Dienstag, 27. Februar 2018

Behalt das Leben lieb

 
Allgemeines:
 
Titel: Behalt das Leben lieb
Autor: Jaap ter Haar
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (1. März 1980)
Genre: Roman
ISBN-10: 3423078057
ISBN-13: 978-3423078054
ASIN: B00BFS53XU
Preis: 12,99€ (Gebundene Ausgabe)
5,99€ (Kindle-Edition)
7,95€ (Taschenbuch)
Seitenzahl: 144 Seiten
 
 
 
Inhalt:
 
Durch einen Unfall verliert der 13-jährige Beer sein Augenlicht. In der nächsten Zeit durchlebt er Phasen der tiefsten Niedergeschlagenheit, aber auch Augenblicke der Hoffnung. Seine Familie wird vor Probleme gestellt, die nur mit viel Einfühlungsvermögen zu bewältigen sind.
 
 
Bewertung:
 
Dieses Buch habe ich mir vor einigen Jahren einmal zugelegt, da die vielen Preise, die der Roman gewonnen hat und vor allem auch das Thema mich neugierig werden ließ. Als ich jetzt endlich dazu kam es zu lesen, war ich aufgrund des geringen Umfangs der Geschichte schnell wieder fertig, trotzdem konnte das Buch mich wirklich erreichen und berühren.
 
"Phantasie? Für Beer war es ein Erlebnis. Denn: wenn man blind war, brauchte die Welt deshalb nicht kleiner zu werden. In Gedanken konnte man sie so groß, so schön oder so hässlich machen, wie man wollte."
 
 
Der kurze Jugendroman des holländischen Autors Jaap ter Haar ist schon eine ganze Weile auf dem Markt (seit 1973) und in etlichen verschiedenen Auflagen und Ausgaben auf der ganzen Welt erschienen, die neuste Auflage von 1980 ist meiner Meinung nach jedoch die ansprechendste. Zusehen ist im Vordergrund ein Junge mit einem Fußball auf dem Schoß, der scheinbar verträumt in die Leere starrt - ein Blinder, was auch die erhobene Blindenschrift auf der rechten Seite des Coverrandes bezeugt. Darüber im hellen Himmel, der im starken Kontrast zum Vordergrund fast weiß erscheint, schwebt der Titel in verschiedenen Rottönen. Der Fußball hat hier eine symbolische Wirkung für alles, was Berend durch die Erblindung verloren hat. Denn neben dem Fußball spielen gestalten sich auch andere Dinge in seinem Alltag zukünftig als schwierig. Da der Junge ganz wunderbar zu Beer passt und sein in sich gekehrter Gesichtsausdruck auch super die nachdenkliche Atmosphäre des Romans widerspiegelt, habe ich mich diesmal auch nicht einmal an der abgebildeten Person gestört- Der Titel passt natürlich ganz wunderbar und trotz dass der Roman oft als Pflichtlektüre für 8./9. Klässler angesetzt wird, hatte ich viel Spaß beim Lesen.
 
Erster Satz: "Ein schreckenerregender Schrei, von Angst und rasendem Schmerz erfüllt."
 


Das kurze Büchlein beginnt mit Berends Unfall, bei dem der 13-jährige von einer Heugabel das Augenlicht gestohlen bekommt. Als er im Krankenhaus mit einem dicken Verband um seine Augen in ständiger Dunkelheit erwacht, ist ihm noch nicht klar, was das für sein Leben alles bedeutet. Er wird dann schließlich doch mit der Tatsache konfrontiert, dass er bis ans Ende seine Lebens blind sein wird und verliert er beinahe allen Mut. Zusammen mit seinen schrägen aber liebenswürdigen Kumpanen aus dem Krankenhaus Saal 3, der Krankenschwester Will mit einem vernarbten Gesicht, seinen Eltern und einem todgeweihten Psychologie-Studenten, schafft er es jedoch, mit seinem Schicksal zurechtzukommen. Trotz seiner Verzweiflung und Angst, erfährt Beer auch immer wieder Augenblicke der Hoffnung, die ihm Wege, sein neues Leben anzunehmen und zu meistern, aufzeigen...
 
 
"In Fieberträumen war er bewusstlos in die tiefe, unerreichbare Welt hinabgetaucht, die auf dem Grunde jedes Menschen verborgen liegt. Dort bewegte er sich in dunklen Tunneln, sah drohende Ungeheuer und geriet in eine zeitlose Angst. Do er ging in der Tiefe auch durch grüne Landschaften; und Gefühle des Glücks bewiesen, dass das Tiefste der menschlichen Seele nicht allein vom Elend erfüllt ist."
 
