Die Fakten
Titel: I Hate Men (Original: Moi les hommes, je les déteste)
Autorin: Pauline Harmange
Verlag: HarperCollins (19. Januar 2021)
Genre: Essay
Seitenzahl: 80 Seiten
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Meine Eindrücke
"I Hate Men" von Pauline Harmange ist ein feministischer Essay, der seinen eigenen Mythos stärker aus dem Skandal rund um seine Veröffentlichung als aus dem Text selbst bezieht. Bekannt geworden ist der zunächst in sehr kleiner Auflage erschienene Text nämlich erst durch den großen medialen Aufschrei, der auf ein Schreiben eines französischen Ministeriumsberaters 2021 folgte, in dem er versuchte, das Buch wegen seines provokanten Titels und Inhalts als angebliche „Anstiftung zu Hass“ verbieten zu lassen. So wurde der schmale Essay, der eigentlich selbst weder revolutionär noch besonders neu gewesen wäre zu einem politischen Ereignis und gleichzeitig zu einem perfekten Symbol für die Debatte rund um Misogynie und Misandrie.
Wie schon der Titel erkennen lässt, beginnt die Autorin bei dem Verdacht, dass Frauen und insbesondere Feministinnen Männern gegenüber nicht nur misstrauisch, sondern manchmal auch ablehnend, genervt, ja feindselig eingestellt sind. Statt sich jedoch reflexhaft davon zu distanzieren, stellt sie eine provokante Frage: Was, wenn diese Abneigung nicht moralisch verwerflich, sondern eine verständliche, vielleicht sogar gesunde Reaktion auf strukturelle Unterdrückung ist? Was, wenn Misandrie kein Gegenstück zur Misogynie ist, sondern eine Überlebensstrategie? In kurzen, essayistischen Kapiteln tastet sich Pauline Harmange durch diese Idee. Sie schreibt über Beziehungen, über Heterosexualität als gesellschaftliche Falle, über die Abwertung weiblicher Wut, über Solidarität unter Frauen und über die Erleichterung, die darin liegt, einmal nicht verständnisvoll, versöhnlich oder pädagogisch sein zu müssen. Wenn Sie schreibt, sie hasse Männer, ist ihre Wut nicht destruktiv, sondern entkrampfend und eine Erlaubnis, wütend zu sein, misstrauisch zu sein, nicht ständig erklären, relativieren, verzeihen zu müssen. In einer Welt, in der Frauen systematisch Gewalt, Abwertung und Grenzüberschreitungen erfahren, ist diese Erlaubnis alles andere als banal.
Gleichzeitig bleibt beim Lesen ein Unbehagen. Denn Hass, auch wenn er verständlich ist, ist kein Zustand, in dem man dauerhaft leben kann. Das Buch weiß das eigentlich selbst, auch wenn es diese Grenze nicht immer klar markiert. Zwischen provokativer Pose und ernst gemeinter Analyse verschwimmt gelegentlich die Linie. Man liest und denkt: Ja, ich verstehe dich. Und zugleich: Reicht das? Führt uns das irgendwohin? Denn so befreiend viele Passagen auch sind, so wenig revolutionär sind sie inhaltlich. Wer sich bereits mit feministischer Theorie beschäftigt hat, wird hier kaum Neuland betreten. Vieles wirkt wie eine Verdichtung dessen, was längst auf Instagram-Kacheln, in Tweets oder Popfeminismus-Debatten kursiert. Die Analyse bleibt außerdem stark auf einer weißen, westlichen, heterosexuellen Perspektive verhaftet; Intersektionalität taucht eher als Randnotiz denn als struktureller Bestandteil auf. Auch die zentrale These ist kaum neu, sondern eher eine Neuformulierung altbekannter feministischer Grundannahmen. Im Endeffekt ist also die Empörung und Debatte rund um das Buch künstlich aufgebauscht gewesen und zeigt, wie sehr weibliche Wut immer noch polarisiert.
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