Allgemeines
Titel: Clancy
Interpret: Twenty One Pilots -
Tyler Joseph (Vocals und Instrumental)
und Josh Dun
(Percussion)
Label: Fueled by Ramen (24. Mai 2024)
Genre: Electronic/Alternative-Rock/Rap, Indie-Irgendwas-IDK
Titel:
13 Songs (47:18 min)
Weitere Alben: Scaled and Icy (2021)
Trench (2018)
Blurryface (2015)
Vessel (2013)
Regional at Best (2011)
Twenty One Pilots (2009)
Link:
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Über das Album:
Wenn Ihr aufmerksame Verfolger dieses Blogs seid, wisst Ihr, dass ich schon seit mehreren Jahren ein großer Twenty One Pilots Fan bin und auf die Veröffentlichung jedes neuen Albums hinfiebere. Kaum zu glauben, dass seit dem letzten Album - "Scaled and Icy" - bereits wieder drei ganze lange Jahre vergangen sind. Tyler Joseph und Joshua Dun haben die Zeit aber gut genutzt und ein neues Album mit 13 Songs aufgenommen. Nach drei einzeln veröffentlichten Singles ist das ganze Album mit dem Titel "Clancy" nun seit dem 24. Mai 2024 endlich streambar. Seitdem ich das Album mit einer Listening Party begrüßt habe, liefen die Tracks von "Clancy" rauf und runter und nachdem ich nun einige Zeit hatte, um meine Gedanken zu ordnen, muss ich Euch nun natürlich noch ausführlich erzählen, was ich von der Musikneuerscheinung DES JAHRES halte...
Trackliste
🎜1. Overcompensate (3:56; 1. Single) | 🎜8. Lavish (2:38) |
🎜2. Next Semester (3:54; 2. Single) | 🎜9. Navigating (3:43) |
🎜3. Backslide (3:00; 3. Single) | 🎜10. Snap Back (3:30) |
🎜4. Midwest Indigo (3:16) | 🎜11. Oldies Station (3:48) |
🎜5. Routines in the Night (3:22) | 🎜12. At the Risk of Feeling Dumb (3:23) |
🎜6. Vignette (3:22) | 🎜13. Paladin Strait (6:28) |
🎜7. The Craving (Jenna's version; 2:54) | 🎜Gesamt: 47:18 min |
Meine Eindrücke:
Wie die letzten Alben ist auch das neue Album vom Plattenlabel Fueled by Ramen herausgebracht worden und hat die Clique schon vor dem Erscheinungstermin mit Videos, versteckten Hinweisen und Briefen in wildes Rätselraten versetzt. Twenty One Pilots sind bekannt für ihre komplexen und tiefgründigen Texte, die oft mit Symbolik und versteckten Anspielungen gespickt sind und sich über die vergangenen Jahren zu einer komplexen Storyline zusammengefügt haben.
Um zu erklären, wo genau "Clancy" inhaltlich in dieser Geschichte ansetzt, muss man zunächst ein bisschen ausholen und in das Twenty-One-Pilots-Narrativ einsteigen (hierzu kann ich übrigens auch dieses Video empfehlen). Im vorletzten Album "Trench" hat das Duo aus Ohio die zuvor schon eingebundenen Protagonisten wie zum Beispiel Tylers Alter Ego Blurryface, das seine tiefsten Ängste und Dämonen verkörpert, durch eine Reihe neue ergänzt und die zuvor unterschwellige Zusammenhänge der Songs zu einem ganzen Handlungsstrang ausgeweitet. Mit Dema lernten wir in "Trench" eine dystopische Welt kennen, in der neun böse Bischöfe eine Religion namens Vialism predigen und den Suizid verehren. Jeder Bischof repräsentiert verschiedene Aspekte der menschlichen Angst und Unsicherheit. Die Hauptfigur in dieser Erzählung ist Clancy, ein Charakter, der für den Kampf gegen die inneren und äußeren Dämonen steht. In den "Trench"-Songs wird Clancys Fluchtversuch aus Dema beschrieben, wobei er auf eine Gruppe namens Banditos trifft, die ihn bei seinem Ausbruchsversuch unterstützen. Diese Gruppe symbolisiert Hoffnung, Widerstand und Gemeinschaft in einer Welt, die von Dunkelheit und Verzweiflung geprägt ist. Allerdings gelang ihm die Flucht am Ende nicht. Im nächsten Album, "Scaled and Icy", war er deshalb gezwungen, für die Bischöfe Propaganda-Videos aufzunehmen, was den anderen Erzählton des Albums erklärt. Mit dem Album "Clancy", das nach dem Protagonisten benannt ist, kehrt die Geschichte nun erneut nach Dema zurück und steuert auf den letzten Kampf zu, in dem Clancy seine MitbürgerInnen befreien möchte.
