Inhalt:
"Manchmal muss man nur den Mut haben, zu springen, auch wenn unter einem Haie schwimmen."
Ash hat es geschafft: Sie ist Teil der Dunkelelben-Rebellen und wird auf Anordnung von Dusk, ihrem Vater und Rebellenführer, ausgebildet. Doch nicht alle sind mit ihrer Aufnahme einverstanden und bald gerät Ash in ein Geflecht aus Intrigen. Ihr Gegenspieler ist ausgerechnet Darel, für den sie keine romantischen Gedanken mehr haben darf, denn jeder glaubt, dass er ihr Halbbruder ist. Im Kampf gegen die Unterdrückung durch die Menschen entfernen sie sich immer weiter voneinander. Doch als ihr Stiefvater Jago zum alles entscheidenden Schlag gegen die Elben ausholt, müssen die beiden zusammenarbeiten, ob sie wollen oder nicht …
Bewertung:
Schon mit ihrer magischen, komplexen Erstlingsreihe um "Chosen - Das Erwachen" und "Chosen - Die Bestimmte" hat Rena Fischer mich überzeugt und auch der Auftakt zu ihrer neuen Serie "Elbendunkel - Kein Weg zurück" hatte es ganz schön in sich. Mit "Elbendunkel - Kein Weg zu dir" endet die kurze Dystopie-Dilogie rund um verfeindete Dunkelelben, Lichtelben und Menschen in einem futuristischen San Franciso auch schon wieder. Und, was soll ich sagen - der komplexe Plot, das hohe Erzähltempo, viele Wendungen, das Gefühlschaos, liebenswerte Protagonisten, der magische Schreibstil und nicht zuletzt die hübsche äußerliche Gestaltung machen diese Reihe zu einem Buchhighlight, das sich kein Fan von dystopischen Jugendbüchern oder Fantasy entgehen lassen sollte!
"Vielleicht ist Mut nur ein Paar Flügel, um der dunklen Angst in unserem Herzen davonzufliegen."
Das Cover ist ganz hinreißend gestaltet. Auf weiß-grauem Hintergrund ist ein lila-grün-schwarzer haptisch hervorgehobener Nebelstreifen zu sehen, in dem die Silhouette eines Paares, die Golden Gate Bridge, verschiedene Gebäude und die Lichter von San Francisco zu sehen sind. Auch der Titel nimmt gekonnt die Hell-Dunkel-Kontraste auf. Ohne den Einband ist die gebundene Ausgabe weiß mit dem Titel in violetten Großbuchstaben auf dem Buchrücken, innerhalb der Buchdeckel ist jeder Kapitelanfang mit einer grauen Wolke verziert. Somit passt die Gestaltung ganz wundervoll zu der des ersten Teils und verschönert jedes Regal.
Erster Satz: "Nialls kurzer Ausflug zum Mexikaner an diesem Nachmittag startete mit einem Taco-Menü, den Anstrengungen, vor dem fleckigen Waschbecken der Toilette die Käsesoße der Nachos aus seinem künstlichen Bart zu pflücken, tatsächlichen oder auch nur eingebildeten misstrauischen Blicken der übrigen Restaurantgäste, und dem Eintreffen eines Krankenwagens um kurz nach fünf Uhr."
Rena Fischer startet nach dem recht offenen Ende ihres Auftaktbandes sofort mitten im Geschehen und führt nacheinander die drei Haupthandlungsstränge ein, die wir über die 496 Seiten begleiten. Zuersteinmal sind da Ash und Darel, die bei den Dunkelelbenrebellen unter dem Berg jeweils auf ihre eigene Art und Weise um Anhänger werben, sich dabei mit dem Anführer Dusk gutstellen und nach den Offenbarungen des ersten Teils damit zurecht kommen müssen, dass sie Halbgeschwister sind. Ihre beiden Perspektiven wechseln sich mit der von Niall und Rain ab, die zusammen zu den Lichtelbenrebellen gelangt sind, die ihrerseits nach einer friedlichen Lösung des globalen Konflikts suchen. Der dritte Handlungsstrang ist der um Nialls Freund Adrasel und Ashs beste Freundin Kelly, welche sich im Exil bei der Seherin Anobal näher kommen und eine musikalische Rebellion starten. Rena Fischer nutzt ihre 5 Erzählperspektiven hier also voll aus, um parallel die Schritte der einzelnen Parteien darzustellen und so werden wir abermals schnell in ein Wirr-Warr aus politischen Intrigen, rasant wechselnden Einzelinteressen, spannenden Verfolgungsjagden, plötzlichen Entführungen, phantastischen Prophezeiungen und alten Geheimnissen verstrickt.
