Eine Serie, die mich über Frühjahr und Sommer des letzten Jahres (es fühlt sich immer noch komisch an, das zu schreiben, da 2020 gefühlsmäßig für mich immer noch nicht vorbei ist) begleitet hat, die es aber bislang aus Zeitgründen nicht auf den Blog geschafft hat, ist "Haus des Geldes". Die spanische Fernsehserie (Original: "La casa de papel", wörtlich „Das Haus des Papiers“) von Álex Pina wurde von Netflix übersetzt und groß rausgebracht, sodass sie mittlerweile Fans (und vereinzelte Nachahmer) auf der ganzen Welt hat.
Auch mich hat die Geschichte über den Überfall auf eine spanische Banknotendruckerei in Staffel 1 und 2 und später auf die spanische Zentralbank in Staffel 3, 4 und 5 mitgerissen und so überzeugt wie lange keine Serie außerhalb des Fantasygenres mehr.
Darum geht´s:
Acht verzweifelte Verbrecher, ein mysteriöser Drahtzieher und der größte Raubüberfall in der Geschichte Spaniens...
Als "der Professor" acht Spezialisten, die sich um ihre auf verschiedenen kriminellen Gebieten dazu überredet, nach seinem minutiös geplanten Ablauf die Banknotendruckerei Spaniens zu infiltrieren, Geisel zu nehmen und sich dort zu verschanzen, um sich selbst insgesamt 2,4 Milliarden Euro zu drucken, wissen sie noch nicht, welchen medialen Rummel die Aktion auslösen wird, welche emotionale Anstrengung die elf Tage hinter dem Gelddrucker mit sich bringen und wie schwer es wird, die Spezialkräfte der spanischen Polizei hinters Licht zu führen...
Darum sollte ich mir die Serie ansehen:
Da mein Serienmarathon und meine letzte Begegnung mit den Figuren schon ein Weilchen zurückliegen, habe ich die Dokumentation "Haus des Geldes - Das Phänomen" angeschaut, um meine Erinnerungen aufzufrischen. Dort erhält man nicht nur einen einmaligen Blick hinter die Kulissen, erfährt von ungeahnten Problemen, Schwierigkeiten und dem überraschenden Erfolg der Serie, sondern bekommt auch analysiert, was die Serie international so erfolgreich gemacht hat. Inspiriert von diesen Gedanken habe ich mir 10 Gründe überlegt, aus denen es sich unbedingt lohnt, einen Blick auf diese Serie zu werfen.
1. Die Figuren: "Haus des Geldes" wartet schon in der ersten Staffel mit einem bunten Strauß aus sehr unterschiedlichen Figuren auf. Da sind nicht nur die acht Profi-Gangster, der Professor und die Hauptermittler, sondern auch eine ganze Menge Geisel, von denen einige ins Rampenlicht rücken. Wer den Überblick behalten will, sollte ein gutes Namensgedächtnis mitbringen. Es hilft allerdings, dass die Figuren sehr kurz aus dem Off vorgestellt werden und sich erst nach und nach weiter ausdifferenzieren und ihre Klischees hinter sich lassen. Vom genialen Soziopathen über den rassistischen Psychopathen, das impulsive Partygirl bis hin zum nerdigen Surferboy und der bestimmten Matrone sind alle Typen dabei, die eine Geiselname zum Brodeln bringen können. Besonders beeindruckend ist, dass die Figuren, so unterschiedlich sie auch sein mögen, alle sehr menschlich und somit geeignete Identifikationsfiguren sind. Sie machen Fehler, stehen unter Druck, sind verletzlich, überfordert, leidenschaftlich und können deshalb wunderbar bewundert, nachvollzogen oder verabscheut werden. Selbst die Bösewichte - es gibt hier eine Menge ambivalenter Figuren - sind so differenziert gezeichnet, dass man Mitgefühl mit ihnen hat und die eigenen Fehler in ihnen erkennt. Wenn man davon ausgeht, dass eine Serie immer nur so gut ist, wie ihre Figuren, würde allein der erste Punkt schon ausreichen, um "Haus des Geldes" zum Highlight werden zu lassen.
2. Der Humor: Wer jetzt denkt, "Haus des Geldes" sei grausam, düster und hochspannend, der hat damit nicht ganz unrecht, lässt aber den grandiosen Humor unter den Tisch fallen. Immer wieder lockern Wortwitze, verrückte Lachen oder peinliche Situationen die spannende Atmosphäre auf und der schwarze Humor an den unpassendsten Stellen ist einfach zum Schießen!
3. Die Symbolik: Die Serie hat mit "Bella Ciao" nicht nur eine pathetische Hymne, die um die Welt gegangen ist und als Verbrüderung auf der Leinwand wunderbar funktioniert, sondern auch durch die roten Anzüge und die Dali-Masken einen eigenen Look. Sieht man irgendwo Overalls und Masken, kann das sofort zur Serie zurückverfolgt werden und das scheint auch einer der Gründe zu sein, weshalb es überall auf der Welt Nachahmer der Symbolik gibt. Doch auch das Setting ist voll von Symbolik. Die Farbe Rot ist in vielen wichtigen Details zu sehen (Telefon, Banner, Teppiche), die Kostüme sind auf den düsteren, aber prachtvollen Look abgestimmt und Waffen und fliegendes Geld tun ihr Übriges.
4. Die Leidenschaft: Jede Serie, die das Publikum begeistert, hat eine große Liebesgeschichte. Auch in "Haus des Geldes" mangelt es an tragischen und unmöglichen Liebesgeschichten keineswegs. Ganze fünf Paare hat die Serie zu bieten und auch abseits der prickelnden Romantik prägt die Leidenschaft und Impulsivität, die man den Spaniern nachsagt, das Geschehen mit.