Dementsprechend wurde vorab erwartet, dass es sich mit "Clancy" ebenfalls wieder um ein Konzeptalbum wie "Trench" mit stark ausgeprägter Lore handeln würde. Überraschenderweise gehen allerdings nur der erste Song - "Overcompensate" - und der letzte Song des Albums - "Paladin Strait" explizit auf die Rahmengeschichte Clancys ein und ansonsten werden neben Anspielungen eher für sich alleine stehend kleine Geschichten erzählt. Die Hardcore-Fans sind aber natürlich dennoch wieder fleißig am Puzzeln und Spekulieren, um Verbindungen und Anspielungen zur vorherigen Alben zu finden. Und wenn man genau hinsieht, ist hier auch ein Narrativ zu finden, aber viel weniger komplex und nicht so aufdringlich, dass man sich beim Hören gezwungen fühlen würde, sich damit auseinanderzusetzen. Es scheint, als würde Tyler immer weniger von der Lore abhängig sein, um sich inhaltlich mit den üblichen Themen wie Angst, Mental-Health, Einsamkeit, Langeweile, Tod, Verlust und Selbstzweifel auseinanderzusetzen, sondern immer mehr den Mut findet, sich frei auszudrücken. So fühlt sich das Album sehr persönlich und an vielen Stellen geradezu intim an. Und ist es nicht auch das, worum es in Clancys Kampf geht...?
Auch musikalisch geht das Album in eine etwas weniger düstere Richtung als gedacht und bietet keine direkte Rückkehr zum eher schwergängigen "Trench"-Sound, sondern eine Mischung aus alten und neuen musikalischen Elementen. Von rockigen Tracks über introspektive Akustikstücke bis hin zu epischen, cineastischen Arrangements zeigt die Band sich vielfältig, experimentell und kreativ. Der kraftvolle Opener "Overcompensate" bringt die Hörer mit energetischem Alternative Rock sowie Lines aus "Bandito" zurück nach Trench und hat als erste Single sofort Eindruck gemacht und sich als unschlagbarer Favorit platziert, bevor überhaupt die anderen Songs erschienen sind. Die zweite und dritte Singles "Next Semester" und "Backslide" scheren inhaltlich allerdings schon wieder aus und nehmen sich Zeit, Tylers Studienzeit zu reflektieren und den Kampf zwischen Fortschritt und Rückfall zu thematisieren.
An vierter Stelle folgt dann mit "Midwest Indigo" eine Rekapitulation von Tylers Kindheit im mittleren Westen der USA mit poppigem Piano-Sound und eingängigem Chorus. "Routines in the Night" hingegen kombiniert melodischen Gesang mit harschen Raps und intensiven Drums, was an den Sound von "Blurryface" erinnert und am ehesten ein Song fürs Radio wäre. Inhaltlich beschreibt der Song Clancys nächtliche Routinen und die Gedanken, die ihn in diesen stillen Stunden verfolgen, genauer die Suche nach Frieden inmitten von Dunkelheit. Auch "Vignette" erinnert an den älteren TOP Sound (z.B. an die Melodie von "The Pantaloon") und hat sich mit dem chaotischen Mix aus verschiedenen Klängen (auch Vogelgeräusche sind wieder am Start) und intensiven Drums zu meinem zweitliebsten Song des Albums gemausert. Auch danach geht es abwechslungs- und kontrastreich weiter. Zunächst widmet Tyler in "The Craving" seiner Frau eine Liebesballade, die in zwei Versionen - "Jenna´s Version" mit Ukulele und roher Stimme und "Single Version" mit ausproduziertem Sound - daherkommt, bevor in "Lavish" die Oberflächlichkeit der Musikindustrie kritisiert wird. Mit poppigen Melodien und humorvollen Texten ("Sip a Capri-Sun like it’s Dom Pérignon" oder "I see your problem is your proctologist / Got both hands on your shoulder while you´re bottomless") erinnert der Song ein wenig an "Scaled and Icy" und ist für mich trotz der Kontroversen einer meiner Favoriten!
