Allgemeines:
Titel: Free Like The Wind
Autorin: Kira Mohn
Genre: New Adult
Verlag: Rowohlt, KYSS (26. Januar 2021)
ISBN-10: 3499004003
ISBN-13: 978-3499004001
Seitenzahl: 368 Seiten
Weitere Bände: Wild Like A River (Band 1, Rezi)
Preis: 9,99€ (Kindle-Edition)
12,99€ (Broschiert)
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Inhalt:
Rae wirkt nach außen wie jede andere 20-Jährige, innerlich jedoch ist sie zerbrochen. An einem schrecklichen Tag vor vier Jahren hörte ihre Welt auf, sich zu drehen – und sie steht auch heute noch still. Rae ist erstarrt, gefangen in den Scherben ihres Lebens. Bis die Idee einer Freundin sich in ihr festsetzt: wandern gehen in einem von Kanadas Nationalparks. Weite Landschaften. Nur sie und die Natur. Genauer gesagt: nur sie, die Natur und Cayden. Ausgerechnet Cayden. Er ist ein Aufreißer, nimmt nichts ernst. Doch in seinen Augen liest Rae etwas, das sie schmerzhaft gut kennt …
Bewertung:
Achtung: Die Lektüre dieses Buches kann zu einem schwerwiegenden Anfall von Fernweh führen!
Diesen Warnhinweis hätte ich schon gerne dem ersten Band der Kanada-Dulogie, "Wild Like A River" vorangestellt gesehen. Denn die Setting-Magierin Kira Mohn entführt auch im zweiten Band ihrer Reihe in den Jasper-Nationalpark in Kanada, welcher mehr als einmal den Wunsch in mir geweckt hat, ich würde nicht in Deutschland festsitzen. Doch auch "Free Like The Wind", welches genau heute erscheint, hat viel mehr zu bieten, als bildreiche Naturbeschreibungen und lässt den Auftaktband mit reiferen Figuren, einer leidenschaftlicheren Liebesgeschichte und den intensiveren Gefühlen hinter sich zurück.
Das Cover ist dem ersten Teil sehr ähnlich gestaltet und entführt mit dem dunstigen See bei Morgengrauen und dem lila Ahornblatt im Vordergrund in die Wildnis Kanadas. Genau wie bei "Wild Like A River" dominieren zarte, süße, mädchenhafte Farben und der weiße, wohlklingende Titel ist haptisch hervorgehoben. Auch hier setzen sich die Blatt-Motive innerhalb der Buchdeckel fort und zieren jeden Kapitelanfang, der immer aus Raes Sicht startet, um dann später zu Caydens Perspektive zu wechseln. So bekommen wir einen rundum Einblick in die Gefühle und Gedanken der beiden Protagonisten, die aus sehr unterschiedlichen Gründen zusammen auf eine Wanderauszeit in den Nationalpark gehen und dort nicht nur Ruhe und Erkenntnis, sondern auch zueinander finden...
Erster Satz: "Rae? Ist alles in Ordnung?"
Zu Beginn ist völlig ausgeschlossen, dass die ruhige, zurückhaltende Rae und der arrogante, zynische Playboy Cayden zusammen wandern gehen wollen, geschweige denn, dass sich mehr zwischen ihnen entwickeln könnte. Kira Mohn hat hier keine typische Haters-to-Lovers-Geschichte geschrieben - die beiden könnten bloß unterschiedlicher nicht sein, wissen nichts miteinander anzufangen und haben keine besonders hohe Meinung vom jeweils anderen. Während Cayden sich mit wechselnden Bettgeschichten ablenkt, negative Gedanken mit Gin und Sport betäubt und weder sein Studium noch seinen Job in einer renommierten Kanzlei ernst zunehmen scheint, versucht Rae krampfhaft, weiterhin die perfekte, unkomplizierte Tochter zu sein, in deren Rolle sie hineingerutscht ist, als ein schrecklicher Tag vor drei Jahren ihre Familie auseinandergerissen hat. Als die beiden sich aber wiederholt durch Haven und Jackson, deren jeweils beste Freunde, um die es in "Wild Like A River" geht, über den Weg laufen, können sie nicht ignorieren, dass sie etwas von dem Schmerz in den Augen des jeweils anderen wiedererkennen...
