Samstag, 4. September 2021

Kurzrezension: Poet X


Die Fakten

Titel: Poet X
Autorin: Elizabeth Acevedo
Übersetzerin: Leticia Wahl
Verlag: Rowohlt (20. August 2019)
Genre: Poetry Slam
Seitenzahl: 352 Seiten
Originaltitel: The Poet X
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Der Inhalt

Xiomara hat ihre Worte immer für sich behalten, so wie ihre strenggläubige Mutter es verlangt. In ihrem Viertel in New York übernehmen stattdessen Fäuste das Reden. Doch X hat Geheimnisse: ihre Gefühle für Aman aus ihrer Klasse; ihr Notizbuch voller Gedichte, das sie unter dem Bett versteckt – und ein Slam-Poetry-Club, der all diese Geheimnisse ans Licht bringen wird. Denn auf der Bühne bricht Xiomara schließlich ihr Schweigen und verlangt, von allen gehört zu werden.


Die Eindrücke

Handlung: Der Debütroman von US-Poetry-Slammerin Elizabeth Acevedo stand viel zu lange auf meiner Wunschliste, bis ich es auf einem Schnäppchenmarkt beim ersten Blickkontakt adoptiert habe (Übersetzung: ich habe mich ganz asozial draufgestürzt, als ich es zwischen ein paar Kinderbüchern entdecket habe und kann nicht garantieren, dass umstehende potentielle Konkurrenten keinen Rempler bekommen haben - aber was tut man nicht alles für günstige Bücher, muhahaha). Als ich "Poet X" dann gelesen habe, konnte ich kaum glauben, was mir die ganze Zeit über entgegen ist. Denn Elizabeth Acevedo erzählt hier kraftvoll, lebendig und wütend von Rassismus, Religion, Sexualität, Erwachsenwerden, erster Liebe, Freundschaft, Familie und dem Finden der eigenen Stimme. Aus der Ich-Perspektive geschrieben sind wir dabei sehr nah an unserer Protagonistin und begleiten sie durch ihren Alltag - die Schule, den Kommunionsunterricht, das Familienleben - und auch durch diverse Konflikte und Abgründe, die sich auftun, als sie beginnt, für das zu kämpfen, was sie ist: eine Poetin.

Schreibstil: Betrachtet man nur die sich hier abzeichnende Handlung und die Themen, hätte Elizabeth Acevedo also auch einen durchschnittlichen Coming-of-Age-Roman erzählen können, in dem die Protagonisten wie viele Leidensgenossen ihres Alters nach Freiheit und Selbstverwirklichung streben. Wodurch sich "Poet X" von anderen Jugendromanen abhebt, ist die Erzählweise. Die Autorin erzählt Xiomaras Geschichte in Form von 240 kurzen Gedichten, die eingeteilt in drei größere Abschnitte fließend ineinander übergehen. Dabei variieren Form, Stil, Anordnung auf der Seite und teilweise auch die Sprache - der grundsätzliche Erzählton bleibt jedoch gleich und die Energie, Wut und Vitalität, die von den wenigen Zeilen ausgeht, haben mich laufend beeindruckt. Man muss sich zwar erstmal auf das ungewöhnliche Format einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz. Dabei ist anzumerken, dass die Übersetzung durch die deutsche Poetry-Slammerin Leticia Wahl wirklich außerordentlich gut gelungen ist, ich kann mir aber vorstellen, dass das Buch in Originalsprache nochmal deutlich mehr Kraft entfaltet. 

Figuren: Hervorsticht vor allem die Hauptfigur Xiomara, deren Name "eine, die zum Kämpfen bereit ist" bedeutet und die mit ihren knapp 16 Jahren auch schon eine Menge kämpfen musste. Sie schwingt nicht nur auf den Straßen von New York für ihren zarten, nerdigen Zwillingsbruder regelmäßig die Fäuste und muss sich gegen sexualisierte Übergriffe wehren, seit sie eine üppige Figur bekommen hat, sondern steht auch im Konflikt zur strengen religiösen Erziehung ihrer Mutter, die aus dem Wildfang am liebsten eine Nonne machen würde. Aus der dominikanischen Republik stammend ist sie eine dunkelhäutige Latina und entspricht damit ganz und gar nicht der durchschnittlichen YA-Protagonistin. Und genau das war es, was Elizabeth Acevedo nach eigenen Angaben dazu gebracht hat, diese Geschichte zu schreiben: als eine Schülerin zu ihr sagte "keines dieser Bücher handelt von uns. Wo sind die Bücher über uns?" und damit anprangerte, dass auch in Büchern die Sichtbarkeit von farbigen Menschen viel zu gering ist. 


Die Zitate


"Vielleicht ist es das, was Freundschaft ausmacht.
Man hilft sich täglich gegenseitig,
die beste Version seiner selbst zu sein,
schafft einen Ort, eine Zuflucht, ein Zuhause,
wenn man es woanders verloren hat."

“Hoffnung ist das Ding mit Federn.
Und auch wenn ich zweifele, dringt sie doch flatternd in die Ecken meines Körpers“

"Sein Grinsen wirkt auf einmal traurig,
und ich denke an all die Dinge, die wir sein könnten,
wenn uns niemand sagte, unsere Körper seien dafür nicht gemacht."

"Mein Herz ist eine Hand,
die sich langsam
zu einer Faust ballt.
Es ist eine schrumpfende Rosine.
Gekrümmte Finger,
die keine andere Hand finden,
die sie hält.
Bis sie merken,
sie schneiden sich
ins eigene Fleisch."

"Wäre mein Körper eine Flasche Mineralwasser, 
dann eine, die kräftigt geschüttelt wurde,
die jeden Moment explodieren kann 
und die ganze Welt 
schwallartig überrascht."

"Es war nur ein Gedicht, Xiomara", denke ich.
Doch es fühlt sich an
wie ein Geschenk."

Fazit

Ein kraftvoller, lebendiger und wütender Jugendroman, der mit einer kämpferischen Protagonistin, wichtigen Themen und einer poetischen Erzählweise besticht. Zwar muss man sich auf das ungewöhnliche Format erstmal einlassen, das nicht ausführliche Erzählung, nicht gereimtes Gedicht, nicht vorgetragener Slam, sondern irgendetwas dazwischen ist, doch wenn man das tut, treffen die Worte direkt ins Herz. 


*keine WERBUNG, selbstgekauft*

Quelle Informationen: Amazon.de. Klapptexte und Zitate sind Eigentum des Verlags oder jeweiligen Rechtinhabers.

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