Allgemeines
Titel: Weit über der smaragdgrünen See
Autor: Brandon Sanderson
Illustrator: Howard Lyon
Verlag: Piper (2. November 2023)
Genre: Fantasy-Abenteuer
/Seitenzahl: 513 Seiten
Originaltitel: Tress of the Emerald Sea (übersetzt von Simon Weinert)
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Inhalt
Bewertung
"Weit über der smaragdgrünen See" von Brandon Sanderson ist erst am 2. November als das erste von mehreren Geheimprojekten des Bestsellerautors bei Piper erschienen. Da ich schon so viele Worte des Lobes über den Autor gehört habe, mich die Länge seiner Reihen aber immer ein bisschen abgeschreckt hat, habe ich nun diesen Einzelband als Gelegenheit genutzt, mal etwas von dem Autor zu lesen. Und schon nach wenigen Kapiteln habe ich verstanden, weshalb Brandon Sanderson als Science-Fiction und Fantasy-Phänomen gefeiert wird: Die Geschichte, die er hier erzählt ist zwar völlig skurril, dabei aber herrlich unterhaltsam, einfallsreich und charmant geschrieben!
Bevor ich mich ganz dem Inhalt widme ein paar Worte zur Gestaltung des Buches: Ich bin ein großer Fan!!! Angefangen mit dem toll gestalteten Cover in smaragdgrüner Farbe mit passenden Farbakzenten in Schwarz und Gold, bis hin zum Innenleben ist dieses Buch ein Gesamtkunstwerk. Auf dem Cover zu sehen ist ein Mädchen - unsere Hauptfigur Tress -, die mit einer ihrer geliebten Tassen in den Hand und wehenden Haaren auf einem Felsen in einem schimmernden Meer steht und nach dem von Ranken umwobenen Mond greift. Damit werden eigentlich dem Originalcover folgend alle wichtigen Motive der Geschichte gelungen aufgegriffen und durch die Farbauswahl wirkt die Komposition zudem sehr edel. Auch die Innenseiten der Buchdeckel sind mit dem wilden Rankenmuster und den beiden Tassen (inklusive einer Ratte) detailreich und passend gestaltet. Damit beginnt die tolle Gestaltung allerdings erst und ich könnte vermutlich meine gesamte Rezension nur damit zubringen, über die Details zwischen den beiden Buchdeckeln zu schwärmen. Zunächst ist die Geschichte durch schön gestaltete Trennblätter in 6 Teile geteilt. Zusätzlich gibt es 64 Kapitel, die immer mit einem passenden Symbol beginnen. Dieses passt sich optisch dem Meer an, auf dem sich die Figuren gerade befinden und wächst außerdem über die Handlung hinweg immer weiter an. Und dann sind da ja natürlich auch noch die Illustrationen von Howard Lyon. Egal ob ein kleines Detail am Ende eines Kapitels oder eine halbseitige, ganzseitige oder zweiseitige Zeichnung - die schwarz-weißen Illustrationen sind atmosphärisch und passen ganz wunderbar zur Geschichte!
Mit diesen Worten beginnt diese einzigartige Mischung einem Märchen und einem Piratenabenteuer in einer Science-Fiction-Welt mit Fantasy-Elementen. Im Endeffekt handelt es sich hier beim Aufbau der Geschichte um eine klassische Heldenreise - nur dass hier die "holde Maid" ihren Traumprinzen rettet und nicht umgekehrt. Auf über 500 Seiten verfolgen wir hier, wie Tress ihre Heimat verlässt, über die gefährlichen Meere zieht, sich dabei in allerlei Gefahren verstrickt und sich auf ein wildes Abenteuer begibt, das Seemonster, Geheimexperimente, Meutereien, eine sprechende Ratte, einen Drachen und eine böse Zauberin beinhaltet. Eine Wendung am Ende der Geschichte habe ich schon lange vor ihrer Enthüllung geahnt und auch der grobe Aufbau ist durchaus bekannt, insgesamt fand ich die Geschichte dank ihrer explosiven Mischung aus spannenden Themen und Motiven aber herrlich originell und unvorhersehbar. So konnte mich "Weit über der smaragdgrünen See" trotz zwischenzeitlich leichter Längen durchweg abholen und gefangen nehmen.
