Sonntag, 10. Dezember 2023

Filmempfehlung: Silber und das Buch der Träume


Dass es eine Verfilmung von Kerstin Giers "Silber"-Trilogie geben wird, habe ich erst diesen Sommer erfahren. Da ich den Cast und Trailer auf den ersten Blick nicht besonders überzeugend fand und auch die Autorin extra betont hat, dass sie als Urheberin der Reihe leider nur wenig Mitspracherecht hatte, habe ich versucht, meine Erwartungen eher gering zu halten. Vergangenen Freitag, am 8. Dezember, gab es den eineinhalbstündigen Spielfilm nun bei Prime Video zu sehen und auch wenn ich viele Kritikpunkte habe, fand ich die Verfilmung deutlich besser als befürchtet!

Darum geht´s:

Die 17-jährige Liv (Jana McKinnon) zieht mit ihrer kleinen Schwester Mia (Riva Krymalowski) nach London um, wo sie fortan bei ihrer Mutter (Nicolette Krevitz) und dessen neuen Lebenspartner inklusive Familie leben soll. Als sie in ihrer ersten Nacht in London einen seltsamen Traum von einem Friedhof hat und vier Jungs bei einem düsteren magischen Ritual beobachtet, denkt sie sich noch nichts dabei... bis sie die vier in der Realität trifft und erfährt, dass sie genau wie Henry (Rhys Mannion), Grayson (Théo Augier Bonaventure), Jasper (Efeosa Afolabi) und Arthur (Chaneil Kular) Traumreisende sind, die schlafend fremde Träume besuchen können. Doch jede Traumerfüllung hat ihren Preis und Liv muss lernen, dass die faszinierenden Ausflüge auch schnell in Albträume umschlagen können...


Das denke ich über den Film:

Um das vorweg klarzustellen: "Silber und das Buch der Träume" ist eine in jeder Hinsicht miserable Buchverfilmung. Wer den Film als Fan der Buchreihe mit der Vorlage vergleichen möchte, der kann eigentlich schon nach wenigen Minuten enttäuscht ausschalten. Akzeptiert man allerdings, dass der Film bestenfalls vom Buch inspiriert wurde und eine eigene Geschichte mit anderer Atmosphäre und älterer Zielgruppe erzählt, kann man mit dem Film trotz Schwächen durchaus Spaß haben.

Die eigentlich Handlung weicht wie bereits gesagt in vielen Punkten vom Buch ab (die Hauptbedrohung sind hier sich erfüllende Albträume, Livs Vater ist tot, Persephone drogenabhängig und Anabel die einzige Antagonistin etc...). Wenn man bei diesen Details ein Auge zudrückt, ist die Geschichte mit diesen Änderungen in sich aber recht rund und ergab für mich sogar teilweise mehr Sinn als Kerstin Giers Auflösung im Buch. Trotz der Tatsache, dass ich die Trilogie wirklich mochte, war die teilweise nicht ganz runde Handlung im Buch ein Hauptkritikpunkt für mich. Zwar gibt es auch in der Handlung des Films einige kleinere Logiklücken (der Ausbruch aus der Psychatrie zum Beispiel wirkt auch hier nicht wirklich glaubwürdig), insgesamt hat der Film aber die Möglichkeit genutzt, inhaltliche Schwächen des Buchs auszubügeln. Die veränderte Rahmenhandlung ist für mich also überhaupt kein Problem gewesen, sondern vor allem das total überhetzte Erzähltempo, aufgrund dessen sich die neue Handlung nicht entfalten konnte. 

