Samstag, 9. November 2024

Der Bücherdrache


Allgemeines

Titel: Der Bücherdrache
Autor: Walter Moers
Verlag: Penguin (25. März 2019)
Genre: Fantasy
ISBN: 9783328600640
Seitenzahl: 192 Seiten
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Inhalt

In den Katakomben von Buchhaim erzählt man sich eine alte Geschichte. Sie handelt vom sprachmächtigen Drachen Nathaviel, den kein Buchling je gesehen hat. Angeblich besteht er aus lauter Büchern, die von der mysteriösen Kraft des Orms durchströmt sind. Die Legende sagt, der Bücherdrache sei die Belesenheit selbst und habe auf jede Frage die richtige Antwort. Der kleine Buchling Hildegunst Zwei, benannt nach dem zamonischen Großschriftstellers Hildegunst von Mythenmetz, macht sich eines Tages auf den Weg in den Ormsumpf, wo der Drache hausen soll. Für diese Mutprobe muss er zum ersten Mal seine geliebte Heimat, die Lederne Grotte, verlassen. Er wagt sich in Bereiche der Katakomben, in denen es von Gefahren wie den heimtückischen Bücherjägern nur so wimmelt. Und er ahnt nicht, dass die größte Gefahr, die ihm droht, vom Bücherdrachen selber ausgehen wird.


Bewertung

Um meinen ausgedehnten Streifzug durch das Zamonien-Universum fortsetzen, habe ich mich als achtes Buch von Walter Moers seiner Novelle "Der Bücherdrache" gewidmet. Seitdem ich im Frühjahr 2024 mit "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" ins Zamonien-Universum eingestiegen bin, habe ich großen Spaß mit all seinen großen und kleinen Werken, wie man meiner wachsenden Sammlung an (begeisterten) Rezensionen entnehmen kann. Auch wenn "Der Bücherdrache" mit knappen 200 Seiten eher ein Appetithappen ist, der es an Komplexität nicht mit seinen ausgewachsenen Romanen aufnehmen kann,  hatte auch diese Geschichte wieder den gewohnten Moers´schen Charme, grotesken Humor und darüber hinaus originelle Spannungsmomente zu bieten!

"Ohne die Bücher wäre es gar nicht auszuhalten. Lektüre: das einzig wahre Schmerzmittel, um das Leben zu ertragen, nicht wahr?

Bevor ich schildere, was sich der Autor für dieses Büchlein ausgedacht hat, wie immer ein paar kurze Worte des Lobes zur Gestaltung. Das Cover von "Der Bücherdrache" zeigt im Großformat ein ein schuppiger Kopf, der bei genauem Hinsehen aus gemusterten braunen Büchern besteht und aus dem zwei geschlitzte Augen hervorblitzen. Davor ist ein kleiner grüner Buchling zu sehen, der etwas verloren auf einem Bücherberg steht. Mit dem großflächig gemusterten Hintergrund und dem großen gelben Titel ist es mal wieder ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Hervorheben möchte ich auch wieder die Gestaltung Inneren des Buches, die wieder zahlreiche Illustrationen der Umgebung, der Flora und Fauna sowie der handelnden Figuren beinhaltet. Besonders toll sind die illustrierten Initialen der einzelnen Kapitel, sowie die Illustration des Bücherdrachens, die sich über gleich mehrere Seiten erstreckt. 

"In bösen, dunklen, kalten Tümpeln 
Wo alte Bücher Orm gebären 

Die tief in toten Sümpfen dümpeln 

Wo Bücherwürmer sich vermehren 

Wo alle Fragen Antwort finden 

Doch niemand seine Frage kennt 

Dort soll sich jener Dämon winden 

Den man den Bücherdrachen nennt“ 

— Ojahnn Golgo van Fontheweg

Soweit so bekannt. Was hier neu ist, sind die in die Handlung integrierten Comic-Seiten, die als erzählerisches Mittel genutzt werden, um in ein Traumgespräch zwischen unserem bekannten Zamonien-Autor Hildegunst von Mythemetz und einem Buchling Hildegunst Zwei hinein und hinaus zu leiten (Letzterer ist deswegen nach dem Lindwurm benannt, da Hildegunst Zwei sämtliche Werke von Mythenmetz auswendig aufsagen kann). Denn anders als seine anderen Geschichten spielt sich die Handlung ausschließlich auf einer Metaebene im Traum ab und es bleibt bis zum Ende offen, ob es sich um ein Produkt von Hildegunsts Fantasie oder eine tatsächliche Erzählung handelt. Doch diese Unsicherheit wird eigentlich schon im Comic durch Hildegunst für nichtig erklärt: 

"Alles was wir seh´n und schau´n,
ist nur ein Traum in einem Traum.
Das schreibt Perla La Gadeon in einem seiner Gedichte.
Tja.
Was ist der Unterschied zwischen einer Geschichte und einem Traum?
Beides sind nur Hirngespinste, oder?"

