Freitag, 2. Oktober 2020

In meinem Kopf klangs irgendwie besser

 


Allgemeines:

Titel: In meinem Kopf klangs irgendwie besser
Autorin: Nina Kenwood
Genre: Young Adult
Verlag: Carlsen (3. September 2020)
ASIN: B081RNY8ZW
Seitenzahl: 272 Seiten
ISBN-10: 3551584117
ISBN-13: 978-3551584113
Preis: 8,99€ (Kindle-Edition)
13€ (Broschiert)
Originaltitel: It Sounded Better In My Head


Inhalt:

Natalies Selbstbewusstsein ist ohnehin nicht gerade robust – und jetzt wird auch noch aus ihren besten (und einzigen) Freunden Zach und Lucy ein Paar! Natalie braucht dringend ein eigenes Sozialleben. Und am besten auch einen eigenen Freund. Da kommen ihr Zachs Bruder Alex und dessen Freund Owen gerade recht. Auf ihrer ersten Party ohne Zach und Lucy schließt sich Natalie sicherheitshalber sofort im Bad ein – mit Klopapier-Knäueln unter den Armen, gegen das Stressschwitzen. Die Sache mit dem Smalltalk muss sie eindeutig noch üben …


Bewertung:

Kennt ihr diese Bücher, die von einem objektiven Standpunkt aus betrachtet, nicht besonders außergewöhnlich wären, aber beim Lesen dennoch einen Effekt haben, der sich schwer beschreiben lässt? "In meinem Kopf klangs irgendwie besser" ist ein sympathisches, grundehrliches Jugendbuch voller skurriler Situationen, Gedanken und Gefühlen, die wir, wenn wir ehrlich sind alle mal gehabt haben.

"Jeder weiß, dass man nächtlichen Gefühlen nicht wirklich trauen kann - und je später der Abend, desto unzuverlässiger sind sie. Alles, was man nach 22 Uhr empfindet, ist schon eher fragwürdig, und alles nach Mitternacht kann man dann getrost vergessen."

Die Gestaltung des dünnen Büchleins ist eigentlich nicht besonders spektakulär: pastellige Wasserfarben, eine Denkblase mit dem Titel und zwei verliebte Köpfe. Dennoch passt sie ganz wunderbar zu dieser zaghaften, verkopften, schüchternen und doch wundervoll direkten Geschichte. Auch der Titel, der eine direkte Übersetzung des Originals "It Sounded Better In My Head" ist, passt perfekt und beschreibt mein ganzes Leben ganz gut ;-). Ebenfalls positiv zu erwähnen sind die irrwitzigen Kapitelüberschriften (so etwas wie "Irgendetwas Unanständiges auf einer Parkbank..." oder "Die Wahrheit oder so was Ähnliches"), die von einer dunklen Sprechblase mit der Kapitelnummer begleitet werden. Zwar gefällt mir das blaue Originalcover mit den Strichzeichnungen der beiden Protagonisten besser als das deutsche mit den Fotos - insgesamt gibt es aber einen deutlichen Daumen hoch für die Gestaltung.

Erster Satz: "Es ist Weihnachten, wir sind gerade mit unserem alljährlichen Scrabble-Spiel nach dem Mittagessen fertig (mit Bonuspunkten für Worte, die irgendwie mit Weihnachten zu tun haben), als Dad sagt, wir müssten reden."

Mit 270 Seiten ist "In meinem Kopf klangs irgendwie besser" ein dünnes Büchlein und dementsprechend dünn ist auch die Handlung, die aber ausreicht, um Natalies komplette Welt auf den Kopf zu stellen. Ihre Eltern wollen sich trennen? Sie wird auf ihre erste Party eingeladen? Sie kommt dem großen Bruder ihres besten Freundes an Silvester näher? Der eigentliche Plot kommt mit nicht viel Neuem oder Bemerkenswertem daher, vielmehr sind es die kleinen Momente dazwischen, die ans Herz gehen und ins Schwarze treffen. Die stillen Momente, inneren Monologe, seltsamen Gedanken und treffende Gefühlsbeschreibungen der Protagonistin, die auch den Leser mit viel Charme und Witz in ein Gefühlschaos stürzen und dafür sorgen, dass die bekannten Zutaten und banalen Alltagssituationen nicht ins Gewicht fallen. Ein kleines Beispiel gefällig? 

"Alex gibt mir das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, zum ersten Mal in meinem Leben begehrt und wirklich gesehen zu werden. Was natürlich problematisch ist, weil ich mich ja erst mal selbst lieben und akzeptieren soll. Diese Botschaft ist mir schließlich jahrelang über alle nur denkbaren Empfangskanäle eingehämmert worden: Nie im Leben darfst du dein Selbstbewusstsein von einem Typen abhängig machen. Das würde sämtlichen feministischen Grundsätzen widersprechen, von denen ich je gehört habe, jeder Lektion, die mir an meiner fortschrittlichen Mädchenschule beigebracht wurde, jeder positiven Ermächtigungsbotschaft, die jemals irgendwer auf Instagram geteilt hat. Eine Frau muss nicht gerettet werden, sie rettet sich selbst. Sei die Heldin deiner eigenen Geschichte. Sei Katniss, nicht Bella. Obwohl ich mich mit Bellas Abhängigkeit immer viel besser identifizieren konnte, als mit Katniss mentaler Stärke. Aber alle, die immer sagen, man solle sich selbst lieben, haben leider keinen Tipp dafür, wie man damit klarkommt, wenn andere einem "hässliche Schlampe" hinterherbrüllen, oder wie man das Gefühl überwindet, dass gute Tage nur dann gut sind, wenn man möglichst viel von sich verstecken kann, und wie man sich begehrenswert fühlen soll, wenn einen noch nie jemand begehrt hat. Allein bin ich in dieser Frage noch nicht weitergekommen, aber Alex gibt mir das Gefühl, der Lösung schon ein bisschen näher zu sein. 
Außerdem hat er einfach tolles Haar."