Die wirkliche Besonderheit der Geschichte ist allerdings, dass sich abenteuerliche Handlung vor einer ungewöhnlichen Kulisse abspielt. Brandon Sanderson entführt hier in eine Welt, die im Schatten mehrerer Monde existiert, welche konzentrierten Äther in Form von Sporen auf die Erde niederregnen lassen. Diese Sporen sammeln sich in zwölf verschiedenfarbigen Ozeanen und reagieren stark auf Wasser. Während grüne Sporen beispielsweise zu wilden Ranken auskeimen, explodieren rote zu spitzen Kristallen - ein Umstand, der einem als Seefahrer auf diesen Ozeanen durchaus zum Verhängnis werden kann. Die Menschen wohnen deshalb auf Inseln und schützen sich mit Salz oder Silber vor den Sporen, die tödlich sein können, wenn sie am eigenen Körper mit Flüssigkeit reagieren. Unsere Protagonistin Tress kommt im Laufe ihres Abenteuers aber durch ihre Aufgabe als Schiffskeimerin darauf, die Sporen und deren besondere Eigenschaften für ihre Zwecke zu nutzen und kreiert interessante Apparaturen, die das Magiesystem noch interessanter machen.
Wäre das noch nicht originell genug, mischt der Autor die recht schlicht entwickelte, technologielose Welt mit Personen von fremden Sternen, die neumodische Elektronik mit sich bringen und die Eingeborenen des Planeten an Magie glauben lassen. Alles in allem empfand ich dieses Worldbuilding als etwas verwirrend, aber durchaus sehr originell und einfach mal etwas anderes. Allerdings wird immer nur erklärt, was aktuell für die Geschichte von Bedeutung ist und viele Teile der Welt und des Universums bleiben unerforscht. Beim Lesen kamen mir noch viele Fragen, die nicht beantwortet wurden und bei genauerem Nachdenken gab es auch immer wieder kleinere Details, die für mich keinen Sinn ergaben (Zum Beispiel: Wo kommt das Grundwasser her, wenn der Regen immer gleich mit den Sporen reagiert? Wovon ernähren sich die Möwen, die es über dem Sporenmeer gibt? etc.). Besonders der größere Kontext, in den diese Welt eingebettet ist, blieb mir ein Rätsel. Ich nehme stark an, dass das daran lag, dass ich viele der Anspielungen als Neuling im Brando-Sando-Universum einfach nicht verstanden und viele der Namen und Figuren nicht wiedererkannt habe, die in anderen Reihen des Autors eine Rolle spielen.
Komplettiert wird der spezielle Leseeindruck aus spannender Handlung und originellem Worldbuilding durch die besondere Erzählperspektive des Romans. Statt aus der Perspektive unserer Hauptfigur Tress zu erzählen, hat der Autor den Schiffjungen Hoid als Erzählstimme gewählt. Da dieser nach einem Zusammentreffen mit der Zauberin seinen Verstand verloren hat, ist der Erzählton dieses Abenteuers dementsprechend absurd und heiter. Er spricht uns LeserInnen immer wieder direkt an, macht unpassende Witze, holt zu aberwitzigen Anekdoten aus oder bringt in der Erzählreihenfolge etwas durcheinander. Im Nachwort schreibt der Autor, dass er noch vorhat, einen weiteren Roman über Hoid zu schreiben und sich hier an seine Erzählstimme herantasten wollte, ich nehme also an, dass er als Figur im Brando-Sando-Universum auch sonst eine Rolle spielt. Für mich hat dieses von ihm als allwissender Erzähler ausgebreitete Abenteuer auf jeden Fall schonmal dazu geführt, gerne mehr über ihn erfahren zu wollen.
Im Vordergrund steht trotz der ungewöhnlichen Erzählperspektive die junge Tress. Als vormals schüchternes Mädchen, dem es sehr schwerfällt, anderen Umstände zu bereiten, hat sie es unter Piraten erstmal nicht leicht und macht im Laufe der Geschichte eine enorme Entwicklung durch. Dabei glänzt sie mit ihrer liebenswerten Mischung aus Naivität und Neugier sowie ihrer erstaunlich großen Portion Menschenverstand. Ich denke ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass es sich bei ihr um den am besten von einem männlichen Autor geschriebenen weiblichen Charakter handelt, den ich dieses Lesejahr kennenlernen durfte. Auch die Nebenfiguren konnten mich mit viel Einfallsreichtum und Charme überzeugen. Sei es die Schiffzimmermännin Ann, die gerne Kanonen abfeuern würde, aber nicht zielen kann, der furchtbar schlechte Schiffskoch Fort, der über ein magisches Brett kommuniziert, die redselige Ratte Huck, die Steuerfrau Salay, die fest davon überzeugt ist, dass Tress eine Agentin des Königs ist - man muss sie einfach alle ins Herz schließen! Umso mehr gefreut hat mich, dass die Geschichte nach 514 ereignisreichen Seiten für alle ein gelungenes Ende bereithält!
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