5. Die Unberechenbarkeit: Diese Leidenschaft und Impulsivität führen auch dazu, dass die Handlung so unvorhersehbar ist, wie eine Serie nur sein kann. Hier gibt es keine falsche Sicherheit oder Momente zum Herunterkommen. Schon früh zeigt die Serie, dass hier zu jeder Sekunde alles passieren kann... oder nichts. Die ständigen Spannungen zwischen den Figuren, der hoher Druck durch die gefährliche Situation, die bleibende Bedrohung durch die Einsatzkräfte aber auch durch Teammitgliedern oder Geisel tun ihr übriges und man kann kaum eine Sekunde still sitzen. Leider sind die Serienmacher auch sehr gnadenlos, was den plötzlichen Serientod geliebter Figuren angeht und so schützt auch die Liebe des Publikums eine Figur nicht vor einer plötzlichen Kugel in die Brust...
6. Die Authentizität: Was "Haus des Geldes" trotz der teilweise leicht überdrehten Handlung und des am Limit rennenden Erzähltempos trotzdem greifbar und lebendig macht, sind viele authentische Details. Beispielsweise hätten die Pläne zu den beiden großen Coups tatsächlich funktioniert und gerade im zweiten Teil, also in Staffel 3, 4 und 5 beruhen die Einbruchstechniken auf von Ingenieuren entwickelten Ideen. Auch Verletzte werden beispielsweise von echten Ärzten genäht.
7. Der Dreh am Limit: Wie man in der Doku zur Serie erfährt, leben nicht nur die Figuren, sondern auch die Darsteller und Serienmacher am Limit. Das Drehbuch wurde erst während des Drehs geschrieben und zum Teil spontan geändert - und diese Dynamik merkt man der Serie auch an.
8. Die Erzählweise: Als Unterstützung in der chaotischen und schnellen Handlung bekommen wir die Erzählerin Tokio zur Seite gestellt, die die Geschehnisse aus ihrer Sicht wiedergibt, aus dem Off kommentiert und die Figuren vorstellt. Sie ist zwar keine Figur, die man auf Anhieb mag, aber eine durchaus interessante Erzählerin, da sich ihre Ansichten schnell ändern und sich damit unsere Perspektive auf das Geschehen auch ständig im Wandel befindet. Ebenfalls sehr spannend ist, dass die Handlung nur wenige Tage und Stunden abdeckt. Die Konstruktion ist also sehr ähnlich zu einer meiner anderen Lieblingsserien "Prison Break". Auch dort beginnt der Coup bereits in der ersten Folge und wir erfahren erst im Laufe der Zeit durch Vor- und Rückgriffe den genauen Plan. Hier muss der Zuschauer also ein kompliziertes Puzzle zusammensetzen, um zu verstehen, was der Professor über Jahre entwickelt und über Monate in einem spanischen Landhaus mit der Truppe durchgeplant hat.
9. Die Inszenierung: Gerade in den Staffeln 3, 4 und 5 lässt sich das höhere Budget durch Netflix deutlich erkennen, denn was hier abgedreht wurde, ist definitiv hollywoodreif. Explosionen, Schießereien, Unterwasserdrehs, Liveoperationen und Geldbäder auf der Straße - die Umsetzung kann sich hier eindeutig sehen lassen.
10. Die Gesellschaftskritik: Als letzten Punkt will ich die leise Kapitalismuskritik loben, die hier subtil mitschwingt. Die Serie will zwar in erster Linie unterhalten und erst hintenangestellt eine Message senden, die leicht anarchistische Stimmung, den Idealismus des Professors und die sehr negative Darstellung von Spaniens Regierungsapparat deuten aber ein wenig Gesellschaftskritik an.
Ergänzungen zur Staffel 5: In zwei Hälften über das Jahr 2021 verteilt, ging die Staffel 5 online, die den zweiten Überfall abschloss und damit das Finale der Serie bildete. Da ich die Staffel 5 erst nach dem Schreiben dieser Serienempfehlung gesehen habe, folgen hier noch einige Ergänzungen. Die erste Hälfte des Finales setzt direkt nach dem fiesen Cliffhanger in Staffel 4 an und porträtiert einen hochspannenden Showdown zwischen den Soldaten und unseren Helden vor kriegsähnlicher Kulisse. Auch wenn die filmische Umsetzung der Explosionen, Schießereien und taktischen Manöver nach wie vor einwandfrei ist, blieb dieser Teil für mich leicht hinter den vorherigen Staffeln zurück, da die Figuren zwischen den vielen Actionszenen zu wenig Raum bekamen. In der zweiten Hälfte der fünften Staffel, die im Dezember 2021 erschien, ist das Verhältnis zwischen Action und leisen Szenen wieder ausgeglichener, sodass die Serie zu einem guten Ende gebracht wird.
Fazit
Die dichte Atmosphäre, die spannenden Figuren und der straffe Handlungsbogen sind nur drei der vielen Gründe, weshalb "Haus des Geldes" eine hohe Suchtwirkung ausbildet und absolut sehenswert ist!
PS: Die Geschichte ist nach zwei Staffeln eigentlich perfekt zu Ende erzählt, danach startet ein neuer Überfall. Hier wäre also ein perfekter Zeitpunkt, aufzuhören. Wer aber einmal in den Sog der Geschichte geraten ist, muss aber natürlich auch den weiteren Coup anschauen, der sich über die letzten 3 Staffeln zieht.
Hier noch zum Trailer:
Bild-Quellen: lizenzfrei von Pixabay.de
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