Hallöchen,
Seit Jahren wird der „Untergang des Buches“ prognostiziert: E-Books, Social Media und Serienkonsum sollen junge Menschen angeblich vom Lesen abhalten. Tatsächlich zeigen Statistiken, dass in vielen Altersgruppen international die Zahl der LeserInnen rückläufig ist, was zu Schlagzeilen über sinkende Auflagen, geringere Verkaufszahlen und die Krise der Buchbranche führt. Doch die Realität ist differenzierter: Zwischen 2019 und 2023 sind die Ausgaben für Bücher von und für junge Menschen bis 19 Jahre um knapp ein Drittel gestiegen. Das mag zwar auch an höheren Buchpreisen liegen, aber zeigt dennoch, dass das Buch keineswegs ein totes Medium ist, wie es häufig lamentier wird...
Wie steht Ihr dazu, dass wieder mehr junge Menschen lesen – und was sie lesen?
Die positive Nachricht zuerst: Junge Menschen lesen nach wie vor Bücher. Besonders in den Genres „Young Adult“ und „New Adult“ gab es in den letzten Jahren eine Verkaufssteigerung von rund 9%. Das finde ich in einem Sektor, dem wie gesagt seit Jahren der baldige Untergang vorausgesagt wird, durchaus beachtlich. Wenn man einen genaueren Blick auf die Zahlen wirft, sieht man allerdings noch einen zweiten Trend: besonders immer mehr junge Frauen lesen. Laut JIM-Studie 2024 lesen 37 % der Jugendlichen in Deutschland regelmäßig gedruckte Bücher. Die durchschnittliche Lesedauer werktags liegt bei 61 Minuten, wobei Mädchen mit 70 Minuten deutlich länger lesen als Jungen, die auf 53 Minuten kommen. Außerdem greifen doppelt so viele Mädchen mehrmals die Woche zu einem Buch als Jungen. Behält man dies im Kopf ist es wohl kaum verwunderlich, dass dementsprechend auch gewisse Themen und Genres auf dem Vormarsch sind: Romantasy, NA-Liebesgeschichten, hübsche Bücher mit Farbschnitt und TikTok-Hypes füllen zunehmend die Regale von Buchhandlungen und auch auf der Buchmesse sind diese Trends stark vertreten.
Wie bei jeder Entwicklung haben die kritischen Stimmen nicht lange auf sich warten lassen. Besonders am New-Adult-Trend(der im Feuilleton immer wieder mit Dark Romance durcheinandergeworfen wird, obwohl eine zweisekündige Google Recherche enthüllt hätte, dass das wirklich zwei komplett unterschiedliche paar Stiefel sind) wird immer wieder kein gutes Haar gelassen. Häufig wird das Genre als toxisch bezeichnet (wenn nicht zwischen NA und Dark Romance getrennt wird) oder pauschal als kitschige Realitätsflucht abgetan. Dabei können gut geschriebene NA-Geschichten endlich die Lebensrealitäten (junger) Frauen abbilden und ihnen in einem Genre Raum geben, wie es zuvor nie der Fall war. Auch wenn ich selbst aktuell immer weniger NA lese, finde ich die Möglichkeiten von gut geschriebenen NA-Geschichten sehr wertvoll und wurde von den Büchern, die ich über die vergangenen Jahre gelesen habe, positiv geprägt. Hier zeigt sich meiner Meinung nach die immer noch stark vorherrschende Misogynie in der Buchwelt, wenn stark abwertend über New Adult und Co berichtet wird, während die geistigen Ergüsse männlicher Autoren automatisch als literarisch hochwertig gefeiert werden.
