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Allgemeines
Titel: Emily Wilde's Compendium of Lost Tales
Autorin: Heather Fawcett
Verlag: Del Rey (11. Februar 2025)
Genre: Fantasy
Weitere Bände: Emily Wildes Enzyklopädie der Feen (Band 1)
Emily Wildes Atlas der Anderswelten (Band 2)
Deutscher Titel: Emily Wildes Kompendium der verlorenen Geschichten
Seitenzahl: 368 Seiten
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Inhalt:
Bewertung
In Heather Fawcetts Emily Wilde-Reihe musste ich zugegebenermaßen erstmal etwas reinkommen. In Band 1, "Emily Wildes Enzyklopädie der Feen", den ich mir als eines meiner 12 für 2025 Bücher vorgenommen hatte, musste ich mit der Erzählweise und der Hauptfigur aber erstmal warmwerden. Spätestens ab Band 2, "Emily Wildes Atlas der Anderswelten" hat mich die Geschichte dann aber mit ihrem exzentrischen Charme um den Finger gewickelt, sodass ich sehr gespannt auf den dritten Band war. In "Emily Wilde´s Compendium of Lost Tales" findet die Geschichte nun mitreißend und charmant wie eh und je ihr Ende, sodass für mich feststeht: ich muss dringend noch mehr von Heather Fawcett lesen!
Heather Fawcett setzt mit ihrer Handlung im Dezember 1910 an, ein paar Wochen nach Emily und Wendells Verlobungsreise nach Griechenland, die die beiden an ihre Forschungsarbeit in den Alpen angeschlossen haben. Nachdem sie die Tür zu Wendells Königreich gefunden und seine Stiefmutter vergiftet haben, ist es nun an der Zeit für das junge Paar, in das Reich zurückzukehren und den Thron zu besteigen. Allerdings scheint ein gefährlicher Fluch auf dem Land zu liegen, der den beiden ihr Glück vergönnt. Hilfe könnte in dieser verzwickten Lage eine verlorene Geschichte bieten, die Emily für ihr neues Forschungsbuch sammelt...
Schon der erste Satz bereitet wieder auf eine exzentrische, aber ganz besondere Geschichte vor. Nachdem ich bei Band 1 zunächst Anfangsschwierigkeiten mit der Erzählweise und dem Erzählton überwinden musste, wusste ich bei Band 2 und nun auch bei Band 3 ja schon, was auf mich zukam. Hier wird ebenfalls wieder in der Form von Tagebucheinträgen in Emilys Forschungstagebuch erzählt, die teils Zeitsprünge enthalten und eher nacherzählen, als szenisch zu schildern. Auch wenn ich mich darauf dieses Mal gut einlassen konnte, bringt die ungewöhnliche Erzählweise genau wie in Band 1 einige Herausforderungen für das Pacing der Handlung mit sich. Genau wie ich es schon beim ersten und zweiten Band kritisiert hatte, benötigt auch dieser dritte Band eine Weile, um wirklich in Schwung zu kommen. Zwar steigen wir gleich recht dynamisch in ein neues Setting ein und es gibt hier nicht dieselbe anfängliche Durststrecke wie bei den vorherigen Büchern, die Haupthandlung beginnt allerdings ebenfalls erst wieder in der Hälfte des Buches. Ebenfalls überschlagen sich später im Buch wiederum die Ereignisse, sodass zentrale Wendepunkte und Schlüsselszenen nur knapp in einem Eintrag abgespeist werden, statt sie wirklich auszukosten. Für dieses Ungleichgewicht im Handlungsaufbau, muss ich leider erneut etwas in der Gesamtbewertung abziehen.
Was allerdings nach wie vor großartig ist, ist Heather Fawcetts Schreibstil, der von der ersten Seite an die Atmosphäre der Vorgänger anknüpfen kann. Ihre Sprache ist durchzogen von trockenem, eigenwilligem Humor, der durch Emilys nüchterne, wissenschaftlich geprägte Tagebuchstimme getragen wird. Durch den eher distanzierte Erzählton muss man zwar viele Gefühlsbeschreibungen und Beziehungsdynamiken zwischen den Zeilen lesen, dabei hilft aber sehr, dass wir die Figuren alle schon besser kennen und sie sich auch untereinander deutlich näherstehen als zu Beginn der Geschichte. Denn wenn man sich erstmal in Emilys Gedankenwelt eingefunden hat, funktioniert das ganz wunderbar und man bekommt kaum genug von der Geschichte. Da ich die Geschichte dieses Mal auf Originalsprache gelesen habe, hat sich der gesamte Zauber ihres Schreibstils entfaltet, wobei ich rückblickend sagen muss, dass die Übersetzung wirklich sehr gut gelungen war. Auch die zeitlichen Rahmenbedingungen der Geschichte rund um die 1910er Jahre sowie die akademische Welt rund um die Dryadologie konnte ich in diesem Band deutlich besser greifen - alles, was sich in Band 1 noch seltsam und nach Arbeit angefühlt hatte, war nun auf charmante Art und Weise schrullig - und hatte großen Spaß mit dem Setting.
