas mehr zu profilieren. Außerdem wirkt so ihre Meinungsänderung Pitt gegenüber gegen Ende relativ fragwürdig. 

Wenn wir doch schon vom Ende sprechen... nach dem wir den Mittelteil im großen Marszentrum, dem Eispalast, hinter uns gelassen haben, präsentiert Armin Weber uns einen hochspannenden Showdown, der wirkliche keine Sci-Fie-Wünsche offen lässt. Hier zeigte er wieder einmal, weshalb ich seine Geschichten trotz meines vielen Gemäkels über Protagonisten und Handlungsfokus immer wieder feiere. Der tatsächliche Abschluss der Geschichte ist recht offen und hinterlässt einige Anknüpfungspunkte für die Fortsetzung, ohne mit einem Cliffhanger zu quälen - I like!



 
Fazit:

Armin Weber erzählt hier wieder eine sehr spannende und originelle Geschichte, die den Leser vor allem durch viele überraschende Wendungen und eine gut durchdachte Gesamtstruktur fesselt. Auch wenn ich einige Schwächen entdeckt habe und auch vor allem im Bereich der Charaktere und der Hintergrundinformationen gerne noch mehr Informationen haben würde, bin ich beeindruckt von der Logik und den vielen Details, die hinter der Geschichte stecken. Kurz: Spannung Top - Protas Flop.


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*unbezahlte WERBUNG*
Vielen Dank an den Autor für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat.
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