Allgemeines
Titel: Alte weiße Männer - Ein Schlichtungsversuch
Autorin: Sophie Passmann
Verlag: Kiepenheuer & Witsch (7. März 2019)
Genre: Feministische Interviews
Seitenzahl: 288 Seiten
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Bewertung
Sophie Passmann hat sich in den vergangenen Jahren als feministische Kolumnistin und Social-Media-Stimme etabliert, was hohe Erwartungen an ihr Debüt geschürt hat. Mit „Alte weiße Männer“ wendete sie sich 2019 einem gesellschaftlich aufgeladenen Begriff zu, der längst Meme, Analysewerkzeug und Kampfansage zugleich ist. Die Grundidee des Buches klingt vielversprechend: Gespräche mit 16 Männern aus Politik, Medien und Öffentlichkeit, um dem Feindbild des „alten weißen Mannes“ auf den Grund zu gehen und eine Annäherung zu wagen.
Dieser Ansatz ist sympathisch und nötigt Respekt ab, zumal Dialogbereitschaft im feministischen Diskurs oft vorschnell als Schwäche missverstanden wird. Allerdings wird bereits nach den ersten beiden Interviews klar, dass die Umsetzung der Idee weit hinter ihrem Potenzial zurückbleibt. Die Interviews drehen sich häufig im Kreis, bieten wenig neue Erkenntnisse und schenken den ohnehin meinungsstarken Gesprächspartnern erneut eine Bühne, ohne sie kritisch genug zu hinterfragen. Denn Sophie Passmann bemüht sich spürbar um Diplomatie und gibt sich große Mühe, jedem der vorgestellten Herren auch etwas Positives abzugewinnen. Klar, es soll sich hier ja auch um einen Schlichtungsversuch handeln. Das führt jedoch dazu, dass manche problematische Aussagen stehenbleiben, anstatt eingeordnet zu werden, etwas mehr Biss und kritische Nachfragen hätten definitiv nicht geschadet.
Denn Schlichten heißt nicht, Gesprächspartner mit Komplimenten zu umhüllen, die weder nötig noch aufschlussreich sind, sondern Raum für Annäherung zu schaffen ohne die eigene kritische Haltung zu verlieren. Genau diese Balance gelingt der Autorin nicht immer konsequent, wenn sie Männer als „klug“ oder „einer von den Guten“ beschreibt, obwohl sie mitunter mansplainen, warum Feminismus vielleicht gar nicht so dringend nötig sei. Das ist wirklich schade, da sie in den sprachlich glänzenden, klugen Passagen zwischen den Interviews beweist, dass sie Machtmechanismen und Geschlechterrollen eigentlich bestens durchdrungen hat.
So bleibt am Ende die Frage, was die Autorin mit diesem Buch tatsächlich wollte. Sollte es feministisches Denken für ihr Publikum zugänglich machen? Sollte es ein Dialogangebot an Männer sein? Eine Dekonstruktion des Begriffs „alter weißer Mann“? Oder eine humorvolle Studie über Männlichkeit in Machtpositionen? Das Problem ist nicht, dass das Buch keins dieser Ziele verfolgt, sondern dass es alle gleichzeitig verfolgt und keines davon wirklich zu Ende denkt. Die Gespräche bieten zu wenig Erkenntnisgewinn, um analytisch zu überzeugen; zu wenig Biss, um feministisch herauszufordern; und zu wenig Überraschungen, um journalistisch zu faszinieren. Trotzdem ist es kein schlechtes Buch. Es ist unterhaltsam, zugänglich, gut geschrieben. Aber gerade wer Passmanns sonstige Schärfe schätzt oder eine tiefergehende feministische Auseinandersetzung erwartet, wird wohl eher irritiert zurückbleiben.
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