Ein zweiter Kritikpunkt, den ich in jedem zweiten Artikel lese, betrifft Hype-Literatur, die nach massentauglicher Unterhaltung strebt. Plattformen wie BookTok oder Bookstagram machen besonders populäre Bücher sichtbarer, lassen Titel geradezu viral gehen und beeinflussen damit stark, welche Bücher auf den Bestsellerlisten, in den Buchhandlungen und im Regal landen. Das kann man durchaus kritisch sehen, da der Buchmarkt von Diversität und Perspektivreichtum lebt. Aber: es gibt ein so großes Angebot wie noch nie zuvor, Nischentitel werden von Erfolgstitel getragen und populäre Literatur kann junge Menschen motivieren, überhaupt wieder Bücher in die Hand zu nehmen, und eröffnet später die Chance, auch andere Genres zu entdecken.
Also ich für meinen Teil bin ich einfach nur froh, dass weiterhin gelesen wird, was gelesen wird, ist mir da beinahe egal. Denn wie ich auch an mir selbst bemerkt habe, verändert sich mit der Zeit, was man liest und die wenigsten Personen bleiben ihr ganzes Leben lang einem einzigen Genre oder Zielgruppenliteratur treu. Und selbst wenn sie das doch tun, ist das eben auch nicht schlimm, denn es gibt ja keine "bessere oder schlechtere" Literatur. Auch wenn man sein ganzes Leben lang "nur" Liebesgeschichten liest, verbessert das immer noch die Lesekompetenz, den Wortschatz und vor allem die Empathiefähigkeit - Eigenschaften, die junge Generationen in aktuellen Zeiten immer dringender benötigen!
Statt zu diskutieren, was die Jugend liest und woher sie die Anregungen dazu erhalten, sollten wir vielleicht eher unsere Aufmerksamkeit auf die Frage lenken, weshalb immer weniger Jungs und junge Männer zum Buch greifen. Es kann nicht am Angebot liegen - seit jeher wird hauptsächlich von Männern für Männer geschrieben und auch das Angebot weiblicher Autorinnen ist vielfältig und richtig sich nicht nur an eine festgelegte Zielgruppe. Die Gründe müssen vielmehr in gesellschaftlichen Faktoren wie Rollenbildern, Medienkonsum oder fehlenden Identifikationsfiguren liegen.
Die ersten Auswirkungen dieses Auseinandertriftens sehen wirnübrigens auch schon in Studien zu anderen Themen. Statistiken zeigen nicht nur, dass Frauen in Deutschland häufiger ein Studium aufnehmen und erfolgreich abschließen als Männer, sondern weisen auch auf eine politisch alarmierende Dimension hin: Laut Friedrich-Ebert-Stiftung 2025 unterscheiden sich junge Männer und Frauen zunehmend in ihrem Wahlverhalten. Während junge Frauen stärker zu linken Parteien tendieren, wenden sich junge Männer häufiger rechten oder rechtsextremen Parteien zu. Besonders auffällig ist der Anstieg der Unterstützung für die AfD unter jungen Männern. Einen direkten Kausalzusammenhang zum Leseverhalten von Generation Z und Alpha herzustellen wäre da natürlich übertrieben, aber es zeigt, dass es sich lohnt, über die strukturellen und kulturellen Faktoren nachzudenken, die junge Menschen – insbesondere junge Männer – davon abhalten, Bücher zur Hand zu nehmen, und wie wir als Gesellschaft Anreize schaffen können, dass alle Jugendlichen Zugang zu vielfältiger Literatur und Leseerfahrungen haben.
So, nachdem ich nun vom eigentlichen Thema der Frage ausreichend abgedriftet bin, wieder zurück zum Kern der Diskussion. Ich bin gespannt, wie Ihr das seht: Welche Bücher greifen die jungen Menschen in Eurer Umgebung gerade auf? Findet Ihr das spannend, unterhaltsam oder manchmal auch irritierend? Und habt Ihr vielleicht Ideen, wie wir gerade junge Männer wieder stärker für Bücher begeistern könnten?
Freut Ihr Euch über den neuen Lesehype unter jungen Menschen – oder seht Ihr manche Trends eher kritisch?
Liebe Grüße
Sophia
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Nächste Woche bei der Montagsfrage:
Was lest Ihr gerade und wie würdet Ihr Euer aktuelles Buch nur mit Emojis beschreiben?


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