Dienstag, 19. Januar 2021

Serienempfehlung: Bridgerton

Sie ist momentan in aller Munde: die neue Netflix-Produktion "Bridgerton". Die von Chris Van Dusen geschaffene und von Shonda Rhimes produzierte amerikanische Fernsehserie hatte als spätes Weihnachtsgeschenk am 25. Dezember 2020 ihre Premiere und in wenigen Wochen Millionen von Menschen begeistert. Ich war einer davon. Denn auch wenn die Handlung so süß, oberflächlich und bunt ist, wie es nur historische Romanzen sein können, hat die Serie doch genügend interessante Elemente, um sie von anderen Kostümdramen abzuheben und sie zur perfekten Lockdown-Ablenkung zu machen. Mittlerweile sind 2 Staffeln erschienen, Netflix hat aufgrund des großen Erfolgs jedoch gleich noch mehr bestellt. Die Rezension dreht sich um die erste Staffel, was ich zu Staffel 2 denke, könnt Ihr am Ende des Beitrags lesen. 

Darum geht´s (in Staffel 1):

London, 1813. Die High Society der englischen Hauptstadt blickt auch in der diesjährigen Ballsaison gespannt auf die Debütantinnen, die zum ersten Mal auf dem Heiratsmarkt vorgestellt werden. Die jungen Mädchen müssen sich dabei nicht nur mit tadellosem Benehmen und schönem Aussehen durch die zahlreichen Veranstaltungen retten, sondern sich auch dem Urteil der britischen Königin stellen und dem Klatsch der geheimnisvollen, skandalhungrigen Autorin Lady Whistledown aussetzen. Auch Daphne Bridgerton (Phoebe Dynevor) die älteste Tochter einer der angesehensten Familien, begibt sich auf die Suche nach einem gutaussehenden und vermögenden Gatten von möglichst hohem Rang und Ansehen. Mit Simon Basset (Regé‑Jean Page), dem Duke of Hastings, hätte sie eigentlich einen perfekten Kandidaten gefunden, doch bald findet sie heraus, dass er geschworen hat nie zu heiraten. Anstatt zu resignieren, nimmt sie das kurzerhand als Chance und schließt mit ihm den Pakt, eine Romanze vorzutäuschen. Was als Trick, um Daphne begehrenswerter wirken zu lassen und Simon die Mädchen vom Hals zu halten begann, wird jedoch bald komplizierter, als die beiden Gefühle füreinander entwickeln...


Deshalb sollte ich mir die Serie ansehen:

"Bridgerton" ist frei nach der gleichnamigen Romanreihe von Julia Quinn umgesetzt, die gemeinhin als die "Jane Austen der Moderne" gefeiert wird. Die erste Staffel orientiert sich am ersten Band der achtbändigen Reihe, "Der Duke und ich", in dem es in erster Linie um Daphnes erst intrigante und dann romantische Verstrickung mit dem Duke of Hastings geht, stellt aber ganz im Stil einer Serieneröffnung die gesamte Bridgerton-Familie und weitere im späteren Verlauf der Reihe wichtige Figuren vor. Umrahmt und kommentiert wird diese bunte Figurenschau durch die Erzählerin Lady Wistledown (gesprochen von Julie Andrews) - die geheimnisvolle Herausgeberin eines Klatschblattes, deren Identität eine der treibenden Rätsel der ersten Staffel ist. 