Während die dreiteilige Silber-Reihe süßes, verspieltes Feel-Good-Fantasy war, das vor allem mit einem charmantem Schreibstil und lebendigen Figuren überzeugt hat, setzt der Film nicht auf Erzählweise oder Figuren, sondern auf Handlung, Spannung und Tempo, Tempo und noch einmal Tempo. In eineinhalb Stunden hetzt "Silber und das Buch der Träume" durch die Handlung, die grob an den ersten Teil der Reihe erinnert, allerdings dessen humorvollen Charme in Form von lockeren Dialogen, nachvollziehbaren Beziehungen zwischen den Figuren, fantasievollen Ideen und lustigen Wortspiele vermissen lässt. Durch das hohe Erzähltempo bleibt kaum Zeit, die Grundidee richtig zu erklären, geschweige denn die Liebesgeschichte oder die Figuren zu vertiefen und den Twist am Ende so aufzubauen, sodass er tatsächlich funktionieren würde. So ist der Film zwar spannend anzuschauen, fühlt sich aber keine Sekunde wie "Silber" an.

Auch wenn die Visuals hier ganz gut waren - vor allem die Darstellung des Traumkorridors und der Träume haben mir sehr gut gefallen - ist das Potenzial der spannenden Grundidee der Autorin durch die vollgestopfte Handlung leider nicht ausgeschöpft worden. Ein verschneiter Palmenstrand, ein senkrechter Wasserspiegel, ein lebensgroßes Puppenhaus, Cottagecore oder gigantische Berge sehen zwar gut aus, ich habe aber die Traummagie der Reihe vermisst, in der die Figuren ihre Träume verändern und gestalten können. Auch charmante Kniffe des Buches wie der fürchterliche Freddy oder Mr. Wu als Gatekeeper im Traumkorridor sucht man hier leider vergeblich. Dafür haben sich die FilmemacherInnen dafür entschieden, die Geschichte, die in den frühen 2010ern geschrieben wurde, in die heutige Zeit zu übersetzen. Statt des Tittle-Tattle-Blogs, der elitären Privatschule mit vornehmen Bällen und witziger Familieneskapaden wie dem Buchsbaummassaker des Bokers sehen wir hier mit Social Media Memes, Drogentoten und abgewrackten Schulgängen eine deutlich modernere, aber auch düsterere und erwachsenere Interpretation des Buches. Insgesamt: Trotz ganz anderer Atmosphäre und Ästhetik sieht der Film für ein deutsches Fantasy-Action-Abenteuer ganz ordentlich aus!

Auch vom Cast bin ich zwar nicht begeistert, kann aber auch einige Dinge positiv hervorheben. Während manche Figuren wie beispielsweise Mia, Anabel (Josephine Blazier) oder Henry sehr gut getroffen sind, musste ich mit anderen Besetzungen (z.B. Grayson als tätowierter Emo statt als blonder Sonnenschein oder Liv als abgebrühte brünette Teenager statt eines süßen blonden Mädchens) erstmal warmwerden. Nicht nur das Aussehen, sondern auch die Beziehungen, Verwandschaftsverhältnisse und Charakterzüge der Figuren wurden zum Teil stark verändert (Arthur und Persephone sind hier beispielsweise Cousinen und von Florence will ich gar nicht erst anfangen...). Und manche wurden leider auch ganz gestrichen - darunter meine absolute Lieblingsfigur Lotti, die das Herz und die Seele der Silber-Familie und damit auch der Bücher war. Aus meiner Sicht der unverzeihlichste Fehler der Verfilmung!!!

Gut gefallen hat mir allerdings, dass die Besetzung deutlich diverser ist als die Buchfiguren (die alle blond und blauäugig waren) und hier vor allem auf frische JungdarstellerInnen gesetzt wurde, deren schauspielerische Leistung nicht in allen aber in den meisten Punkten überzeugen konnte. Dadurch dass sowohl englischsprachige als auch deutschsprachige DarstellerInnen gecastet wurden, kann ich sehr empfehlen, den Film in Originalsprache zu schauen, da nur dort beide Sprachen und alle sprachlichen Nuancen vorkommen. Durch die geringe Spielzeit des Film verkommen die im Buch liebevoll angelegten Figuren aber wie gesagt leider zu grob skizzierten Randfiguren. Ich komme also immer wieder zu dem einen Punkt zurück: die fehlende Länge und das zu hohe Erzähltempo. Ich bin mir sicher, dass man den Film auch gut zu einer Miniserie hätte machen können. Mit ein bisschen mehr Ruhe hätte die Geschichte deutlich mehr Atmosphäre aufbauen und vielleicht sogar die Bücher überflügeln können. So bleibt (vor allem nach dem peinlicher Pseudo Cliffhanger à la "Inception") am Ende leider ein sehr gemischter Eindruck zurück...

