Allgemeines
Titel: Die Insel der Tausend Leuchttürme
Autor: Walter Moers
Verlag:
Penguin (6. September 2023)
Genre: Fantasy Briefroman
ISBN: 9783328600060
Seitenzahl: 656 Seiten
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Inhalt
Bewertung
Nordseeromantik trifft apokalyptische Fantasy - so könnte man Walter Moers´ neuen Roman in einem Schlagwort zusammenfassen. In seinem 10. Zamonien-Roman entführt der Autor nämlich durch die Feder von Hildegunst von Mythenmetz auf "Die Insel der Tausend Leuchttürme", wie die im Nordmeer gelegene Kurinsel Eydernorn im Volksmund genannt wird. Was zunächst nach einer erholsamen Kurreise klingt, entwickelt sich nach und nach zu einem mysteriösen Abenteuer, das erneut mit einem Moer´schen Maß an Fantasie und Kreativität besticht.
Meine Ausgabe ist die neue Taschenbuchausgabe des im letzten Jahr neu erschienenen Romans (der mit dem stolzen Preis von 42€ die Fans nicht gerade fröhlich gestimmt hat). Mit 20€ ist das Taschenbuch zwar immer noch recht preisschwer, die tolle Gestaltung entschuldigt dafür allerdings wieder üppig. "Die Insel der Tausend Leuchttürme" hat mit dem grün gemauerten Hintergrund, der absurde Meereslebewesen zeigt, dem großen gelben Titel inklusive Strandlörper und dem Bull-Auge in der Mitte ein typisches Zamonien-Cover, das wunderbar zu den Gestaltungen der anderen Romane passt. Besonders ist allerdings wieder die Gestaltung im Inneren des Buches und vor allem die vielen Illustrationen.
Neben einer Karte von Eydernorn enthält das Buch 19 Briefe, die Hildegunst von Mythenmetz während seines Kuraufenthalts an seinen langjährigen Freund Hachmed Ben Kibitzer verfasst hat. Wie üblich nimmt sich Walter Moers dabei aus der Geschichte heraus und inszeniert sich auf einer Meta-Ebene als Übersetzer der Geschichte, der nur mit einem Vorwort und Nachwort die Mythenmetz´schen Briefe abrundet. Ausgeschmückt sind diese wie immer mit zahlreichen Skizzen und Illustrationen, die das Gesehene, wissenschaftliche Beobachtungen, Ideen (MYthenmetzsche GEIstesBlitze; MYGEIBLI) und Abschriften aus anderen Informationsquellen an uns LeserInnen übermitteln. Zusätzliche Informationen gibt es in einem Mittelteil mit Notizen und Skizzen sowie in einem Anhang mit weiteren Illustrationen, die keinem seiner Briefe zugeordnet werden konnten.
Der Menge an Informationen, Details und Vorstellungen, die wir allein durch die Skizzen und die besondere Machart des Romans erhalten, entsprechend ausgestaltet ist auch das Worldbuilding. Eydernorn wird mit so viel Liebe zum Detail beschrieben, dass man sich beinahe selbst auf den gewundenen Pfaden zwischen den Leuchttürmen und den geheimnisvollen in Eydernorner Platt murmelnden Bewohnern wähnt. Der Roman nimmt sich sehr viel Zeit die Geologie, Flora, Fauna, Kulinarik, Kultur und Geschichte dieser besonderen Insel zu erkunden. Egal ob lange Dünenspaziergänge mit Gegenwind, ausschweifende Museumsbesuche, skurrile Behandlungen im Sanatorium, Leuchtturmbesichtigungen, Kraakenfieken-Partien (ein Golfähnlicher Inselsport) oder die kulinarische Verkostung von Tiefseefischen - die Handlung beschränkt sich im ersten Dreiviertel des Buches vor allem auf Dinge, die den Bewohnern von Zamonien als alltäglich erscheinen würde, uns LeserInnen allerdings mit fantasievollem Detailreichtum begeistern. Besonders die Hummdudel und Küstengnome bleiben durch ihre charmante und skurrile Darstellung im Gedächtnis. Zwar mag dieser starke Fokus auf das Worldbuilding für manche LeserInnen zu ausschweifend oder gar langweilig sein, wer sich darauf einlassen kann, wird allerdings mit vielen fantasievollen Ideen belohnt.
