Allgemeines:
Titel: The Doll Factory
Autorin: Elizabeth Macneal
Verlag: Eichborn; Bastei Lübbe (27. März 2020)
Genre: Historischer Roman
Seitenzahl: 416 Seiten
ISBN-10: 3847900439
ISBN-10: 3847900439
ASIN: B07ZQNB2N4
ISBN-13: 978-3847900436
ISBN-13: 978-3847900436
Preis: 16,99€ (Kindle-Edition)
22€ (Gebundenes Buch)
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Inhalt:
London, 1850.
Iris schuftet unter harten Bedingungen in einer Puppenmanufaktur, doch heimlich malt sie Bilder und träumt von einem Dasein als Künstlerin. Als sie für den Maler Louis Frost Modell stehen soll und von ihm unterrichtet wird, eröffnet sich ihr eine völlig neue Welt: Künstlerische Meisterschaft, persönliche Entfaltung und die Liebe zu Louis stellen ihr Leben auf den Kopf. Sie ahnt jedoch nicht, dass sie einen heimlichen Verehrer hat. Einen Verehrer, der seinen ganz eigenen, dunklen Plan verfolgt.
Iris schuftet unter harten Bedingungen in einer Puppenmanufaktur, doch heimlich malt sie Bilder und träumt von einem Dasein als Künstlerin. Als sie für den Maler Louis Frost Modell stehen soll und von ihm unterrichtet wird, eröffnet sich ihr eine völlig neue Welt: Künstlerische Meisterschaft, persönliche Entfaltung und die Liebe zu Louis stellen ihr Leben auf den Kopf. Sie ahnt jedoch nicht, dass sie einen heimlichen Verehrer hat. Einen Verehrer, der seinen ganz eigenen, dunklen Plan verfolgt.
Bewertung:
Ich habe schon seit Längerem keinen historischen Roman mehr gelesen, da mein großes Problem mit dem Genre ist, dass die Geschichten häufig entweder zum Einschlafen langweilig oder absolut unglaubwürdig aus der Luft gegriffen sind. Es ist wirklich schwierig, historische Romane zu finden, die den Spagat zwischen korrekter Darstellung und spannender Unterhaltung schaffen, doch da ich mein Leseprogramm gerne bunt durchmische und die Geschichte interessant klang, habe ich mir trotzdem ein Exemplar angefragt. Gut für mich, denn statt einer netten Abwechslung erhielt ist eine eindrückliche, düstere aber zugleich auch bunte und auf kuriose Weise schöne Geschichte, die ich bestimmt nicht so schnell vergessen werde.
"Ich will Sie malen, weil Sie interessant sind. Ihre Erscheinung ist majestätisch. Ihr Gesicht... Ihr Gesicht ist ebenso schön wie verwirrend. Und Ihr Haar! Ein Wald aus Nadeln könnte es nicht bändigen, davon bin ich überzeugt. Wirklich außergewöhnlich!"

Erster Satz: "Wenn die Straßen am stillsten und dunkelsten sind, setzt eine junge Frau sich im Keller der Puppenmanufaktur an ein kleines Pult."