"In seinen Augen jedoch schimmern noch immer Spuren der Qual, die vor wenigen Minuten in Wellen von ihm ausging, und mir fällt plötzlich das Atmen schwer, weil ich dieses Gefühl so gut kenne. Die meisten Menschen nähern sich in ihrem ganzen Leben einem solchen Gefühl nur sehr selten an, und das ist gut so. Die Welt wäre ein sehr hoffnungsloser, grauer Ort, würden alle ihr Leben so dicht am Abgrund leben. Cayden jedoch tut es. Und ich bin fast sicher, spätestens in diesem Moment erkennt er, dass wir das gemeinsam haben."
Auch wenn ich den ersten Teil der Reihe schon sehr mochte, hat "Free Like The Wind" etwas, das mir bei Havens und Jacksons Geschichte gefehlt hat: Intensität. Zwar bleibt Kira Mohn ihrem typischen, geruhsamen Erzähltempo und der zarten Annäherung ihrer Figuren treu, dennoch hatten die Gefühle ihrer Protagonisten mehr Power und konnten mich besser erreichen. Durch die unerfahrene Haven als Hauptfigur wirkte der erste Teil noch sehr zart und harmlos und mir hat zwischen ihr und Jackson ein bisschen die Chemie gefehlt. Von jener haben Cayden und Rae aber mehr als genug. Gerade dadurch, dass die Autorin sich viel Zeit lässt, die beiden zusammenzuführen und ihnen viele Steine in den Weg legt, kann sich die Vertrautheit und auch die Anziehungskraft zwischen ihnen langsam entwickeln und steigern. Auch abseits ihrer realistischen Annäherung sind mir die beiden Protagonisten mehr ans Herz gewachsen als die des ersten Teils. Versteht mich nicht falsch, auch Haven und Jackson waren toll. Cayden und Rae wirken aber reifer, haben mit ernsthafteren Problemen zu kämpfen und sind auf so herzzerreißende Art und Weise zerbrochen, dass man sie einfach heiß und innig lieben muss. Vor allem Cayden hat mir mit seinem gut verborgenen Leiden, seiner einfühlsamen Kilgrave-Empathie und seinem destruktiven Verhalten laufend das Herz gebrochen und sich mit seinem langsamen Genesungsprozess einen Platz in meinem Herz gesichert. Auch Rae ist ein lebendiger, vielschichtiger Charakter, den man nicht so schnell vergisst.
"Manchmal ist man vielleicht zu zerbrochen. Nicht alles lässt sich kitten, und wenn das eigene Innere aus Milliarden Scherben besteht, ist es schlichtweg unmöglich, kleinste Splitter wieder zusammenzufügen. Ich habe es versucht, ernsthaft versucht, doch in jedem einzelnen Fragment ließ sich Leahs Gesicht erahnen. Oder war es meins?"
Besonders gut gefällt mir auch das Setting, das Kira Mohn sich als Rahmen für diese Liebesgeschichte ausgedacht hat. Schon im ersten Teil durften wir ja einen Blick in das Leben einer Rangerin im Jasper Nationalpark erhaschen, hier bekommen wir das Setting jedoch noch einmal aus der Sicht zweier Stadtmenschen erzählt, die in der Wildnis nur zu Besuch sind. Und, was soll ich sagen: aus dieser anderen Perspektive erscheinen die Landschaft und ihre Tierwelt fast noch magischer.