Zugegebenermaßen - besonders viele weitere spannungsaufbauenden Elemente der Handlung gibt es nicht. Die Serienmacher lassen sich hier gerade zu Beginn sehr viel Zeit, in die schöne Scheinwelt der Londoner High-Society und in das Leben der Debütantin Daphne einzuführen. Aufwändige Kleider, opulente Bälle, Anstandsdamen, Gentleman-Clubs, Kutschen und frühlingshafte Gärten voller Blumen - die Serie entführt hier in eine strahlende, perfekt anmutende Welt, die nur selten getrübt wird durch kurzes Aufblitzen von Realismus wie beispielsweise einen kurzen Ausflug ins "echte London" abseits der gepflegten Hauptstraßen oder Anrisse der Probleme der Frauen. Zwar bringt Daphnes Schwester Eloise (siehe rechts) einen Schwung feministische Selbstbestimmungsfantasien mit ein und auch Daphne selbst äußerst ab und an ihren Unmut darüber, nicht selbst über ihr Schicksal entscheiden zu dürfen, alles in allem finden sich die meisten Figuren aber mit ihrer heilen, langweiligen und männerbestimmten Welt ab. Auch ansonsten bekommen wir nicht besonders viel von der "Regency" mit. Während Englands Agrargesellschaft mit revolutionärer Wucht zur Industriegesellschaft wächst und dabei alle sozialen, kulturellen, politischen Fundamente durchschüttelt, beschränkt sich die Geschichte ganz auf das vorherrschende Problem des "Tons": reich heiraten. 

Der Fokus der Serie liegt also ohne Frage auf dem Unterhaltungswert und problematischere Themen werden nur kurz und oberflächlich angeschnitten. Geht man also mit der Erwartung einer historisch korrekten und bedeutungsvollen Auseinandersetzung mit dem London des frühen 19. Jahrhunderts an die Serie heran, wird man schnell gelangweilt sein. Sucht man jedoch eine Unterhaltungsserie mit hohem Identifikationspotential, liebenswerten Figuren und einer charmanten Umsetzung, ist man hier genau richtig. Gebrochene Herzen, Existenzängste, Familienleben, gesellschaftliches Positionieren, öffentlichkeitswirksames Auftreten, Klatsch und Tratsch, Ablenkung in den Problemen anderer sowie der Wunsch nach Selbstverwirklichung und der wahren Liebe - Während wir Daphne und Simon auf ihrem steinigen Weg begleiten, merken wir bald, dass die Menschen im 19. Jahrhundert ähnliche Probleme hatten, wie wir heute. Mit der achtköpfigen Familie Bridgerton (siehe Bild rechts), dem Duke und dessen Tante Lady Danbury, den schrillen Featheringtons um die ambitionierte Lady Portia und den verschuldeten Lord Archibald mit drei Töchtern im Heiratsalter, Prudence, Philippa und Penelope, sowie einer ärmlichen Cousine vom Lande, Marina Thompson, diversen Hausangestellten, Künstlern, Arbeitern und weiteren Debütantinnen des Tons steht uns eine bunte Palette an verschiedenen Figuren zur Verfügung, mit denen wir während der 8 einstündigen Folgen mitfiebern können.

Ich fasse zusammen: tolle Kostüme, liebenswerte Figuren, eine recht vorhersehbare Story mit oberflächlichen, aber unterhaltsamen und leicht nachvollziehbaren Themen - das klingt wie eine typische History-Romanze vom Reißbrett. Was macht die Serie also so erfolgreich? Hier kann ich natürlich nur spekulieren, es gibt aber einige interessante Elemente, die die Umsetzung hervorstechen lassen. Der erste Punkt ist die sehr moderne Aufmachung. So werden beispielsweise aktuelle Popsongs wie Billy Eilishs "Bad Guy" oder "Wildest Dream" von Taylor Swift von klassischen Streichorchestern gespielt in Ballszenen eingebaut, Feuerwerk und Regenschauer peppen Tanzszenen auf und die Farbgebung von Kleidern, Setting und Natur erinnert an ein Disney-Märchen. Letzteres steht hingegen wiederum in starkem Kontrast zu der FSK-Freigabe ab 16 Jahren. Habe ich mich zu Beginn noch darüber gewundert, so sprechen die vielen nackten Hintern, die man bald sieht, eine eindeutige Sprache. So harmlos, süß und züchtig die Geschichte auch beginnt, so stürmisch und überraschend leidenschaftlich wird die Liebesgeschichte nach einigen Folgen erzählt. Das sexuelle Erwachen der unaufgeklärten Hauptperson wird mit einigen recht freizügigen aber geschmackvoll inszenierten Sexszenen dargestellt. Dass das gut beim Publikum ankommt, haben schon "Outlander" und "Game of Thrones" bewiesen...