Wunderbar weiterentwickelt hat die Autorin auch das Setting in Faerie. Mit dem neuen Schauplatz in der irischen Waldwelt Silva Lupi eröffnen sich ganz neue Erzählmöglichkeiten. Zwischen verschlungenen Wälder mit Aufmerksamen Eichen mit tausenden Augenpaaren, riesige Füchse, kleinen Kobolden, verfluchten Inseln, Palastintrigen, magischen Ritualen und einer gefährlichen Zwischenwelt entsteht wieder eine düster-schöne Stimmung, von der man nicht genug bekommen kann. Nach wie vor sehr gelungen sind dabei die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen, die sich mit den fremdartigen, magisch-düsteren Feenreichen auf kunstvolle Art und Weise vermischen. Dabei zeigt die Autorin wieder sehr viel Kreativität und Gespür für das Unheimliche, womit das Worldbuilding ein wenig an die Geschichten von Holly Black oder S. Jae-Jones erinnern.
Denn - und das muss ich hier nochmal ausdrücklich wiederholen - die Einordnung der Reihe als "Cozy Fantasy" ist maximal irreführend. Auch wenn die Geschichte Großteils eher gemütlich vor sich hinplätschert und durchaus ihre herzerwärmenden Momente und Lacher zu bieten hat, ist die Feenwelt weit davon entfernt, süß zu sein. Wer bei Titel und Genrebezeichnung an glitzernde Elfen denkt, die schillernd über bunte Wiesen taumeln, könnte nicht weiter von Heather Fawcetts Version der Feenwelt entfernt sein. Sie zeichnet hier ein exzentrisches Bild der Feenwelt mit komplizierten Regeln, beiläufiger Grausamkeit, verdrehter Schönheit, eiskalter Skrupellosigkeit und gefährlichen Abgründen. Eine faszinierende, wenn auch gewöhnungsbedürftige Mischung, über die man aber gerne noch mehr erfahren möchte.
Apropos faszinierend, wenn auch gewöhnungsbedürftig: Sprechen wir über die Hauptfigur Emily. Es hat in Band 1 zwar eine ganze Weile gebraucht, bis ich mit ihr warm geworden bin, aber ihre distanzierte, sachliche Art, ihr scharfer Verstand und ihr Hang dazu, sich aus wissenschaftlichem Eifer in Schwierigkeiten zu bringen, machen sie zu einer interessanten Protagonistin, der ich nur zu gerne auf ein zweites und drittes Abenteuer gefolgt bin. Mit ihrer sozialen Inkompetenz und ihren Inselbegabungen könnte sie auf dem Autismus Spektrum liegen und ist damit der diametrale Gegenpart zum charismatischen Love Interest Bambleby Wendell. Die Dynamik zwischen den beiden ist schrullig, aber herzerwärmend, genau wie die Nebenfiguren wie beispielsweise der Brownie Poe, Emilys Begleiter Shadow, ihre Nichte Ariadne oder Margret und Lilja. Auch neue Figuren wie Wendells Schwester Deilah, Lord Taran oder Königin Arna fügen sich in das bunte, ambivalente Geschehen interessant mit ein.
Mit einer abwechslungsreicheren, dichteren Erzählung, der ausführlichen Erkundung eines interessanten, neuen Settings, Cameos aller bekannten Figuren und einem erneuten Kurzausflug in die Welt von Ljösland ist "Emily Wilde's Compendium of Lost Tales" also ein runder und perfekter Abschluss der Reihe. Auch wenn die Geschichte am Ende abgeschlossen ist, fand ich es schade, Emily und ihre Freunde nun wieder verlassen zu müssen und würde mich freuen, wenn es nochmal eine Fortsetzung über Emily oder eine andere Figur geben würde. Genügend Welten zu entdecken, Geschichten zu erzählen und Rätsel zu lösen gäbe es in der Welt der Dryadologie definitiv noch!
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