"Liebe kann die Welt in leuchtende Farben tauchen oder sie in graue Asche verwandeln."
Denkbar schwer ist demnach auch der Einstig in die Geschichte. Beim Erinnern an die vielen nordischen Namen, die Hierarchie der Rebellenclans, die Organisation des dystopischen San Franciscos und die Familienverhältnisse der einzelnen Figuren hilft das Verzeichnis der wichtigsten Personen am Ende der Geschichte. Mindestens genauso hilfreich sind die beiläufigen Erläuterungen, die die Autorin während ihrer ersten Kapitel einstreut, sodass ich von Beginn an abgeholt wurde. Gleich von der ersten Seite war ich einfach an dieses Buch gefesselt und bin nicht mehr losgekommen, bis nicht auch das aller letzte Wort noch verschlungen war. Während man im ersten Teil noch zusammen mit Luz hilflos in alle Ereignisse hineinstolpert und verzweifelt versucht, alle Zusammenhänge zu verstehen, Fragmenten der Wahrheit hinterherzurennen und die Motive der Handelnden zu durchschauen, bekommt man in diesem Finale einen besseren Einblick in die Hintergründe der Story.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir verstehen würden, was die Figuren vorhaben und wer gerade was für wen tun - haha, im Gegenteil! Auch hier behält die Autorin das für sie so typische gerade noch verstehbare Maß an Undurchsichtigkeit und Verwirrung bei, das die Spannung hoch hält und enorme Mitdenkleistungen von den Lesern fordert. An dieser Stellen muss man anmerken, dass die Grundidee der Geschichte eigentlich nicht sonderlich komplex ist und einige Klischees aus dem Jugendbuchbereich beinhaltet. So ist die Protagonistin ein einzigartiges Mischwesen, kommt hinter die Lüge ihrer Identität durch einen rebellischen Jungen, steht im Mittelpunkt einer Prophezeiung, in der sie das Volk der Menschen, der Lichtelben und der Dunkelelben versöhnen muss und wird durch eine strapaziöse Krieger-Ausbildung so zur Bad-Ass-Heldin. Diese Ansätze lese ich nicht zum ersten Mal, genauso wenig wie vom "oje-wir-sind-Geschwister-und-dürfen-uns-nicht-lieben"-Problem, welches im ersten Drittel vorliegt, aber relativ bald auf vorhersehbare Art und Weise aufgelöst wird. Dennoch würde ich diese Geschichte durchaus als komplex und originell bezeichnen. Warum? Weil es genügend abwechslungsreiche und einfallsreiche Ideen rund um diese typischen Ansätze gibt, sodass diese kaum auffallen und auch Klischee-Hasser auf ihre Kosten kommen.
Ein gutes Beispiel dafür sind das Setting und die verarbeitete Mythologie. Treue Leser meines Blogs werden wissen, dass ich von Urban Fantasy in Anlehnung an überlieferte Mythologien kaum genug bekommen kann. Hier verwendet wurde die nordische Mythologie mit Lichtelben, Dunkelelben, der Anderwelt Áflheimr und der Welt der Menschen Midgard. Zwar werden die Welten der Elben und die Vorgeschichte um die Mythen in Irland nur grob angerissen und auch die Magie der Elben ist nur andeutungsweise ein Thema, doch durch die vielen kleinen Details wie zum Beispiel die gälischen Namen, fließt die mythologische Komponente flüssig in die dystopische mit ein. Letztere zeichnet das Bild einer immer brutaler gegen die Elben vorgehende Regierung, deren politische Spannung sich immer weiter zuspitzt. Die gesellschaftskritischen, politischen Parallelen zu den Themen Einwanderung und Rassismus sind leider so aktuell wie eh und je und bei den Schilderungen der Autorin ist mir das ein und andere Mal ein kalter Schauer den Rücken hinunter gelaufen. Auch der Rest des Setting wie die Zukunftstechnologien aus dem Jahr 2044 oder die Stadt San Francisco und ihre Umgebung sind schlüssig und authentisch geschildert.