Mein Urteil:

"Silber und das Buch der Träume" ist eher ein moderne Actionabenteuer als ein süßer, verspielter Fantasy-Film und basiert nur lose auf der Silber-Trilogie. Mit dem hohen Erzähltempo und den vielen Änderungen zum Buch ist die Spannung zwar höher als in der Vorlage, die Geschichte verliert aber deren humorvollen und fantasievollen Charme. 

Zum Trailer:



Bild-Quellen: Moviepilot.de

2 Kommentare:

  1. Guten Morgen Sophia :)

    Ich hab den Film gestern auch geschaut und gebe dir grundsätzlich erstmal recht, als Buchverfilmung ist es eine absolute Katastrophe. Ich konnte mich nicht mehr an viele Details aus den Büchern erinnern, aber es hat gereicht, um diese Aussage zu treffen.

    Getrennt betrachtet fand ich ihn okay. Viele gute Ansätze, aber leider nirgends richtig ausgereift. Den Figuren fehlte eindeutig die Tiefe, in der kurzen Zeit können sie die aber auch gar nicht erst bekommen. Auch habe die Liebesgeschichte nicht nachvollziehen können - nach wenigen Blicken sind wir schon verliebt? Naja ... nicht mein Fall.
    Den Traumkorridor fand ich genial dargestellt und überraschenderweise kam er meiner Vorstellung davon recht nahe :) alles andere rund ums Träumen empfand ich leider voller Logiklücken und gerade die Übergänge zwischen Traum und Realität (z.B. in der Klinik) absolut unlogisch. So funktioniert das meiner Meinung nach nicht.
    Generell empfand ich die Handlung auch als zu schnell. Warum muss man das alles in eine so kurze Zeit stopfen? Es kann sich da einfach nicht entfalten. Sicher, es gab spannende Momente, weil man nicht wusste was kommt. Aber generell wirkte es gehetzt und auch recht einfach in den Auflösungen.

    Insgesamt überwiegt doch eher die Enttäuschung. Selbst aus einer Anlehnung an die Geschichte kann man einfach mehr machen. Ich bin ja gespannt, ob es noch einen weiteren Teil geben wird ... das offene Ende fand ich doch ein wenig unnötig. Zu mal ich befürchte, dass die Kritiken keine Fortsetzungen zulassen werden.

    Lieben Gruß
    Andrea

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    1. Hey Andrea,

      ich sehe das genau wie du. Als Buchverfilmung in Vergleich zur Vorlage ist der Film eine Katerstophe! Getrennt betrachtet ist der Film in Ordnung, aber nicht überragend.
      Die Liebesgeschichte war viel zu schnell, es gab Logiklücken in der Handlung und das Erzähltempo war viel zu schnell. Wie gesagt hätte die Geschichte vielleicht besser in einer Miniserie funktioniert...
      Ob es einen weiteren Teil geben wird ist ja noch unklar, ich bin aber eher skeptisch. Zum Einen ist die Geschichte ja (trotz des unnötigen Cliffhangers) zuende erzählt und zum Anderen hat der Film ja wie du schon sagtest bisher keine überragenden Rezensionen bekommen... Mal abwarten, ich wäre auf jeden Fall nicht traurig, wenn es bei dem einen Film bleiben würde...

      Liebe Grüße
      Sophia

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