Bis auf Spannungsspitzen wie das der imaginären Kartografie und des Ausflugs zur Stadt ohne Türen, plätschert die Geschichte demnach erstmal lange Zeit gemächlich vor sich hin. Von gelegentlichen Anspielungen oder sonderbaren Vorkommnissen, die jedoch erstmal nicht weiter betrachtet werden, abgesehen, scheint sich die Geschichte auf kein festgelegtes Ziel zuzubewegen. Erst im letzten Viertel wird der Spannungsbogen plötzlich extrem gestrafft, als wir gemeinsam mit Hildegunst die verborgene Wahrheit hinter den Leuchttürmen, den seltsamen Wetterphänomenen und den geheimnisvollen Marotten der Bewohner erkennen. Und bevor man es sich versieht wird aus dem entspannt plätschernden Kurbericht im Handumdrehen eine ausgewachsene, hochspannende Apokalypse. Besonders faszinierend ist dabei, wie der Autor es schafft, die vielen Fäden der Geschichte im Finale zusammenzuführen und rückblickend so manches, was vorher vielleicht überflüssig erschien, in einem neuen Licht erstrahlen zu lassen. Im Zusammenspiel mit dem langsamen Einstieg wirkt der Spannungsbogen sehr unausgewogen, was allerdings sehr gut ins ohne experimentelle erzählerische Konzept passt und dem Ende ein umso größeres Überraschungsmoment verschafft. Klar ist: Nicht jeder wird mit den 450 Seiten einleitender Aufbau für den Showdown mitgehen wollen, für mich war es aber alles in allem ein lohnenswertes Leseerlebnis!
Das liegt nicht zuletzt auch am kurzweiligen Schreibstil des Romans, welcher in direkter Verbindung zum Hauptprotagonisten Hildegunst von Mythenmetz steht. Als furchtloser Abenteurer, hypochondrischer Forscher und detailverliebter Autor ist er eine der sympathischsten Figuren des Zamonien-Universums und darüber hinaus ein großartiger Erzähler. Selbstironisch, wortgewandt und mit einem scharfen Blick für die Absurditäten der Welt, führt er uns durch dieses Abenteuer und spart dabei nicht mit kreativen Ausschweifungen, Wortspielen, sarkastischem Humor und Mythenmetzschen Geistesblitzen. Auch wenn es nicht sein erstes Abenteuer ist, bekommt er genügend Raum, sich als Figur und Erzählstimme neuen LeserInnen vorzustellen. Zwar stellt er in Form von Fußnoten Verbindungen zu früheren Zamonien-Romane her, die für Kenner eine wahre Freude sind, gibt sich allerdings große Mühe, Neueinsteiger nicht zu sehr zu strapazieren. So kann man auch als Einzelband wunderbar der Geschichte folgen, bekommt allerdings große Lust, auch die früheren Abenteuer des Autors zu lesen!
Hallo Sophia,
AntwortenLöschenach ja, diese detailverliebten Ausschweifungen ist man ja nicht anders von Hildegunst gewöhnt. :D
Ich mochte das Buch sehr gerne, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das Zamonien Neulingen empfehlen würde. Eben weil man mit den obengenannten langatmigen Erzählungen von Hildegunst zurecht kommen muss.
Danke dir aber für deine schöne Rezension! Da schlägt das Zamonien Herz höher. <3
Liebe Grüße
Diana von lese-welle.de
Hey Diana,
Löschenja ich denke auch für den Einstieg ist ein anderer Zamonien-Roman geschickter. Ich meinte damit nur, dass man es theoretisch als Neuling lesen kann, da es nichts über vorherige Geschichten spoilert und man keine besondere Informationen benötigt, um die Geschichte verstehen zu können. Es kann gut für sich allein stehen - aber natürlich wirkt es trotzdem besser, wenn man sich schon etwas im Universum auskennt!
Liebe Grüße
Sophia
Ach so, dass habe ich dann irgendwie falsch verstanden. :)
LöschenDa hast du natürlich recht, man benötigt kein großes Vorwissen.
Das finde ich toll an Walter Moers - er hat es geschafft ein Multiversum zu schaffen, das aufeinander aufbaut, dessen Geschichten aber auch alle (bis auf die Buchhaim-Trilogie) für sich selbst stehen können. So kann man super easy einsteigen wo man möchte. Das finde ich bei anderen Buch-Universen wie zum Beispiel dem von Brandon Sanderson so eine große Hürde - man muss eine Reihenfolge befolgen, sich informieren und wenn man einmal eine Lücke hat, versteht man GAR nichts mehr. Das ging mir zum Beispiel bei "Das Herz der Sonne" von ihm so - super ärgerlich!!!
LöschenGrüße!,
AntwortenLöschenhach Moers! ♥ Liebe den Autor, das Buch habe ich aber noch vor mir :D Er hat einfach so eine tolle Sprache. Etwas verrückt, voller Wortwitz und so viel Fantasy. Ich falle in seine Geschichten immer richtig rein. Der ruhige Einstieg ist dabei typisch Moers. ^^
Tintengrüße von der Ruby
https://rubystintengewisper.de/
Huhu,
Löschenja ich bin mittlerweile ein ausgewachsener Moers-Fan geworden! Das beschreibst du richtig gut, so geht es mir als auch. Als nächstes steht für mich jetzt der "Blaubär" an und danach "Die Stadt der träumenden Bücher" - beides habe ich schon da liegen. Bin super gespannt! Was war bisher dein Favorit von dem Autor?
Liebe Grüße
Sophia