"Sex/Life" ist eine US-amerikanische Drama-Fernsehserie, die mir von @miyu_by_nadine auf Instagram empfohlen bekommen habe. Wir tauschen uns schon eine Weile über Bücher und Serien aus und scheinen einen ganz ähnlichen Geschmack zu haben, sodass ich der noch recht neuen Netflix-Serie gerne eine Chance gegeben habe. Mit 8 dreivierteilstündigen Folgen ist die erste Staffel auch nicht so lang, dass man sich das dreimal überlegen müsste. Und Nadine hatte recht: die von Stacy Rukeyser auf Basis des Romans "44 Chapters About 4 Men" von BB Easton entwickelte Serie konnte mich total gut unterhalten, wenngleich auch nicht inhaltlich überzeugen... Meine Meinung zur 2023 erschienenen abschließenden zweiten Staffel findet Ihr am Ende der Serienkritik.
Darum geht´s:
Das denke ich darüber:
"Sex/Life" wurde in der Kritik fast durchweg verrissen, hat aber in kurzer Zeit großartige Quoten bei den ZuschauerInnen eingestrichen. Wie erklärt man sich das? Na klar, "sex sells"! Das Erotik-Drama richtet sich ganz eindeutig an Fans von Filmen wie "50 Shades of Grey" oder "365 Tage" und versucht auf dem Sex-Hype mitzuschwimmen, der auch Produktionen anderer Genres wie "Bridgerton", "Outlander", "Game of Thrones", "The Witcher" oder "Sex Education" zu großem Zuschauererfolg geführt hat. Die Suchtwirkung will ich der Serie gar nicht absprechen - bei mir hat sich diese offensichtlich auch entfaltet, da ich trotz inhaltlicher Mängel bis zum Ende dabeigeblieben bin - etwas mehr Fokus auf dem Drama-Part hätte der Serie aber eindeutig gut getan!
Hochglanzerotik vor dekadenter Kulisse, stimmungsvoll mit Elektrobeats unterlegte Sexszenen und gutaussehende Figuren, die jede Menge Projektionsfläche für die ZuschauerInnen bieten. Das ist es, was hier schlussendlich die Zuschauerzahlen nach oben getrieben hat. Zwar sind die vielen expliziten Szenen tatsächlich geschmackvoll umgesetzt, etwas weniger "Sex" und etwas mehr "Life" wäre aber für eine inhaltlich ausbalancierte Serie trotzdem angebracht gewesen. "Sex/Life" hätte nämlich durchaus das Potential gehabt, eine Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Weiblichkeit, eine kritische Betrachtung des Ehekonzepts und eine Darstellung von weiblichem Verlangen zu werden. Billies Midlife-Crisis, die für sie die Fragen aufwirft, ob es das nun schon war, was sie auf dem Weg zum durchschnittlichen Traum einer Frau alles opfern musste und was ein früheres Ich wohl von der Frau halten würde, die sie geworden ist, ist nämlich erstaunlich gut dargestellt.
Der Wunsch danach, sich als Frau, sich begehrt zu fühlen und sich über ihrer Familie nicht selbst zu verlieren, löst in Billie dann die Sehnsucht nach mehr aus und bringt sie dazu, eine Menge "was wäre wenns" durchzuspielen. Teil dieser Überlegungen und Fantasien ist auch immer ihr Exfreund Brad, der sie zwischen dem was richtig wäre und dem, was sie eigentlich will zerreißt - zwischen der Verantwortung ihrer Familie gegenüber und dem Drang, wilde Seiten an sich auszuleben. Der Konflikt lebt also von widersprüchlichen Polen. Selbstbestimmung und Freiheit stehen hier Egoismus und Verantwortung gegenüber, Sicherheit wird zugunsten von abenteuerlicher Gefahr aufgegeben und auch die beiden Männerfiguren stehen in einem glasklaren Gegensatz zueinander. Immer nachvollziehbar und sympathisch wirken die drei Hauptfiguren dabei nicht, die Dynamik war aber interessant zu beobachten. Außerdem half der Gedanke, dass man die inhaltliche Passung wahrscheinlich nicht so sehr hinterfragen würde, wenn die Geschlechterrollen umgekehrt wären.... Ein Hinweis darauf, dass wir gesellschaftlich immer noch nicht soweit sind, dass selbst fiktionale Figuren sich von Erwartungen und klaren Rollenbildern lösen können.
Leider setzt die Serie im Laufe dieses Konflikts weniger auf Analysen von Billies aktuellem Gefühlszustand und mehr auf reine Rekapitulationen ihrer vergangenen Sexabenteuer mit Brad. Zwar erfahren wir durch die Rückblicke auch schrittweise, weshalb sie sich überhaupt erst von Brad getrennt hat und bei Cooper gelandet ist, für meinen Geschmack wird im Laufe dessen aber eindeutig zu viel auf Erotik und Nacktheit gesetzt. In jeder zweiten Szene ist mindestens einer der Hauptdarsteller nackt und (selbstverständlich) sehen auch alle aus wie Models und haben zirkusreife Akrobatik drauf. Das geschah wohl auch, um über die vielen Wiederholungen des Skripts hinwegzutäuschen. Denn neben dem erstaunlich gut dargestellten Konflikt und den bunten Rückblicken ist die Handlung nämlich leider sehr leblos und ließ mich mit den platten Dialogen und dem Mangel an Einfallsreichtum mehrmals die Augen verdrehen. Weitergeschaut habe ich trotz dass sich originelle Ideen und eine freche, spritzige Umsetzung vermissen lassen, bis sich das gelegentliche Augenrollen in handfeste Ärgernis verwandelt hat. Denn mit der letzten Folge (die die ZuschauerInnen wohl schockieren oder überraschen sollte) wird die geringe inhaltliche Glaubwürdigkeit der Figuren endgültig zugunsten eines Cliffhangers für eine zweite Staffel zerstört. Hätte ich die Serie, die mich unterm Strich ganz gut unterhalten hat, zuvor noch an Fans von romantischen Dramen weiterempfohlen, war ich nach dem unbefriedigenden Ende ziemlich enttäuscht und unentschlossen, ob ich mir eine weitere Staffel Hin-und-Her noch geben würde.
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