Egal ob Traum oder nicht - wir besuchen hier auf 192 Seiten zusammen mit dem Buchling Hildegunst Zwei die Katakomben von Buchhain und erleben ein kompakt erzähltes wie originelles Abenteuer. Zwar lebt das Buch vor allem von Dialogen zwischen den beiden Hildegunsts sowie dem Buchling und dem Bücherdrachen, dennoch passiert auf den wenigen Seiten wirklich einiges. Ausgehend von der Ledernen Grotte wandern wir durch den Kristallgarten an Insekten vorbei bis zum Ormsumpf voller Treibsandbücher, Bücherwürmer und lebender Bücher, in dem auch der Bücherdrache Nathaviel - oder je nach Legende auch ElivathanLevanthiaThanaviel oder Ilathevan, haust. Was als Mutprobe des jungen Buchlings beginnt, wird schnell zu einem spannenden Abenteuer, bei dem es um Leben oder Tod geht. Denn der Bücherdrache mag zwar allwissend sein, aber er ist auch riesig, gelangweilt und ziemlich hungrig... 

"Wer einmal gelernt hat, in der Melancholie zu Hause zu sein, der kann es selbst in der schlechtesten aller Welten aushalten. Gute Lektüre, schwarzen Humor und gesunde, gut abgehangene Melancholie, mehr braucht man eigentlich nicht. (...) Humor ist wichtig! Es gibt eine feine Grenzlinie zwischen Schwermut und Verzweiflung. Diese Grenze, dieser hauchdünne Schutzwall, der ins vor dem Sturz ins Bodenlose, ins schreckliche Nichts bewahrt: Das ist der Humor. Und je schwärzer dieser Humor ist, desto besser funktioniert er."

Da es sich nicht um einen vollwertigen Roman, sondern eher um den Umfang einer Novelle handelt, schreitet die Handlung dabei eher geradlinig und simpel voran und gerade als es beginnt, besonders spannend zu werden, ist sie schon wieder vorbei. Als anregender Appetithappen, der die Katakomben von Buchhain zum Leben erweckt und Lust auf mehr macht, ist das Büchlein aber sehr empfehlenswert. Generell wird die faszinierende unterirdische Welt von Buchhain hier nur grob angeschnitten, sodass ich nun sehr gespannt bin auf die anderen Buchhain-Bücher allen voran "Die Stadt der träumenden Bücher". Besonders die Buchlinge haben es mir angetan, denn neben Hildegunst Zwei bringen auch der Club der "Ormlinge" bestehend aus Estrakos, Arkaneon, Eliastrotes, Eideprius, Steraphasion und Klosophes (viel Spaß beim Enträtseln der in den Namen versteckten Philosophen...) viel frischen Wind in die Geschichte. 

"Wer will das schon? Nur Schriftsteller. Nur Dichter. Außer denen unterhalten sich nur Kinder und Geisteskranke in Gedanken mit Figuren, die sie sich selber ausgedacht haben. Genau das ist es, was Dichter eigentlich tun: Sie drehen durch, ganz langsam und systematisch. Satz für Satz, Seite für Seite, Kapitel für Kapitel, Buch für Buch, Tag für Tag, Jahr für Jahr. Bis sie endlich aus Papier und Buchstaben ihre ganz eigene Irrenanstalt gebaut haben, in der sie alleine hausen dürfen. Wer will denn so was? Nur Bekloppte! Ich jedenfalls nicht!"

Apropos enträtseln... Fans von Wortspielen (Stichwort: "Ojahnn Golgo van Fontheweg" oder "Perla La Gadeon"), Anspielungen auf Klassikern der Literaturgeschichte und intertextuellen Köstlichkeiten, die Moers´ klassischen Humor ausmachen, werden hier wieder voll auf ihre Kosten kommen. Denn was würde sich besser eignen, um sich über Bücher, Schriftstellerei, Dichtkunst und Inspiration auszulassen als eine Geschichte über einen aus Bücher bestehenden Drachen...?

Fazit

"Der Bücherdrache" ist ein kurzweiliges, humorvoll-groteskes Abenteuer, das mit gewohntem Moers'schen Witz und viel Liebe zum Detail die Katakomben von Buchhain lebendig werden lässt und Lust auf weitere Zamonien-Abenteuer macht.

*unbezahlte WERBUNG, Rezensionsexemplar*

Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat. Quelle Informationen: Goodreads.de. Klapptexte und Zitate sind Eigentum des Verlags oder jeweiligen Rechtinhabers.

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