Abwechselnd mit ihr erhalten wir auch Einblick in das Leben des Kuriositätensammlers Silas Reed, der sich nach einem Treffen auf der Straße sofort in die majestätische Erscheinung von Iris verliebt. Als diese jedoch nicht auf seine Annäherungsversuche reagiert und für ihn nur die kalte Schulter übrig hat, auch als seine Leidenschaft sich zur Besessenheit steigert, beginnt ein Plan in ihm zu reifen. Mit jeder Verschmähung, Demütigung oder Ausgrenzung, die er erdulden muss, rückt die Eskalation näher und über dem jungen Glück von Louis und Iris schwebt ein Damoklesschwert...
"Und da verschmelzen alle Visionen zu einem glasklaren Bild. Zitternd vor Dankbarkeit erkennt er, was zu tun ist, wie er sich dieses Blickes würdig erweisen und sie ganz für sich allein haben kann. Wie er sie entzücken und die Traurigkeit von ihr abwaschen wird. Ein Glücksgefühl durchflutet ihn, ein bebender, zögerlicher Nervenkitzel, den er nicht benennen kann und den er am liebsten in einen Flakon abfüllen würde. Die Empfindung ist schöner als in Shaffordshire über die Wiesen zu laufen oder den gehörnten Schädel eines Widders zu finden, oder als Flick endlich zu besitzen, ihren Mund ganz allein für sich zu haben. Sie wird ihm gehören."
Ein weiterer Handlungsstrang ist der des kleinen Straßenjungens Albie, der zusammen mit seiner großen Schwester in einem heruntergekommenen Bordell wohnt und mit niederen Arbeiten über die Runden zu kommen versucht. Während seine Schwester sich prostituiert, sammelt er für Silas Tierkadaver von den Straßen auf, die er dann ausstopfen kann, näht für Iris´ Puppen kleine Leibchen und Röcke und steht später ebenfalls für Louis Modell. So verbinden sich die drei unterschiedlichen Handlungsstränge und die Protagonisten aus den unterschiedlichen Gesellschaftsschichten finden u einer spannenden Geschichte zusammen, die nicht für alle von ihnen gut ausgehen wird...
"Lügner, Teufel, Spanner. So viele Leute haben ihn ausgelacht, abgelehnt und gequält. Er schlägt mit der Faust auf die Tischplatte und steht so abrupt auf, dass der Stuhl beinahe umkippt. Er beschließt, ihr einen Besuch abzustatten."

"Albie rennt, wie er noch nie gerannt ist. Er rennt, als treibe eine Dampfmaschine seine Beine an. Die kühle Luft brennt ihm in der Kehle, der Weg scheint Stunden zu dauern. Er besinnt sich auf die besten Abkürzungen und wählt Straßen, die er kennt wie seine Westentasche. Er ist noch ein Kind, ein Junge aus der Gosse, aber er fühlt sich groß und stark. Er wird sie warnen. Er hat Silas nicht aus den Augen gelassen und den richtigen Moment abgewartet. Er weiß, was niemand sonst weiß."
Neben dem abstoßenden Teil kommt die Aufbruchsstimmung der fortschreitenden Industrialisierung und des technischen Fortschritts, die das Setting prägt sehr schön durch. Neben der Neugier der Menschen wegen der Weltausstellung und einem Bild der Gesellschaft durch verschiedene Schichten, konzentriert sich Elizabeth Macneal vor allem auf die Kunst und die frisch gegründete Präraffaelitische Bruderschaft, die als Reaktion auf die festgefahrene akademische Tradition in der Malerei entstand. Ich gebe zu, dass ich mich mit Kunstgeschichte nicht besonders gut auskenne und nach dem Lesen erstmal Dr. Wikipedia zurate ziehen musste, um zu verstehen, dass die dargestellte Geschichte und die vorkommenden Figuren zu einem großen Teil auf wirklichen historischen Begebenheiten beruhen. So lernen wir unter anderem die jungen Künstler John Millais, William Hunt und die Brüder Rossetti kennen, von denen es heute etliche Bilder zum Bestaunen gibt, erfahren beiläufig etwas über die Motive, künstlerische Ziele und Ausdrucksweise der Bruderschaft und bekommen durch etliche real existierenden Bildern und Anspielungen bewiesen, dass die Autorin gut für ihre Geschichte recherchiert hat. Zum Beispiel sind wir live dabei, als John Millais bei einem gemeinsamen Abendessen seinen größten Erfolg, die "Ophelia" plant, für das sein Modell Elizabeth Siddall (später Siddal), in einer Badewanne liegen muss, wobei sie sich eine lebensgefährliche Lungenentzündung zuziehen wird. Auch die ab und an abgedruckten Briefe an die Times des bedeutendsten Kunsthistorikers der Zeit, John Ruskin, die der Auslöser für den Wandel der öffentlichen Wahrnehmung der Bruderschaft waren, zeugen von guter Recherche.
"Es ist, als wäre ihr Leben eine nüchterne Kohleskizze gewesen, die plötzlich mit lebhaften Ölfarben übermalt wurde. (…) Sie öffnet den Mund, eine Schneeflocke landet auf ihrer Zunge. "Kannst du die fangen?", fragt sie und zeigt auf eine riesige Flocke, fast so groß wie eine Pusteblume. Louis stellt sich darunter und schnappt zu wie ein Terrier. "Was gibt es zu gewinnen?"
"Ewigen Ruhm."
"Ach so", sagt er. "Ich wusste nicht, dass es so einfach ist."