 
Die kurze Geschichte zeigt den Weg eines Jungen auf, der versucht mit seiner plötzlichen Behinderung klarzukommen, denn das ist die Blindheit definitiv. Dinge, die vorher ganz natürlich waren und zum Alltag gehörten, werden plötzlich schwer: lesen, schreiben, laufen, sich waschen, essen, ... all das kann er ohne fremde Hilfe zunächst nicht mehr tun. Auch Hobbys wie Fahrrad fahren oder Fußball spielen fallen nun flach, was ihn zuerst in eine tiefe Krise stürzt. Auf sehr berührende und mitreißende Art und Weise wird dargestellt, wie Berend es schließlich schafft, der Niedergeschlagenheit und vieler Rückschläge zu trotzen und neu anzufangen. Er entdeckt, dass es für fast jedes Problem eine Möglichkeit gibt, damit richtig umzugehen, wenn man nur genügend Hilfe bekommt und sich gegen falsches Mitleid und Depressionen wehrt. Und wenn man eines schafft: das Leben lieb zu behalten.
 
 
"Wenn sogar der Tod dein Freund sein kann, dann kann auch die Blindheit ein guter Kamerad werden, Ich möchte so gern, dass du das Leben lieb behältst, wenn es auch manchmal enttäuscht!"
 
 
Zusammen mit dem Studenten kommt der Junge auf jede Menge Gedanken, fast schon weise Erkenntnisse und lernt, Menschen neu wahrzunehmen. Auch wenn diese Erkenntnisse manchmal ein wenig aufgesetzt schlau wirken und gezwungenermaßen cleverer wirken als die mancher Erwachsener, hat es mir sehr viel Spaß gemacht, die Entwicklung um den jungen Berend und seine Familie und Freunde zu verfolgen, was man nicht zuletzt auch dem packenden Schreibstil zuschreiben kann, der die schnelle Geschichte, die aus vielen kurzen Einzelszenen besteht, gut zusammenhält.
 
 
"Mann", sagte Beer erleichtert. Wenn er auch blind geworden war, das Wichtigste war dennoch nicht verloren gegangen. Menschen konnte man auch mit verschlossenen Augen lieben."
 
 
Die Geschichte kann dabei als kleine Parabel auf das Leben gesehen werden. Der totkranke Student zeigt uns, dass es immer noch schlimmere Schicksale gibt, als das eigene und dass man auch im Unglück noch dankbar sein kann. Die vernarbte Schwester Will und die hübsche aber unerträgliche Schwester Annie, zeigen uns, dass es die inneren Werte sind, die zählen. Beer erklärt uns, blind wir sehenden manchmal sein können, wo wir doch das Offensichtliche oft übersehen und wie eine Reduzierung auf andere Sinne weitsichtiger machen kann. Insgesamt erinnert das Buch uns daran, wie schön das Leben eigentlich ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn es einem gut geht. Ständig kommt dabei die Frage aus: Wie würde ich mit der plötzlichen Behinderung umgehen? Und man kann sich automatisch mit Berend und seinem ganzen Umfeld identifizieren.
 
 
"Es wurde eine verzweifelt lange, dunkle Nacht für Beer. Er hatte das Gefühl, seine ganze Existenz liege in Scherben und es fehle ihm die Kraft, die Scherben zusammenzufegen."
 
 
Denn wenn wir ehrlich sind: haben wir nicht auch immer wieder Tage, an denen wir fest davon überzeugt sind, unser Leben ist am Ende und uns fühlen, als würden wir in einem riesigen, dunklen Loch verschwinden. Dieses Buch macht Mut, daraus herauszuklettern, auch wenn man blind ist, Angst hat oder von anderen Problemen geplagt wird - es gibt immer einen Weg hinaus ans Licht!
 
 
Zum Abschluss noch mein Lieblingszitat:
 
"Beer lief zum offenen Fenster und atmete die Frühlingsluft tief ein. Und es war, als trüge ihm der ware Wind die Worte des Studenten zu: "Beer, was einen Menschen wirklich blind macht und lähmt, das sind Misstrauen, Angst und Auflehnung. Die machen alles dunkel. Aber mit ein bisschen Guben, ein bisschen Mut und ein bisschen Lebensbejahung bleibt es hell!"  (...)
"Ja", sagte Beer laut. Er hatte das Licht in seiner Hand."
 
 
 
Fazit:
 
Eine einfühlsame und lebensbejahende Geschichte, die uns Lesern zeigt, wie schön das Leben eigentlich ist und wie glücklich man sich schätzen kann, wenn es einem gut geht. Kurz, klug und kraftvoll.
 
 

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