Sonntag, 1. Dezember 2019

Sofies Welt



Allgemeines:

Titel: Sofies Welt
Autor: Jostein Gaarder
Genre: Roman / Philosophie
Verlag: dtv (1. Januar 2000)
ISBN-10: 3423620005
ISBN-13: 978-3423620000
Preis: 23,50€ (gebundene Ausgabe)
9,99€ (Kindle-Edition)
11,95€ (Taschenbuch)
Seitenzahl: 624 Seiten
Originaltitel: Sofies verden


Inhalt:

Mysteriöse Briefe landen im Briefkasten der 15jährigen Sofie Amundsen in Oslo. Was sollen diese Fragen: »Wer bist du?«, »Was ist ein Mensch?« und »Woher kommt die Welt?«. Sofie ist irritiert. Die Briefe werden ausführlicher und entführen sie in die abenteuerliche und geheimnisvolle Gedankenwelt der großen Philosophen. Ihr unbekannter Briefeschreiber erzählt Sofie die Geschichte Europas, der Antike, des Mittelalters und der Renaissance und dann nimmt die Geschichte eine unglaubliche Wendung.


Bewertung:

Oft zitiert, preisgekrönt, verfilmt und diskutiert - "Sofies Welt" ist mittlerweile ein echter Klassiker geworden, dem sich meiner Meinung nach jeder Leser mindestens einmal widmen sollte. Fragen wie "Wer bist du?", "Woher kommt die Erde?", "Was ist ein Mensch?", "Was ist wirklich sicher?" oder "Gibt es einen Gott?" wurden durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte anders beantwortet und sich heute noch von großer Relevanz - also warum sich nicht auf einen schnellen Crashkurs der Philosophie einlassen und eine erste Annäherung an brillante Denker und schwierige Theorien vornehmen?

"Sie stellte fest, dass man Philosophie im Grunde nicht lernen kann, aber vielleicht, dachte sie, kann man lernen, philosophisch zu denken."

Wer sich auf diesen Roman einlässt, der auf den ersten Blick mit den 600 Seiten und dem ausufernden Sach- und Personenregister am Ende recht sperrig wirkt, wird mit einer spannenden Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem genaueren Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen belohnt. Wir lernen nämlich nicht nur das Leben, den Kontext und die Theorien von Denkern wie Parmenides, Heraklit, Demokrit, Sokrates, Aristoteles, Platon, Augustins, Thomas von Aquin, Hobbes, Descartes, Spinoza, Locke, Hume, Berkeley, Kierkegaard, Marx, Darwin oder Freud kennen, sondern reisen auch durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. So kann altes Wissen über die großen Zusammenhänge der Geschichte wieder aufgefrischt und mit neuen Informationen ausgeschmückt werden. Wir befassen uns im Laufe des Romans kurz mit der Antike, dem Mittelalter, der Renaissance, dem Barock mit Reformation und Dreißigjährigem Krieg, der Aufklärung mit Industrialismus, der Romantik und der späte Neuzeit mit neuen technologischen Entwicklungen und Globalisierung.

Der Untertitel "Roman über die Geschichte der Philosophie" und der Klapptext vermitteln den Anspruch, 3000 Jahre Geschichte des Denkens, der Religion und der Wissenschaft verständlich für Jugendliche wie für Erwachsene darzustellen. Ein ganz schön gewagtes Vorhaben - selbst auf 600 Seiten müssen da natürlich Abstriche gemacht, müssen Fokusse gesetzt und komplizierte Schlussfolgerungen an einfachen Beispielen erklärt werden. Wer also durch einen leicht zugänglichen Grundkurs der Philosophie einen groben Eindruck von wichtigen Strömungen von Wissenschaft und Glaube über die Jahrhunderte hinweg erhalten will, wird in diesem Roman viele spannende neue Informationen und Blickweisen erhalten. Durch gut verständliche, eingängige Beispiele werden Zusammenhänge auch Neulingen auf dem Gebiet klargemacht und die sachbuchartigen Info-Abschnitte sind einfach genug um von Kindern und Jugendlichen verstanden werden zu können, aber doch so komplex um Erwachsene zu bereichern.



"Sie selber war einfach nur ein zufälliger Mensch. aber wenn sie ihre historischen Wurzeln kannte, wurde sie etwas weniger zufällig. Sie selber lebte nur wenige Jahre auf diesem Planeten. Aber wenn die Geschichte der Menschheit auch ihre eigene Geschichte war, war sie in gewisser Weise viele tausend Jahre alt."


