Donnerstag, 15. Dezember 2016

Carrie



Allgemeines:

Titel: Carrie
Autor: Stephen King
Verlag: Bastei Lübbe (2013)
Genre: Mysterie/ Horror/ Thriller
ISBN: 978-3404169580
Seitenzahl: 320 Seiten
Preis: 9,99 € (Taschenbuch)
12,95 € (gebundene Ausgabe)
4,99€ (MP3-CD)
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Inhalt:

"Carries Augenlider hatten sich zu Schlitzen verengt. Das Blut pochte in ihren Schläfenadern. Ein Arzt hätte sich vielleicht dafür interessiert, was in diesem Augenblick in ihrem Körper vor sich ging."

Carrietta White war schon immer anders. Wegen ihrer unbeholfenen Art ist sie in der Schule eine Außenseiterin und wird gnadenlos gehänselt. Zu Hause leidet sie unter dem religiösen Fanatismus ihrer Mutter, mit der sie alleine in einer kleinen Stadt namens Chamberlain lebt, da ihr Vater verstarb, als sie sehr klein war. Nur ein einziges Mal fühlt sich Carrie so wie alle anderen Mädchen: Als sie zum Schulball eingeladen wird. Doch der Abend endet nach einem grausamen Streich in einer Katastrophe. Denn Carrie ist beseelt von einer unheimlichen Gabe. Einer Gabe, die sie ein Inferno entfesseln lässt, gegen das die Hölle wie ein lieblicher Garten Eden aussieht ...



Bewertung: 

"Carrie stand regungslos unter ihnen, ein Frosch unter Schwänen. Sie war ein rundliches Mädchen. Ihr nasses Haar war vollkommen farblos. Es klebte stumpf an ihrer Wange, und sie stand mit gebeugtem Kopf einfach da und ließ das Wasser auf sich herabprasseln. 
Sie sah aus wie ein Opfertier, wie die ewige Zielscheibe des Spottes, und sie war es. Sie wünschte sich, die Ewen Hight School hätte Einzelduschen wie die Schulen in Westover oder Lewiston. 
Sie starrten. Immer starrten sie sie an."

 
Die Geschichte von Carrie kennt wohl jeder. Der Verfilmung von 1976 ist ein absoluter Klassiker, wurde aber 2013 nochmals verfilmt. Ich habe letzteren gesehen und muss zugeben, dass das war, bevor ich das Buch gelesen habe. Eigentlich dachte ich, das Buch wäre für mich einfach noch einmal eine etwas genauere Wiederholung des Filmes, doch ich habe mich geirrt! Dieses Buch spielt mit ganz anderen Dimensionen, durch die man gleichzeitig, begeistert, entsetzt, angeekelt und ekstatisch ist. Mit der Einordnung in ein Genre habe ich mich aber etwas schwer getan, zum einen ist es eine Fallstudie, dann aber auch wieder ein Thriller und irgendwie spielt auch dass übersinnliche mit hinein, hier durch das Element der Telekinese.

Das Buch ist ein großer Erfolg gewesen und in vielen verschiedenen Ausgaben herausgekommen. Meine ist passenderweise Rot, was die viele Wut und das Blut perfekt umrandet und hat ein leicht angedeutetes Mädchen im Hintergrund, dessen Gesicht man aber nicht ganz sieht. Auch das passt perfekt. Zudem ist die Geschichte in drei Teile geteilt: "Blutsport", "Ballnacht" und "Trümmer" heißen die Abschnitte, was ebenfalls perfekt passt. Seltsamerweise hat das Buch auch keine Kapitel, doch an diesem Buch ist sowieso nichts "normal", "gewohnt" oder gar "durchschnittlich", also spielt das keine Rolle.

Dieses Buch hat mich wirklich geschockt, zum Teil wegen der Entsetzlichkeiten, die sich ereignen, und zum anderen meine eigenen Gedanken dabei. Denn das, was die Hauptperson Carrie White erleben musste, wünscht sich niemand. Man durchleidet ihr Leben, möchte sie in den Arm nehmen und trösten, ihr sagen, dass alles gut wird, sie von ihrer kranken Mutter wegnehmen, die sie einsperrt und für ihre angeblichen Sünden bestraft, die keine Sünden sein können, weil sie natürlich sind. Sie bricht zum Beispiel beim Duschen nach dem Sportunterricht aufgrund ihrer ersten Periode in Panik aus, da sie nichts davon gewusst hat. Doch keiner ihrer Mitschüler versucht ihr klar zu machen, was das Blut zwischen ihren Beinen bedeutet, dass sie zur Verzweiflung treibt. Im Glauben, sie verblutet, bewerfen sie ihre Mitschüler mit Tampons und anderen Dingen, ziehen sie auf und lassen sie mit ihrer Todesangst kämpfen.

Ihre Mutter jedoch, sperrt sie für ihre Sünde in eine kleine dunkle Kammer um für ihre Missetaten zu beten. Sie ist eine absolut wahnsinnige Frau, die sich ihrem religiösen Wahn hingibt und versucht ihre Tochter zur Unschuld der Welt zu erziehen, geradezu fanatisch und gespenstisch alles als Sünde abstraft. Eine Mutter, die sich selbst für ihr sündiges Leben hasst und ihrer Tochter zur absoluten Reinheit erziehen will, egal wie viel Kummer Carrie dabei ertragen muss. Egal, was sie ihrer Tochter dabei antut und sie sehr sie Carrie dadurch von der Gesellschaf isoliert.

