Donnerstag, 6. November 2025

Klassiker Challenge: Das Gespenst von Canterville

Passend zu Halloween habe ich vergangene Woche "Das Gespenst von Canterville" von Oscar Wilde als Hörbuch gehört. Die Erzählung aus dem Jahr 1887 gehört zu den Gruselklassikern, der mehr unterhält als gruselt, und hat mir gut gefallen. 


Mein Eindruck

Im Fokus der Erzählung steht der erbarmungswürdige Hausgeist Sir Simon de Canterville, der seit Jahrhunderten das britische Anwesen seiner Familie heimsucht bis die amerikanische Familie Otis einzieht, die weder Aberglauben noch aristokratische Dramatik sonderlich ernst nimmt. Statt sich von dem Spuk beeindrucken zu lassen, gibt es praktische Ratschläge, Hustenbonbons, Maschinenöl und Hausmittel für den armen Geist, der darüber ganz verzweifelt wird. Oscar Wilde nimmt in dem Aufeinanderprallen zweier Welten sowohl britische Tradition als auch amerikanischen Fortschrittsgeist spöttisch aufs Korn und macht das mit so viel Witz, dass ich mehrfach schmunzeln musste.

"My Lord", erwiderte der Gesandte, "ich übernehme die Einrichtung und das Gespenst zum Taxpreis. Ich komme aus einem modernen Land, wo wir alles haben, was für Geld zu kaufen ist, und angesichts all unserer rührigen jungen Leute, die mit ihrer Unternehmungslust etwas Leben in die Alte Welt bringen und euch eure besten Schauspielerinnen und Primadonnen wegholen, denke ich mir, wenn es so etwas wie ein Gespenst in Europa gibt, dann haben wir es in kürzester Zeit zu Hause in einem unserer öffentlichen Museen oder als Sehenswürdigkeit einer Wanderschau."

Großen Anteil daran hatte auch das von Katharina Thalbach eingelesene Hörbuch. Die Sprecherin liest die Figuren mit so viel Spielfreude, Ironie und feiner Stimmnuance, dass die Geschichte regelrecht lebendig wurde. Man spürt jede beleidigte Geste des Geists, jede trockene Reaktion der Otis-Familie, jede eskalierende Frustration der Figur, die eigentlich furchterregend sein will, aber ständig gegen die Realität verliert. Was mir weniger gefallen hat, war das Ende: Die Erlösung des Geistes durch die „unschuldige Seele“ der Tochter Virginia ist in seiner moralischen Reinheit etwas dick aufgetragen. In seiner Zeit sicher wirkungsvoll wirkte das Ende etwas kitschig auf mich, aber in einer Erzählung, die  von Anfang an zwischen Satire und Sentimentalität pendelt ist das eigentlich nur konsequent. 

Fazit

Ein charmantes, überraschend humorvolles Geisterstück über Angst, Würde, Erlösung – und die Frage, wer hier eigentlich die größere Spukgestalt ist: der Geist oder die moderne Welt. Besonders empfehlen kann ich das Hörbuch mit Katharina Thalbach!

*keine WERBUNG, gehört über Bookbeat*

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