Sehr gefreut hat mich, dass wir diesmal länger als nur für die Einleitung im Wald verweilen und der Haupthandlungsstrang im Nationalpark spielt. Zwischen Zelten, auf abgelegenen Trampelpfaden und mit Tütensuppenaromatisierten Nudeln am Fluss bleibt herrlich viel Zeit, sich eingehend mit den beiden Figuren und deren Beziehung zueinander zu beschäftigen und die wenigen ablenkenden Einflüsse sorgen dafür, dass man ihr gegenseitiges Öffnen sehr intensiv beobachten kann. Genau diese Intimität hat dazu beigetragen, dass ich das Buch innerhalb von zwei Nachmittagen verschlungen habe und das langsame Erzähltempo keine einzige Länge hervorruft. Die Autorin hat hier mehr auf Gefühl gesetzt als auf Handlung - und die Rechnung geht auf!
"Der Himmel über dem Fluss ist übersäht davon, sie hängen über uns wie eine Myriade winziger Fenster in andere Welten. Zum ersten Mal scheinen die riesigen Bäume um uns herum mich nicht zu erdrücken, sondern zu beschützen. Ich sitze in einer Art Waldnest, während mein Verstand versucht zu umreißen, dass wir von dort oben selbst nur ein winziger Lichtpunkt sind; dass alles nur eine Frage der Perspektive ist. Mein Verstand kapituliert."
Total verliebt habe ich mich auch in Kira Mohns humorvollen, sarkastischen Schreibstil und die tollen Naturbeschreibungen. Von dem wunderschönen, wilden, lebendigen Ambiente in Kanadas Wildnis, die dieser Geschichte das perfekte Herbstfeeling entlocken, will ich gar nicht erst anfangen... Dass die Autorin einen tollen Humor hat, konnte ich nicht nur den witzigen Nachrichten entnehmen, die sie mir geschickt hat, während ich das Buch gelesen habe (bei Vorableseaktionen werden Autoren manchmal etwas nervös, da das Buch zum ersten Mal jemand der Book-Community außerhalb des Verlags zu lesen bekommt ;-)), sondern auch den vielen innovativen Ideen wie Timbit-Verhandlungen, Kondom-Wasserbomben, Kaninchen-Begräbnisse oder die ab und an absurde Ironie in Gedanken und Konversationen. Trotz des königlichen Humors schreckt Kira Mohn nicht zurück, uns einige ziemlich ernste Themen um die Ohren zu knallen und ab und an eine Szene einzuschieben, bei der man ganz schön schlucken muss. Doch keine Angst - trotz der vielen tragischen Anklänge und einigen negativen Emotionen, handelt es sich hier um ein Wohlfühlbuch mit einem alles in allem vorhersehbaren Verlauf, herzerwärmender Story und gütigen Versprechen auf ein Happy End, die über jedem Problem schweben.
Das Ende gefiel mir ebenfalls sehr gut, da es nicht mit Glitzer um sich geworfen hat, wie man das leider auch viel zu oft liest. Es gibt keine überstürzte Heirat, ein Prolog mit Kindern und Co und auch ansonsten wird alles herrlich offengelassen. Kurz vor dem Epilog kam bei mir der Gedanken auf, dass Kira Mohn ruhig ein wenig konkreter bezüglich der Problematik mit Caydens Vater und dem einhergehenden Drama hätte sein können, doch dann löst die Autorin die Geschichte auf vier Seiten so gekonnt, ergreifend und bittersüß auf, dass ich mir im Nachhinein kein besseres Ende hätte vorstellen können!
Fazit:
Mit den beiden vielschichtigen, zerbrochenen Charakteren, der zarten, aber doch intensiven Romanze, dem magischen Setting, dem angenehme, flüssige Schreibstil und dem hinreißenden Ende vereint "Free Like The Wind" alles, was ich mir von einer Geschichte des Genres wünschen würde. Zwar erzählt Kira Mohn auch diesen Roman sehr langsam und ausführlich, der zweite Teil ihrer Kanada-Dulogie überzeugt aber mit mehr Power und Intensität als der erste Teil.
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