Ihre telekinetischen Kräfte sind für sie ein Segen, in ihrer sonst so abscheulichen Welt und verleihen ihr Kraft und Mut und schlussendlich auch die Kraft, sich an denen zu rächen, die ihr so lange Leid zugefügt.  Und diese Rache fällt auch sehr ausgiebig aus.
Wie gesagt, ist das Faszinierende dabei, dass man als Leser nicht ein einziges Mal den Gedanken verspürt, dass sie ungerecht handelt. Insgeheim liest man die Worte, die ihre grausame Rache beschreiben und denkt sich, sie haben es verdient, sie haben es alle verdient und ist schier entsetzt über seine eigene Brutalität.

Stephen King erzählt aus verschiedenen Perspektiven Carries Leben, aus ihrer Eigenen, teilweise aus der der Leuten, die sie kannten, die manche Dinge miterlebt hatten oder auch die Sicht ihrer Peiniger, die man aufhalten möchte und doch nur zusehen kann. Dabei greift King zu ungewöhnlich Mitteln, die mich erst erstaunt und dann begeistert haben. Er benutzt seriös wirkende Zeitungsausschnitte, Berichte aus fiktiven Büchern oder teilweise wissenschaftliche Abhandlungen um das Phänomen Carrie aufzuschlüsseln und schafft dadurch die nötige Distanz zum Leser, dass er sich ein gesamtes Bild der Lage machen kann.

Immer mit einem angepassten Schreibstil, der nicht nur die Gedanken seiner Perspektivträger realistisch wiedergibt, sondern temporeich die Geschichte vorantreibt. Es zeigt sich schon am Schreibstil, dass der "Meister des Horrors", wie er oft genannt wird, keine Tabus und Grenzen kennt. Es werden die hässlichsten menschlichen Gedanken beschrieben, die einem eine Gänsehaut den Rücken hinunter jagen. Darüber hinaus übt er Kritik an den verschiedensten zentralen Themen unserer Gesellschaft wie Mobbing, Fanatismus, Egoismus usw.

Einen wirklichen Protagonisten kann man in dieser Geschichte meiner Meinung nach nicht nennen. Natürlich dreht sich alles um Carrie, trotzdem werden auch andere Charaktere immer wieder beleuchtet und keinen kann man wirklich sympathisch finden. Sue, ein Mädchen, das Mitleid mit ihr hat und ihren Freund Tommy darum bittet, Carrie zu fragen, ob sie mit ihm auf den Ball geht, ist so ein Nebencharakter. Sie ist so ziemlich das Gegenteil von Chris, die Carrie verachtet und einen perfiden Racheplan erstellt um zu rächen, dass sie wegen ihr vom Ball ausgeschlossen wurde. 

Selbst Carrie, die durch ihre schreckliche Mutter so viel Leid erdulden muss und überall aneckt, ist mehr mit einem mitleidigen Gefühl denn mit Sympathie bedacht. Sie ist als erzählende Person aber erstaunlich schlüssig. Im Film wird sie leider eher als eine Art Monster dargestellt, das sie ja auch eigentlich ist, aber da ist noch mehr! Im Buch wird die komplette Spanne vom unschuldigen, braven Mädchen bis zum grausamen Monstrum, dass sie gar nicht sein und nie werden wollte, dargestellt.

Denn genau das ist der Punkt, an dem sich das Buch von dem Horrorfilm abgrenzt und zu einem tiefsinnigen Roman wird, der nicht nur ein Höllenszenario beschwört, sondern vor allem einen Einblick in eine hilflose Unschuldige bietet, die durch ihre Ohnmacht keinen anderen Ausweg mehr sieht. Carrie ist wie ein Tier, in die Ecke gedrängt und keine andere Wahl mehr sieht, als sich zu wehren und all ihre Wut hinauszulassen. Es ist unendlich traurig zu sehen, wie sie langsam "dahinrafft" und ihre Verzweiflung herauslässt. Sie denkt, sie hätte endlich Anschluss gefunden, etwas auf das sie ihre Hoffnung setzten kann, als sie von Tommy, einer der beliebtesten Jungen der High School, zum Schulball eingeladen wird, doch dann geht das Drama erst richtig los. Durch die vielen verschiedenen Ansichten, entsteht eine abgerundete Persönlichkeit, deren Beweggründe und Gedanken man gut verstehen kann.

Auch gerade weil alle sie nur als Objekt sehen, für das sie irgendwie schon Mitleid aber vor allem Abscheu und Angst empfinden, sieht man sich als Leser zugehörig zu ihr und verspürt eine gewisse Hilflosigkeit, da man eigentlich weiß, was unausweichlich kommen wird weil es so kommen muss, aber nichts dagegen tun kann. Wie als einziger nimmt man alle Teile der Geschichte war, die sich nach und nach zu einem schlüssigen Puzzle entwickeln. