Samstag, 28. August 2021

Serienempfehlung: Never Have I Ever


Da ich mit Pretty Little Liars zur Zeit nicht mehr so gut vorankomme, habe ich mich nach meiner Prüfungsphase Ende Juli nach etwas Neuem umgesehen. Mit vier bislang erschienenen Staffeln und kurzen Folgen von etwa einer halben Stunde erschien mir die Netflixproduktion "Never Have I Ever" als perfekte Serie für Zwischendurch. Als ich mit dem Schauen begonnen habe, habe ich aber noch nicht geahnt, dass ich diese US-amerikanische Coming-of-Age-Serie in wenigen Tagen wegsuchten und mich Hals über Kopf in diese tolle und witzige Geschichte verlieben würde...

Darum geht´s:

Devi Vishwakumar ist eine indisch-amerikanische Teenagerin aus Sherman Oaks in Los Angeles. Mit ihren 15 Jahren musste sie schon so einiges durchmachen. Denn kürzlich ist ihr liebevoller Vater Mohan verstorben. Das Trauma führt dazu, dass Devi für mehrere Monate nicht mehr richtig laufen kann. Nach einem desaströsen Jahr als Freshman will sie nun ihr Leben umkrempeln und ihren Status im sozialen Gefüge ihrer Highschool aufbessern. Familie und Freunde sowie das Gefühlschaos mitten in der Pubertät machen es ihr aber nicht leicht...


Deshalb sollte ich mir die Serie unbedingt ansehen:

Coming-of-Age-Komödien gibt es auf dem Mark eine ganze Menge, also ist es durchaus eine berechtigte Frage, warum man sich ausgerechnet "Never Have I Ever" ansehen sollte. Ich hoffe, nach den fünf Gründen, die ich mir überlegt habe, seid Ihr alle überzeugt und gebt der Serie nach der Idee von der US-amerikanischen Autorin, Komödiantin und Schauspielerin Mindy Kaling eine Chance.

Grund Nummer 1: Der Humor. "Never Have I Ever" erzählt mit viel Esprit vom lebendigen Chaos einer Teenager-Lebens - kurzweilig verpackt in zehn 30minütigen Folgen pro Staffel. Der Witz der Serie ist dabei vor allem auf Situationskomik und Culture-Clash-Konflikte zurückzuführen. Hervorzuheben sind jedoch auch die fabelhaft schnellen und cleveren Dialoge sowie die vielen Popkultur-Referenzen, die für den ein oder anderen Lacher sorgen. Dabei sorgt vor allem die Erzählperspektive der Serie dafür, dass man sie nicht zu ernst nimmt und es dem Drehbuch gerne verzeiht, wenn es etwas über das Ziel hinaus schießt. In dieser Serie werden die Handlungen der jungen Hauptfigur durch die wohlplatzierten Off-Kommentare von Tennisprofi John McEnroe immer wieder aufs Korn genommen, sodass einige übertriebene Szenen und der Einbezug typischer Klischees nicht negativ ins Gewicht fallen. Weshalb ausgerechnet John McEnroe hier die Off-Moderation übernimmt, wird durch eine rührende Passage mit Devis Vater erklärt. Die anfängliche Verwunderung über diese eher ungewöhnliche Erzählstimme wird jedoch bald von der Gewissheit abgelöst, dass die Serienmacher keine bessere Erzählperspektive hätten finden können. Für einzelne Folgen blicken wir auch in das Innenleben von Ben und Paxton, wobei dann auch die Erzählstimme wechselt. In Paxtons Folgen erzählt  Supermodel Gigi Hadid vom Fluch des Schönseins und Bens Sicht auf die Welt wird uns durch Comedian Andy Samberg nähergebracht. 

Grund Nummer 2: Die Hauptfigur. Devi Vishwakumar ist keine leichte Protagonistin, da sie nicht nur ihre Hormone, sondern auch ihr Temperament häufig auf den Holzweg führen und wir sie während der ersten beiden Staffeln häufig sehenden Auges ins Verderben rennen sehen. Mit ihrer rebellischen, mutigen und unberechenbarer Art und den verletzlichen, orientierungslosen Zügen, die ab und zu darunter zum Vorschein kommen, hat sie aber wesentlich mehr Tiefe, als die üblichen Teenie-Figuren und bringt eine spritzige Dynamik in die Gleichung. Besonders in den Staffeln 3 und 4 wird deutlich, wie sehr Devi sich weiterentwickelt und dazu lernt. Ihr beim Erwachsenwerden zuzusehen, macht sehr viel Spaß! Verkörpert wird Devi durch die kanadische Newcomerin Maitreyi Ramakrishnan, der es gelingt, ihre Figur vielschichtig, kompliziert, aber auch wahnsinnig lebensecht und sympathisch erscheinen zu lassen. Dazu kommt, dass die Perspektive einer jungen Inderin in Amerika noch herrlich unverbraucht ist und der Einbezug von Themen wie Identität, Kultur, Rassismus und Heimat ermöglicht. 

