Dienstag, 26. Juni 2018

Filmempfehlung: Er ist wieder da

 Bestimmt habt ihr dieses gruselige Bild mit der noch gruseligeren Aufschrift im letzten Jahr mal gesehen. Ob in der Buchhandlung oder auf Plakaten oder im Kino - überall wurde uns verkündet: "Er ist wieder da". Und wer damit gemeint ist: der "Führer". Seit dem Erscheinungstermin am 7. April 2016 hat die von Constantin Film produzierte Geschichte jede Menge Empörung und Diskussionen ausgelöst - wohl genau das, was er ursprünglich wollte: provozieren und zum Nachdenken anregen. Ich habe mich vor ein paar Tagen auch dazu entschlossen, mir eine eigene Meinung zu bilden und mich 110 Minuten mit der grauenvollen Annahme auseinandergesetzt, dass Adolf Hitler noch leben und putzmunter und massenmobilisierend durch Deutschland spazieren würde.
 
 
Worum geht´s?
 
Er ist wieder da, der Führer. Knapp 70 Jahre nach seinem unrühmlichen Abgang erwacht Adolf Hitler im Berlin des Jahres 2014. Ohne Krieg, ohne Partei, ohne Eva. Bei bester Gesundheit, aber aufgrund der völlig veränderten Situation zunächst leicht orientierungslos verbringt er eine Nacht in einem Kiosk, dessen Besitzer ihn für einen obdachlosen Komiker hält. Mit Hilfe der Zeitungen verschafft sich Hitler einen ersten Überblick über das moderne Deutschland, aber was er da liest, gefällt ihm überhaupt nicht: zu viele Ausländer, zu viel Demokratie, zu viel Frieden und dann auch noch eine Frau als Kanzlerin! Als der arbeitslose Fernsehreporter Fabian Sawatzki ihm den Vorschlag macht, durch Deutschland zu reisen und seine Gespräche mit der Bevölkerung zu filmen, ergreift Hitler die Gelegenheit, zu neuer Popularität zu gelangen und steigt bei dem erfolgsgeilen Sender MyTV zum Comedy-Star auf. Und das, obwohl sich Adolf Hitler seit 1945 äußerlich und innerlich keinen Deut verändert hat... Während die Zuschauer glauben, einen politisch höchst unkorrekten Komiker zu sehen, kommen Sawatzki jedoch allmählich Zweifel an seiner Entdeckung. Der vermeintliche Schauspieler Hitler fällt einfach nie aus der Rolle, sondern beginnt mit zunehmendem Erfolg absolut massentauglich sein Deutschland wieder auf Linie zu trimmen...
 
 
Warum sollte ich mir den Film ansehen?
 
Regt euch die ewige Erinnerungskultur auch auf? Denkt ihr auch, dass so etwas wie damals nie wieder passieren kann? Dass wir jetzt aufgeklärt genug sind, um nie wieder blind einer faschistischen Ideologie hinterherzulaufen? Dass wir dieses Kapitel endlich ad acta legen sollten? Ich nicht!!! Und der Film auch nicht. Die bitterböse Mediensatire fußt zwar auf einem nicht ganz realen Ereignis: der magischen Rückkehr des toten Führers, wird jedoch relativ schnell zum verstörend realen Szenario. Obwohl wir uns für aufgeklärt und entnazifiziert halten, findet Hitler im Film erschreckend schnell ein begeistertes Publikum, das auch über die dunkelsten Witze lachen kann. Doch auch wenn viele Situationen eine gewisse Komik enthalten, bleibt das Lachen doch häufig im Halse stecken. Obwohl der Führer ein wenig aus der Zeit fällt, ist er intelligent genug, sich anzupassen, die Medien zu instrumentalisieren und wird keineswegs als Witzfigur präsentiert. Im Gegenteil: er erscheint erschreckend real und viel menschlicher als das "Monster", zu dem er immer stilisiert wird. In diesem Sinne wird auch dem kritischsten Zuschauer der Spiegel vorgehalten, denn in gewissen Teilen beginnt man beim Zusehen sogar, das Ekelpaket sympathisch zu finden...


Die weiteren Schauspieler (Christoph Maria Herbst, Katja Riemann und Fabian Busch,...) und Figuren rund um den wiedergekehrten Führer verkörpern dabei die verschiedenen Reaktionen der Bevölkerung: Gelassenheit, Gleichgültigkeit, Panik, Misstrauen, Begeisterung, Ungläubigkeit - viele widersprüchliche Emotionen werden durch diese historische Person geweckt, was allein schon ein Zeichen ist, dass dieses Trauma noch lange nicht verarbeitet ist.
 
Doch neben der fiktiven Komponente des Filmes sind es vor allem die dokumentarischen Einschübe, die mich beim Zusehen abwechselnd in Panik, Ungläubigkeit und Abscheu angesichts so viel Dummheit versetzt haben. Abseits der genauen Romanverfilmung schickte Regisseur David Wnendt seinen Hitlerdarsteller (Wiener Burgtheater-Schauspieler Oliver Masucci) nämlich mit versteckter Kamera auf die Straße. Die somit entstandenen echten Impressionen der allgemeinen Stimmung geben der Komödie einen beängstigend realen Touch. Es ist verstörend zu sehen, wie wenig Leute es stört, dass ein als Hitler verkleideter Mann auf dem Marktplatz sitzt und Parolen skandiert, wie viel Zuspruch er selbst in seiner so offensichtlich provokanten Rolle mit seinem Verständnis für die Sorgen und Nöte des kleinen Mannes bekommt und wie viele Menschen -sich in der Sicherheit eines vertraulichen Gespräches wiegend- der alten Ideologie nicht abgeneigt sind. Wenn die einzige Reaktion der Masse auf eine als Hitler verkleidete Person am Brandenburger Tor ist, ein Selfie machen zu wollen, läuft doch eindeutig etwas schief, oder nicht?!
 
Gerade das Ende setzt der gesamten Provokation noch einmal eine Spitze auf und es bleibt das Gefühl von Hilflosigkeit zurück und die Frage, ob Satire wirklich alles darf, ob wir schon bereit dafür sind, uns ernsthaft mit unserer Vergangenheit auseinanderzusetzen und vor allem: wie lange es dauern wird, bis ein neuer Tyrann die Schwächen unserer Gesellschaft erkennt und ausnutzt...
 
Ich habe viel nachgedacht und mich gegruselt - das ist ja eigentlich kein schlechter Anfang!
 
Hier noch der Trailer:
 
 

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