Hallöchen,
mit dieser Woche startet für mich schon der Jahresendspurt, da mich nur noch ein Arbeitstag von meinem Urlaub bis zum Ende des Jahres trennt. Ich bin echt froh, dass ich meine Resturlaubstage genau wie im letzten Jahr für die Adventszeit aufgespart habe und nun ganz gemütlich den Feiertagen entgegen bummeln kann.
Heute gibt es nochmal eine etwas nachdenklichere Frage, auf deren Antworten ich sehr gespannt bin!
Gibt es Bücher, die Ihr "zu früh" gelesen und erst später wirklich verstanden oder schätzen gelernt habt?
Manchmal begegnen wir Büchern in einem Moment unseres Lebens, in dem wir noch nicht die richtigen Leser*innen dafür sind. Vielleicht sind wir zu jung, vielleicht fehlt uns ein bestimmtes Erfahrungswissen – oder wir erwarten schlicht etwas anderes von der Geschichte, als sie uns zu geben bereit ist. Erst Jahre später, mit einem anderen Blick auf die Welt, entfaltet sich dann die Tiefe eines Romans oder der Witz eines Klassikers; plötzlich erkennen wir Figuren wieder, die uns früher fremd waren, oder entdecken Themen, die damals an uns vorbeigegangen sind.
Die heutige Montagsfrage widmet sich genau diesem Phänomen: Bücher, die wir „zu früh“ gelesen haben und die erst mit zeitlichem Abstand ihren Wert für uns offenbaren. Es geht um jene Geschichten, die im ersten Anlauf vielleicht anstrengend, unzugänglich oder schlichtweg langweilig wirkten – und die uns später, manchmal erst Jahre danach, ganz neu berühren oder begeistern konnten. Welche Titel haben erst beim zweiten, dritten oder zeitlich weit entfernten Lesen ihre Bedeutung für Euch gewonnen? Gibt es so etwas für Euch und wenn ja woran könnte es gelesen haben?
Wenn ich auf meine eigenen Leseerfahrungen schaue, gibt es tatsächlich einige Titel, die sich erst beim zweiten oder sogar dritten Versuch richtig erschlossen haben. Ein besonders prägnantes Beispiel ist „2084 – Eine Zeitreise durch den Klimawandel“ von James Lawrence Powell. Ich habe fünf Jahre gebraucht, um dieses Buch zu Ende zu lesen. Als ich es 2020 zum ersten Mal in der Hand hatte, musste ich ganze Passagen überspringen, weil mich die düsteren Zukunftsvisionen emotional schlicht überrollt haben. Seitdem hat die Realität allerdings selbst so viel Schrecken nachgeliefert, dass man fast abgestumpft ist – eine traurige Gewöhnung an permanente Krisenmeldungen. Beim erneuten Lesen konnte ich die drastischen Bilder besser ertragen, aber ihre Wirkung bleibt unverändert: Sie gehen unter die Haut, machen Angst und zeigen mit erschreckender Klarheit, wie dringend gehandelt werden muss.
Ein ganz anderes, aber ebenso faszinierendes „Zu-früh-gelesen“-Buch ist für mich „Nathan der Weise“. 2017 habe ich das Drama als Schullektüre eher pflichtbewusst gelesen, acht Jahre später nun freiwillig – und mit einem völlig neuen Blick. Schmerzhaft ist vor allem die Erkenntnis, dass die Konflikte, die Lessing vor über 250 Jahren beschreibt, in der realen Welt immer noch erschreckend präsent sind. Gerade deshalb wirkt die Botschaft des Stücks heute fast zeitlos: Toleranz, Menschlichkeit und der Mut, Brücken zu bauen, sind Werte, die in einer zunehmend polarisierten Welt dringender denn je erscheinen. Lessings Idealismus mag naiv wirken – aber vielleicht ist es genau diese Art von Naivität, die uns aktuell fehlt.
Einen weiteren Klassiker, den ich im vergangenen Jahr endlich lesen konnte, den ich zuvor immer wieder verschoben und abgebrochen hatte, ist "Siddharta" von Herrman Hesse. Nachdem es jahrelang Staub angesammelt hat, konnte ich mich dann doch zu einem letzten Versuch durchringen und habe es in einem Rutsch durchgelesen. Rundum überzeugen konnte mich das Werk auch jetzt nicht - dafür ist mir Hesses Frauenbild einfach viel zu angestaubt -, aber dessen spirituelle Tiefe hat nun nachgewirkt.
Dann gibt es noch Bücher, die einst an meiner Stimmung und Lebenslage gescheitert sind – wie „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig. Das Buch habe ich direkt nach Erscheinen ganz fröhlich und unbedarf begonnen und dann aufgrund des Suizid-Themas sehr schnell wieder zur Seite gelegt. Das war ein Thema, für das ich mitten in der Corona-Pandemie einfach keine Ressourcen hatte. Im Oktober 2024 habe ich dann einen zweiten Versuch gewagt und das Buch schlussendlich sehr gemocht. Denn Matt Haigs Roman bietet ein lesenswertes und leicht zugängliches Gedankenexperiment mit einer starken positiven Botschaft!
Und bei einigen Titeln warte ich immer noch darauf, dass „der richtige Zeitpunkt“ kommt. Ein prominentes Beispiel ist „Der Herr der Ringe“, welches ich schon mehrmals angefangen habe. Doch egal was ich versucht habe - die Geschichte konnte mich einfach nie abholen, obwohl ich ein Fan der Filme bin. Ob noch mehr verstreichende Zeit dies kitten wird, ist allerdings fraglich. Vielleicht brauche ich ja wirklich noch ein paar Jahre Abstand – oder ich muss akzeptieren, dass das Buch für meinen Geschmack einfach zu gemächlich erzählt ist. Denn nicht jedes Werk wird mit der Zeit besser, manchmal passt es schlicht nicht zu einem und bei der riesigen Anzahl an Büchern darf man sich immer wieder fragen, welche Werke eine zweite Chance wert sind und welche man lieber loslässt.
Wie ist das bei Euch?
Liebe Grüße
Sophia
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Nächste Woche bei der Montagsfrage:
Was war Euer größter literarischer Fehlgriff 2025 und warum?
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