"Dort drüben", sagt sie. Louis dreht sich um. Es hängt auf Augenhöhe, absolut gerade und in der Mitte des Westsaals. Ein schimmernder, von bräunlichen Gemälden umrahmter Farbfleck. Sie ist vor aller Welt ausgestellt. Er hat sie auf der Leinwand fixiert und in ein vergoldetes Rechteck gesperrt. Da steht sie, lebensecht und im Augenblick erstarrt. Er hat sie in ihrer ganzen Schönheit eingefangen."
Beeindruckend ist, dass neben der sich entwickelnden Romanze, Iris´ Selbstfindung und künstlerischer Emanzipation und den historischen Begebenheiten noch Raum für weitere Entwicklungen und Aspekte bleibt. Gut gefallen hat mir die Darstellung von Iris´ Beziehung zu ihrer Zwillingsschwester Rose, die zwar von Neid, Bitterkeit und Missverständnissen, aber auch von enger Verbundenheit und Liebe geprägt ist. Auch der kleine Albie ist ein einfach gestrickter aber doch vielschichtiger Protagonist, bei dem einem einfach das Herz aufgeht.

"Komm herunter, denkt sie, sprich mit mir, gib mir etwas zu essen. Was sie meint: Lass mich nicht hier unten sterben. Sie hat Todesangst.
Der Vogel.
Die verklebten Flügel.
Nun sitzt sie im Käfig, und kein Kind ist in der Nähe, das die Gitterstäbe zerbrechen könnte."
Die letzten Kapitel lesen sich spannend wie ein Thriller und ich musste einfach in dem Wettlauf gegen die Zeit mit fiebern: wird Iris es schaffen, den Fängen ihres Verehrers zu entwischen? Gibt es ein Happy End? Ab gewissen Stellen der Geschichte, die mein armes Leserherz gebrochen haben, hätte ich ihr wirklich alles zugetraut. Und so wollte ich gleichzeitig, dass das Buch endlich aufhört und dass es niemals endet. Das wirkliche Ende hätte ich mir noch ein wenig ausführlicher gewünscht. Man erfährt in einer kurzen Bildbeschreibung von Iris Meisterwerk zwar alles, was man über den weiteren Fortgang der Handlung wissen muss, dennoch hätte sich mein Leserherz ein paar detailliertere Ausführungen gewünscht.
Fazit:
Ein beeindruckend vielschichtiger, düsterer aber zugleich auch bunter und auf kuriose Weise schöner historischer Roman, der mich mitgerissen, beschäftigt und berührt hat, sodass ich ihn gewiss lange nicht vergessen werde.
Auch wenn das lebensechte Porträt des viktorianischen Londons, die gute Recherche der Autorin, die komplexen Charaktere und der Thriller-Showdown mich wirklich überzeugt haben, war der Roman für meinen Geschmack zu düster, zu eklig und im Erzähltempo streckenweise zu langsam und überladen, als dass ich 5 Sterne vergeben würde.
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*unbezahlte WERBUNG*
Vielen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar, was meine ehrliche Meinung jedoch nicht beeinflusst hat.
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