
Allgemeines
Titel: That Girl
Autorin: Gabriella Santos de Lima
Verlag: HarperCollins (19. März 2024)
Genre: Roman
Seitenzahl: 289 Seiten
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Inhalt
Bewertung
"That Girl" von Gabriella Santos de Lima ist kein Liebesroman, das verspricht schon der Klapptext. 289 Seiten später muss ich allerdings feststellen: Es ist genauso wenig ein Selbstfindungsbuch, kein feministischer Roman, kein inspirierender Ratgeber, kein Entwicklungsroman, kein Mutmacher, keine Komödie und schon lange kein literarisches Vorbild. Es ist schlicht und einfach ein Roman über eine junge Frau, die sich verrannt hat, die das allerdings erst kurz vor Schluss erkennt....
Die Grundidee einer kritischen Auseinandersetzung mit der „That Girl“-Mentalität, toxischer Selbstoptimierung, Social Media und den Fallstricken modernen Datings klingt vielversprechend, leider bleibt sie aber lange Zeit auch genau das: eine Idee. Denn erst auf den letzten Seiten beginnt der Roman, sich ernsthaft mit diesen Themen zu beschäftigen, was für mich viel zu spät war, um daraus noch ein wirklich lesenswertes Buch zu machen. Statt Themen wie Sportsucht, Selbstinszenierung, emotionale Abhängigkeit, Grenzverletzungen in Beziehungen oder Bodyshaming aufzugreifen und kritisch zu hinterfragen, werden viele problematische Denk- und Verhaltensmuster einfach reproduziert, ohne sie richtig aufzuarbeiten. So kreist das Buch fast 260 Seiten ausschließlich um Männer, deren Blicke, deren Anerkennung, deren Meinung, deren Liebe. Der Fokus liegt beinahe obsessiv auf romantischen Beziehungen, die immer wieder ins Zentrum rücken, sei es durch die Romanze mit Leo oder Erinnerungen an vorherige Partnerschaften, die Tess´ Leben geprägt haben. Dass uns das Ende verkaufen möchte, eigentlich ginge es um Freundschaft, um Selbstliebe, um persönliche Entwicklung, wirkt dann leider eher wie ein nachgeschobenes Fazit, das die Erzählung selbst nicht glaubhaft trägt.
Auch die Hauptfigur Tess ist erstmal interessant angelegt, aber nicht zu Ende gedacht. Die junge Influencerin und Autorin könnte man in vielerlei Hinsicht als typisches Kind ihrer Zeit beschreiben, wenn man sich an den Millennial- und Gen-Z-Klischees bedienen möchte: Beziehungsunfähig, entscheidungslahm, gefangen in Optimierungszwängen, der Illusion von Authentizität und einem durchinszenierten Alltag. Doch was als schonungsloser Blick auf moderne weibliche Lebensrealitäten daherkommen könnte, liest sich stellenweise wie eine unreflektierte Reproduktion genau dieser Muster. Besonders störend fand ich dabei Tess’ internalisierte Misogynie, die sich in ihren Gedanken, in ihrem Umgang mit anderen Frauen und in ihrer Selbstwahrnehmung zeigt und leider unreflektiert bleibt. Ob das von der Autorin bewusst so angelegt ist oder unbeabsichtigt bleibt, wird leider nie ganz klar, was es schwer macht, sich als Leserin eine wirkliche Meinung von ihr zu bilden.
Auch der Ton des Romans wirkt über weite Strecken unentschlossen. Die Geschichte mäandert, bleibt vage, als wüsste auch sie nicht so recht, wohin sie will. Das mag als stilistisches Mittel funktionieren, schließlich spiegelt es Tess’ eigenen inneren Zustand, doch als Lektüre fühlt es sich oft unvollständig, sogar unausgereift an. Was bleibt, ist der Eindruck eines Romans, der sehr viel sein will: klug, progressiv, feministisch, schonungslos ehrlich. Am Ende wirkt "That Girl" jedoch eher wie "That Book" – eines, das mit den besten Vorsätzen in der Hälfte des Erkenntnisprozesses stecken geblieben ist.
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