"Navigating" ist dann wieder ein energiegeladener Track mit Indie-Rock-Einflüssen und elektrisierenden Gitarrenriffs, der es laut Interviews ohne Joshs Fürsprache gar nicht auf das Album geschafft hätte (danke dir an dieser Stelle, Josh!!). Hier geht es um die Suche nach Orientierung und Richtung im Leben, woran "Snap Back" direkt anknüpfend die Herausforderungen beschreibt, die mit Veränderung und persönlichem Wachstum einhergehen. Auch wenn "Clancy" durchgängig mit wirklich hoher Qualität besticht, ist das sehr repetitive "Snap Back" für mich leider der schwächste Song des Albums. Das darauffolgende "Oldies Station" ist für mich der Inbegriff des Nostalgie-Gefühls und mit der Botschaft "When darkness rolls on you / Push on through" der positivste, motivierendste Song der Platte. Auch im dynamischen "At the Risk of Feeling Dumb" gibt es eine direkte Aufforderung an uns Hörer - gut auf uns selbst und unsere Freunde acht zu geben und lieber einmal zu viel vorbeizuschauen.
Und zuletzt schließt das Album mit "Paladin Strait", einem epischen, akustischen Finale, in dem neben Streichern und verschiedenen Blasinstrumenten auch eine minutenlange Pause mit Vogelgezwitscher auf das Ende des Albums vorbereitet. Inhaltlich wird hier die Trench-Storyline auf ihren Höhepunkt gebracht, aber anders als erwartet endet Clancys Kampf mit einem Cliffhanger, der annehmen lässt, dass die Storyline entgegen der Ankündigung doch noch nicht zu Ende erzählt ist. Manche Fans spekulieren sogar auf ein Doppelalbum, in dem der neunjährige Spannungsbogen dann ein Ende finden würde. Ich bin auf jeden Fall riesig gespannt, was da noch kommen mag! Hervorheben möchte ich an dieser Stelle auch wieder die toll produzierten Musikvideos zu den Songs. Ein besonderes Highlight ist vor allem das zu "Paladin Strait", das es durchaus mit dem ein oder anderen Hollywood-Film aufnehmen könnte!!!! Angesichts dieses cinematischen Meisterwerks verzeiht man den etwas verspäteten Release des Videos, das eigentlich schon zum 24. Mai angekündigt war, aber dann doch erst Ende Juni herauskam, sehr gerne.
Die Lore ist spannend, die Tracks und Videos toll produziert, die Themen vielfältig und die Songs originell. Doch das ist es nicht, was "Clancy" für mich zum Hit-Album gemacht hat. Da mich die Musik schon seit meinen früheren Teenager-Jahren begleitet, ist es jedes Mal etwas Besonderes, wenn neue Musik von Tyler und Josh erscheint. Zu "Clancy" hatte ich aufgrund der Intimität der Texte und der experimentellen Kreativität aber sofort einen ganz besonderen Zugang. Anders als bei anderen Alben, in die ich mich erstmal reinhören musste, haben viele Songs dieses Albums schon gleich beim ersten, zweiten oder dritten Hören für mich "geklickt". Mit den Genresprünge und dem reichhaltigen Inhalt ist "Clancy" für mich also der Inbegriff, des "Twenty One Pilot" Sounds, der sich aber spürbar weiterentwickelt hat. Die
beiden Künstler haben hier also mal wieder die größte Angst ihrer Fans
widerlegt: obwohl sie mittlerweile die größten Stadien füllen können, passen
sie sich nicht der Mainstream-Kultur an und versuchen immer wieder etwas
Neues, wobei ihre nachdenkliche und unkonventionelle Spielart und der
kompromisslose Genremischmasch jedoch immer beibehalten wird. Sieben Alben
haben wir nun hinter uns, sieben Alben voll mit Tracks, die mit den
Genre-Grenzen spielen, ständig Neues ausprobieren, dabei unzählige Hits
abliefern und trotzdem ihren typischen originellen "TOP-Stil"
beibehalten. Wer von der Band also noch nichts gehört hat, muss dringend mal
vorbeihören!
Fazit
"Clancy" ist eine triumphale Rückkehr zu den erzählerischen Wurzeln von Twenty One Pilots und bietet eine Mischung aus alten und neuen musikalischen Elementen. Die Produktion ist makellos, die Videos beeindruckend und die Fortsetzung der Lore um Clancy fesselnd. Fans der Band werden nicht enttäuscht sein und können sich auf eine tiefgehende, musikalische Reise freuen.
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