Was jedoch für die meiste Aufregung um die brandneue Serie geführt hat, ist die diverse Besetzung. Es beginnt bei Königin Charlotte, zieht sich durch den gesamten Hofstaat und endet beim Duke Simon, dem zweiten Hauptprotagonisten - wichtige Rollen sind mit Angehörigen aller Kulturen und Hautfarben besetzt. Historisch korrekt ist das natürlich nicht und man kann das immer häufiger auftretende "Colourblind Casting" in verschiedene Richtungen diskutieren - mir hat der daraus resultierende Effekt aber sehr gut gefallen. Wenn man anfangs noch gedanklich stockte, wenn man die dunkelhäutige Queen sah, nahm man das nach wenigen Folgen überhaupt nicht mehr wahr, da es so selbstverständlich geworden ist. Der Kostümfilm ist ein sehr weißes Genre, aber warum nicht nachträglich die Hürden in unseren Köpfen überwinden und moderne Rückblicke als Abbild einer Gesellschaft gestalten, wie wir sie gerne hätten? Ich finde das ein sehr schönes und zeitgemäßes Zeichen gegen Rassismus, auch wenn ich Kritik hinsichtlich der historischen Korrektheit verstehen kann.

Bevor ich noch zum Trailer komme, will ich Euch noch den Tipp geben, die Serie unbedingt in Originalsprache anzuschauen, um den britischen Akzent und die köstlich hochgestochene Sprache genießen zu können ("it was delightful, ideed"😂😁). Wer sich lieber die Übersetzung zu Gemüt führen will, kann sich aber auch an der erstaunlich gut gelungenen Synchronisation erfreuen. Ob nun deutsch oder englisch - die 8 Folgen der ersten Staffel vergehen wie im Flug und machen Lust auf die Fortsetzungen!


Ergänzungen zur Staffel 2: Da mir Daphnes Bruder Anthony, der in der zweiten Staffel als Hauptfigur im Vordergrund steht, in der ersten Staffel nur mäßig sympathisch war, hatte ich keine besonders großen Erwartungen zur Fortsetzung. Sehr überrascht war ich dann, als mich Staffel 2 vom ersten Auftauchen der beiden aus Indien angereisten Sharma-Schwestern, von denen vor allem die älteste - Kate - Anthony ganz schön in die Bredouille bringt, gecatcht und nicht mehr losgelassen hat. Nachdem ich alle 8 Folgen beendet habe, kann ich nun mit Sicherheit sagen: die Fortsetzung hat meine Erwartungen haushoch übertroffen. Denn die auf dem Buch "Wie bezaubert man einen Viscount" basierenden Staffel 2 kann was Look, Gestaltung und Kostüme angeht definitiv mit der ersten Staffel mithalten, übertrifft diese hinsichtlich der Figuren, der Handlung und der Atmosphäre aber um Längen! Nicht nur erhalten alle Figuren hier mehr Profil, auch die Liebesgeschichte wird mehr durch die Chemie zwischen Anthony und Kate als durch explizite Sexszenen vorangetrieben. Vielleicht liegt meine Begeisterung für Staffel 2 jedoch auch daran, dass hier mein Lieblingstrope "Enemies to Lovers" par excellence zum Leben erweckt wird....😊

Fazit

"Bridgerton" ist eine moderne Kostümfilm-Romanze mit diversem Colourblind-Casting, opulentem Look, aktuellen Popsongs, liebenswerten Figuren und einer recht vorhersehbaren Story mit oberflächlichen, aber unterhaltsamen und leicht nachvollziehbaren Themen. Kurzum: die perfekte Unterhaltung für Zwischendurch!


Zum Trailer der ersten Staffel:

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