Wir halten also fest: Auch wenn die nicht ganz neuen Grundideen die Story in Teilen - zum Beispiel der Liebesgeschichte - vorhersehbar machen, hat Rena Fischer doch die besten Elemente aus Liebesgeschichten, Dystopien, Fantasy und Abenteuerroman genutzt, um eine Geschichte zu schaffen, die so noch nicht dagewesen ist. Ganz große Klasse ist auch Rena Fischers Schreibstil. Man glaubt einfach nicht, dass das erst die zweite Reihe von Rena Fischer ist - zu erfahren und abgeklärt wirkt ihre Schreibweise. Gleichzeitig locker, leicht und einfach, aber dennoch ausführlich, magisch und gut durchdacht erzählt sie die mitreißende Geschichte und ihr Satzbau ist dabei abwechslungsreich und umgangssprachlich genug, um gut gelesen werden zu können, dabei aber nicht zu schlampig und ungalant formuliert. Dieser Hochseilakt meistert die Autorin wirklich super, was ich, genau wie ihre Fähigkeit, an den richtigen Stellen gefühlvoll, eiskalt, rasant oder ruhig zu schreiben, sehr bewundere. Toll sind auch wieder die Poetry-Slams, die diesmal auch durch drei Songtexte erweitert werden. Da die Autorin die Ursprungsmelodie immer mit vermerkt hat, hatte ich beim Durchlesen sofort das Lied im Kopf.
Gegen Ende wird wird das Erzähltempo immer schneller, die Kapitel immer kürzer und die Perspektivwechsel immer häufiger, bis wir dann drei Showdowns der jeweils drei Handlungsstränge lesen. Dies ist natürlich Ausdruck der ständig steigenden Spannung, doch leider gingen mir dadurch ein paar Entwicklungen etwas zu schnell. Durch den recht starken Handlungsfokus erfahren wir leider nicht mehr so viel über unsere Hauptprotagonisten, wie ich es mir nach dem Ende von Band 1 erhofft hatte und vor allem die Liebesgeschichten (zum Beispiel Rain-Niall und Adrasel-Kelly) liefen für meinen Geschmack etwas sprunghaft ab. Während im ersten Band noch ein Liebesdreieck zwischen Niall, Luz/Ash und Darel im Raum stand, ist dies sehr bald aus der Welt geschafft und Niall findet in seiner Sandkastenfreundin Rain einen neuen Love Interest (Spoiler: Die Krönung dazu war, dass Rain nach Nialls überraschendem Tod schnell die Aufmerksamkeit von Yorain auf sich zieht, welcher in meinem Kopf leider komischerweise Mitte 40 war. Versteht Ihr mein Problem...?). Zwischen Adrasel und Kelly hat sich auch schon im ersten Teil etwas leise angedeutet, doch da sie hier sehr viel Zeit miteinander verbringen, entwickeln sie schnell starke Gefühle füreinander. Versteht mich nicht falsch, die zwei zusätzlichen Liebesgeschichten (zu der von Ash und Darel) sind sehr schön zu lesen und eine tolle Ergänzung, aber hier war meines Empfindens nach zu schnell von der großen Liebe die Rede und die Figuren verhielten sich, als seien sie seit 10 Jahren verheiratet (mindestens). Positiv betrachtet: Freunde von viel Romantik werden hier Spaß haben!
Fazit:
Trotz einiger Jugendbuchklischees und den etwas hinter der Handlung zurücktretenden Protagonisten ist diese Geschichte so temporeich, komplex und spannend, dass ich es nur von Herzen weiterempfehlen kann. Denn dieses Finale arbeitet nicht nur das Dystopie-Setting und die Mythologie-Motive weiter aus, sondern sorgt außerdem mit Poetry-Slam- und Songtexten und gleich drei Liebesgeschichten für eine magische Atmosphäre!
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