
Allgemeines
Titel: Mama, bitte lern Deutsch
Autor: Tahsim Durgun
Verlag: Knaur (03. März 2025)
Genre: Autobiografisches Sachbuch
Seitenzahl: 209 Seiten
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Inhalt
Meine Eindrücke
In "Mama, bitte lern Deutsch" erzählt der als Comedian bekannte Tahsim Durgun die Geschichte seiner Kindheit und Jugend in einer kurdisch-deutschen Familie. Es ist keine spannende oder aufsehenerregende Geschichte, jedoch ein authentischer Bericht über ein Leben zwischen zwei Welten, die Erwartungen seiner Eltern und die ständige Konfrontation mit einer Gesellschaft, die ihn immer wieder spüren lässt, dass er nicht selbstverständlich dazugehört.
Seine autobiografische Erzählung ist in sieben Kapitel gegliedert, deren Überschriften jeweils einen sprachlichen Bezug haben und die mit einer kurzen Definition des jeweiligen sprachlichen Konzepts enden. Im Kapitel selbst wird ein Bezug zu diesem sprachlichen Konzept hergestellt und gleichzeitig eine Erfahrung aus seinem Leben geschildert – ein kluger und wirkungsvoller Aufbau, der Sprache als roten Faden durch das Buch zieht. Auf diese Weise begleiten wir Tahsim in relativ kurzer, nicht streng chronologischer Form von den 90er-Jahren bis in die Gegenwart. Auf 200 Seiten entsteht ein eindringliches Bild davon, wie sich Ablehnung und Rassismus in Deutschland zeigen können: mal laut und aggressiv in offener Ablehnung und bösen Worten, mal subtil und versteckt hinter einem höflichen Lächeln, in Konfrontationen auf der Ausländerbehörde, unnötiger Bürokratien, in Sprachbarrieren und Armut, in schlechteren Möglichkeiten im Bildungs- und Gesundheitssystem und durch ein kulturelles Nicht-Dazu-Gehören. Ein ständiges Ihr gegen Wir.
Auf der einen Seite ist das Buch also eine Abrechnung mit der Asylpolitik der vergangenen Jahre und ein Aufzeigen der gesellschaftlichen blinden Flecken zum Thema Migration. Neben der politischen Seite des Buches, ist es jedoch vor allem eine zutiefst persönliche Aufarbeitung seiner Beziehung zu seiner Mutter, die zwischen Liebe und Frustration, Respekt und Enttäuschung, Verantwortung und Druck schwankt. Anfangs war ich etwas irritiert, wie lapidar und manchmal auch hart der Autor über seine Familie schreibt und urteilt (ein grünes Kleid beschreibt er wie Einhornkotze, das Gesicht seiner weinenden Schwester vergleicht er mit einem benutzten Kondom). Doch mit jedem Kapitel wird deutlicher, wie viel Liebe und Respekt er für sie empfindet. Er schreibt mit entwaffnender Ehrlichkeit über die Gratwanderung zwischen Zuneigung und Frustration, über die Bewunderung für seine Mutter, die Stärke und unerschütterliche Resilienz zeigt – und gleichzeitig über seine eigene Erschöpfung, wenn er vor seiner Aufgabe als Übersetzer und Navigator in dem für seine Mutter fremden Land verzweifelt und vor allem ein Kind sein möchte.
Das Buch ist persönlich, verletzlich und doch unaufgeregt und ohne Groll erzählt. Trotz der Schwere des Themas liest es sich erstaunlich leicht, was auch vor allem an Durguns Humor liegt, der bitter und mal schmerzhaft sein kann, aber immer eine befreiende Kraft hat. Oft bringt er einem zum Lachen, nur damit man im nächsten Moment mit einem Kloß im Hals innehält, weil die Tragik der Situation unausweichlich durchbricht. Diese Mischung aus Verletzlichkeit, Witz und Klarheit macht die Lektüre zu einem intensiven Wechselbad der Gefühle, das mich das Buch in einem Tag hat durchlesen lassen.
Hallo Sophia,
AntwortenLöschenhm, kleine zwischen Frage....wo bleibt der Papa in dieser Geschichte?
Er müsste doch seiner Frau in einem, fremden Land/Kultur hilfreich zur Seite stehen zumindest etwas oder?
Mich macht es immer traurig, wenn man die Sprache/Kultur/Sitten des neuen Landes nicht kann/kennt und so vielleicht Erwartungen aufgebaut werden....die keine der beiden Seiten erfüllen kann......
LG..Karin..
Hey Karin,
Löschender Vater ist in der Geschichte auch präsent, aber nicht so sehr im Fokus wie die Mutter. In dem Buch geht es ausdrücklich um die Mutter, deshalb ist es mir gar nicht aufgefallen, dass er so wenig erwähnt wurde...
Liebe Grüße
Sophia