Egal ob über Akne, Partygespräche, das erste Mal, Schwitzflecken, Perioden-Auslauf-Ängste oder Zukunftsplanung - Nina Kenwood schreibt so abgeklärt, nüchtern, routiniert, dabei aber mit so viel Herz und Treffsicherheit, dass es kaum zu glauben ist, dass wir hier ihr Romandebüt vorliegen haben. Klar, der Roman ist jetzt vielleicht nicht das spektakulärste Werk der Weltliteratur, dafür aber sehr nahegehend und persönlich und schafft das, was jedes gute Jugendbuch erreichen sollte: es wird zu einer persönlichen Erfahrung, es spricht zum Leser, es lässt Natalies Gefühle und Gedanken zu den eigenen werden. Nina Kenwood lässt ihre Figuren all das durchleben, denken und fühlen, was wir alle auch schonmal durchgemacht haben und so werden wir und die Protagonisten Verbündete gegen die Unwägbarkeiten des Erwachsenwerdens. Mit klaren, ehrlichen Worten trifft sie immer wieder den richtigen Ton, sodass selbst peinliche Szenen eher lustig als zum Fremdschämen sind. Spritzige Dialoge, messerscharfe Beobachtungen, wohlüberlegte Textnachrichten und die ein oder andere verrückte Aktion machen diese Geschichte zu einem abwechslungsreichen Leseerlebnis. 

"Jetzt im Moment ist eigentlich die beste Phase - bevor ich enttäuscht werden kann, bevor ich rausfinde, dass Alex sich kein Stück für mich interessiert, bevor ich irgendwas vermasseln kann. Hier und jetzt ist noch alles möglich."

Am beeindruckendsten ist aber das Charakterporträt der Protagonistin, mit der ich so sehr identifiziert habe wie schon seit Langem nicht mehr. Natalie trinkt nichts, geht nicht auf Partys und weiß nicht, wie man außerhalb ihres Bekanntenkreises eine Konversation startet. Sie hat Angst vor ihrer Zukunft, keine Ahnung, was sie mit ihrem Leben anfangen soll und wer sie eigentlich sein will. Sie ist ungeküsst, Jungfrau, hatte noch nie eine romantische Beziehung und Angst davor, nicht begehrenswert zu sein. Also ja, sie ist sozial unbeholfen, unsicher und unerfahren. Sie ist also ... ein ganz normaler Teenager. Sie ist du, sie ist ich, sie ist das Mädchen von Nebenan, deine Schwester oder deine beste Freundin. Alles, was sie beschäftigt sind typische Coming-Of-Age-Themen, all ihre Unsicherheiten werden aber so lebhaft und eindrücklich geschildert, dass sich auch ältere LeserInnen in Natalies Gedanken und Bemühungen wiederfinden werden. Eigentlich finde ich Highschool-Geschichten mittlerweile ein bisschen anstrengend, da ich ihnen in gewissermaßen entwachsen bin, hier hat die Autorin aber so viele Komplexe, Fragen, Gefühle und Gedanken verpackt, die mich auch beschäftigt haben/noch beschäftigen, sodass ich mit Natalie nur mitfühlen konnte. 

"Er sagt, für ihn wärs okay."
Okay. Was für ein mieses kleines Wort. Okay ist das Gegenteil von Begeisterung, von verborgener Leidenschaft, okay ist nicht mal der Versuch, Begeisterung zu verstecken. Okay ist pure Gleichgültigkeit. Okay ist okay. Mir wäre alles lieber gewesen als ein Okay."

Auch ihre Gedanken bezüglich ihrer neuen Beziehung zu Alex waren so... wahr. Der Zwiespalt zwischen der Sucht nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, die der Einsicht gegenübersteht, dass sie ihren Selbstwert nicht so von der Zuwendung einer anderen Person abhängig machen sollte. Ihre inneren Monologe sind sarkastisch, von leiser Intelligenz und einzigartig absurd. Ihr innerer Aufruhr schmerzhaft treffsicher und sensibel dargestellt. Ihre Weltsicht realistisch, ehrlich und manchmal etwas zynisch. Ihr Porträt der ersten Liebe süß zwar, aber ohne Zuckerguss, Regenbögen und Einhörner. Und wie alle guten Geschichten endet ihr Weg... offen. 

"Ich liebe sie beide so sehr, dass es total widersinnig ist, über ihr Glück auch nur im Geringsten unglücklich zu sein. Aber ich bin es nun mal, denn sie brauchen meine Liebe jetzt nicht mehr so sehr wie ich ihre, und das tut einfach weh."





Fazit:

"In meinem Kopf klangs irgendwie besser" ist eine entwaffnend realistische, ehrliche und charmante Coming-of-Age-Geschichte voller skurriler Situationen, Gedanken und Gefühlen, die wir, wenn wir ehrlich sind, alle schonmal mal gehabt haben. Das große Identifikationspotential der jugendlichen Protagonistin, der treffsichere Schreibstil und die humorvoll angesprochenen Probleme des Erwachsenwerdens machen diesen Jugendroman zu einem persönlichen und nahegehenden Erlebnis. 


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*unbezahlte WERBUNG* 
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat. 
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