Wer sich aber gerne tiefgehender mit Theorien befassen möchte oder sich selbst durch die Geschichte philosophieren möchte, sollte sich eher an den ursprünglichen Werken der Denker oder an ausführlicheren Sachbüchern orientieren. Denn wir befassen uns hier leider nur mit einer recht begrenzten Auswahl an Themen und setzen einen klaren Fokus auf die Anfänge der Philosophie und die tragen dabei wie sooft die Brille der europäischen Kultur. Außerdem setzt der Autor großteils einen sehr belehrenden Stil auf, der viele (gerade Erwachsene Leser mit Vorwissen) stören könnte. Das resultiert vor allem daraus, dass die Art und Weise, wie der Autor versucht, die Informationsblöcke aufzulockern nur bedingt funktioniert. An manchen Stellen wirken die Dialoge, zwischen Sofie und ihrem "Lehrer" Alberto Knag, die der Autor nutzt um Informationen zu vermitteln, sehr zäh und trocken, da sich immer wieder dieselbe Phrasen wiederholen und fehlende gedankliche Tiefe aufseiten von Sofie dafür sorgt, dass man den Dialog schnell als Farce entlarven kann. So wiederholen sich ständig bestimmte Phrasen vonseiten Sofies ("Erklären!", "Und das bedeutet?", "Ich verstehe.", "Erzähl.", "Beispiele bitte.", "Mach weiter.", "Ich höre.", "Begriffen."), die wie abgehackte Einwürfe erscheinen, sie aber nicht zu einem wertvollen Gesprächspartner machen. Sie stellt keine wirklichen Fragen, die sich der Leser dann selber für sich beantworten kann sondern fungiert über große Teile des Romans nur als Stichwortgeberin für den Monolog des Lehrers. So erreichen die Theorie-Teile nicht immer die gewünschte gedankliche Tiefe - aber das ist wirklich Meckern auf hohem Niveau.


"Im Garten war alles wunderbar klar und still. Die Vögel zwitscherten so energisch, dass Sofie fast lachen musste. Morgentau kullerte von den Grashalmen wie kleine Kristalltropfen. Wieder ging ihr auf, was die Welt für ein unfassbares Wunder ist."


Ein weiterer Kritikpunkt, den man in Bezug auf Sofie anbringen kann ist dass sie über die gesamte Handlung hinweg sehr blass bleibt und der Autor das Identifikationspotential, das er durch seine junge Protagonistin für ebenfalls junge Leser gehabt hätte, verschenkt. An manchen Stellen wirkt sie nicht nur kilometerweit weg sondern auch schlichtweg unsympathisch. Bevor man sich als Leser jedoch über die scheinbar total belanglose Rahmenhandlung ärgern kann, überrascht der Autor mit einer spannenden Wendung, die Sofies Geschichte nicht nur zum Medium sondern auch zum Beispiel für philosophische Probleme und deren Lösung macht. Bald wird klar, dass der Aufbau des Plots mit den zwei ineinander verschachtelten Handlungsebenen voller echter und romantischer Ironie leicht über die banale, oberflächliche Geschichte mit ihren blassen Figuren hinwegtrösten kann. Sieht man großzügig über einige Stellen hinweg, in denen der Autor etwas über das Ziel hinausschießt und konstruiert märchenhaft und übertrieben abstrakt Märchenfiguren auftauchen lässt oder die physikalischen Kräfte außer Kraft setzt, lockert die Rahmenhandlung also den Theorieteil auf und lädt unterhaltsam zum Miträtseln und Mitfiebern bei den großen und kleinen Rätseln unseres Daseins ein.


"Leben und Tod waren zwei Seiten derselben Sache. Man kann nicht erleben, dass man existiert, ohne auch zu erleben, dass man sterben muss, dachte sie. Und es ist genauso unmöglich, darüber nachzudenken, dass man sterben muss, ohne zugleich daran zu denken, wie phantastisch das Leben ist."


Das tatsächliche Ende ist wohl einfach Geschmacksache und auch wenn die Mischung aus Sachbuch und Roman an manchen Stellen etwas unausgegoren wirkt, wird diese Geschichte den Horizont sämtlicher Leser erweitern und zum Sinnieren und Reflektieren anregen.




Fazit:

Eine spannende Zeitreise durch die Geschichte der Menschheit mit einem ganz neuen Blickwinkel auf Denkweisen, Kulturen und Religionen. Eingängige Beispiele, eine unterhaltsame, gut durchdachte Rahmengeschichte und der leichte Erzählton trösten über oberflächliche, blasse Figuren und die doch recht begrenzte Auswahl an Themen hinweg. Trotz einiger kritischer Punkte zu Recht ein echter Klassiker! 


2 Kommentare:

  1. Huhu!

    Ich hab das Buch vor einer kleinen Ewigkeit gelesen und damals, als Jugendliche, hat es mich tief beeindruckt und mir immens gut gefallen. Wie es heute wäre weiß ich nicht, hab aber vor, es nochmal zu lesen, wahrscheinlich nächstes Jahr. Bin gespannt wie mein neuer Eindruck ausfallen wird :)

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Liebe Aleshanee,

      ja es ist total spannend, dass man verschiedene Bücher anders bewertet, je nachdem wann man sie liest und wie sehr man den eigenen Wissenshintergrund und eigene Erfahrungen beim Lesen miteinfließen lässt. Vor ein paar Wochen wäre mein Urteil wahrscheinlich auch noch positiver ausgefallen, da ich jetzt aber durch eine meiner Vorlesungen (Wissenschaftstheorie und Geschichte) eine Menge Hintergrundinfos bekommen habe, hat sich mein Blick auf das Thema total verändert.

      Liebe Grüße
      Sophia

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