Grund Nummer 3 und Nummer 4: Die Diversität der Nebenfiguren und die Leistung der SchauspielerInnen: Das Leben der zu Beginn der Serie 15jährigen Hauptfigur dreht sich vor allem um ihren Familien- und Schulalltag, in welchem wir eine Bandbreite verschiedener Nebenfiguren kennenlernen. Jene werden durch die jeweiligen Schauspieler als vielschichtige Menschen mit verschiedenen ihren Problemen, Themen und Farben dargestellt, was die Serie bunt und sehr lebendig macht. Da wäre da zum Beispiel ihre Mutter Dr. Nalini Vishwakumar (Poorna Jagannathan), welche seit frühzeitigen Ableben ihres Mannes darum kämpft, eine gute Mutter und Vorbild für Devi zu sein und sie dabei mit ihren Regeln und Vorschriften in den Wahnsinn führt. Neben den Konflikten mit ihrer Tochter ist die angesehene Dermatologin auch regelmäßig zerrissen zwischen indischer Tradition und moderner Emanzipation und neuer Liebe und alten Erinnerungen. Angeheizt werden die Konflikte zwischen Mutter und Tochter häufig ungewollt durch Cousine und Biologie-Studentin Kamala (Richa Moorjani), welche mit ihrer Schönheit dem männlichen Geschlecht den Kopf verdreht und mit ihrer Fügsamkeit dem Idealbild einer indischen Tochter entspricht. Letztere wird jedoch auf die Probe gestellt, als sie nach dem Studium in eine arrangierte Ehe verkuppelt werden soll... 

Auch Devis Schulfreundinnen haben Probleme mit ihren Eltern. Während die angehende Schauspielerin mit dem asiatischen Hintergrund Eleanor Wong (Ramona Young) von ihrer Mutter im Alter von sieben Jahren im Stich gelassen wurde, steht die dunkelhäutige Kapitänin des Robotics Teams Fabiola Torres (Lee Rodriguez) vor der Frage, wie sie ihren Eltern beibringen soll, dass sie unerwartet Gefühle für ihre Mitschülerin Eve entwickelt hat. Die Probleme der Nebenfiguren verändern sich über die Staffeln hinweg zwar, die Freundschaft zwischen den drei jungen Frauen bleibt allerdings bestehen!

Als wäre das nicht schon genug Diversität, ist auch das Liebesdreieck so bunt wie es nur geht. Kandidat Nummer 1 ist der attraktive Schwimmer und Mädchenschwarm Paxton Hall-Yoshida (Darren Barnet), der mit seinem Körperbau regelmäßig den Hormonhaushalt der Teenagerin auf den Kopf stellt und auch dafür verantwortlich ist, dass sie wieder laufen kann. Kandidat Nummer 2 ist Ben Gross (Jaren Lewison), Devis jahrelange Nemesis, mit dem sie aber eine Menge gleicher Interesse, Ehrgeiz und verbindet. Die drei - die rebellische Inderin Devi, der Schönling mit den japanischen Wurzeln und einer Schwester mit Trisomie 21 und der reiche, jüdische Streber - bilden in Staffel 2 einfach ein wahnsinnig unterhaltsames und ganz schön vertracktes Liebesdreieck, bei dem sich Devi zwischen dem "Körper" und dem "Gehirn" entscheiden muss. "Never Have I Ever"... eine so diverse Serie geschaut! 

Grund Nummer 5: Der überraschende Tiefgang. Humor und Figuren hin oder her hat mich vor allem beeindruckt, wie viel Ernsthaftigkeit sich zwischen den Gags und den bunten Figuren verbirgt. Diese Serie erzählt nämlich nicht nur von überschäumenden Hormonen und Schulveranstaltungen, sondern nimmt auch die Verarbeitung von Traumata, sowie Konflikte mit der eigenen Kultur, Sexualität und Identität zum Thema. Dabei fällt auf, dass die Atmosphäre zwar über weite Strecken lustig und an vielen Stellen auch grell überzeichnet ist, die Serienmacher der Handlung aber auch viel Herz und Wärme zugestanden haben, wenn es um das Thema Familie, Verlust oder Gefühle geht. Nach 40 Folgen in 4 Staffeln ging die Serie im Sommer 2023 zu Ende und gipfelte mit einem emotional berührenden Finale, das Hoffnung macht, dass die Geschichte irgendwann wieder neu aufgegriffen wird... 

Mein Urteil:

Lustig, divers und liebenswürdig - "Never Have I Ever" überzeugt mit Humor, einer starken Hauptfigur, diversen Nebenfiguren, tollen Schauspielern und überraschendem Tiefgang! 


Zum Trailer:


Bild-Quellen: Moviepilot.de

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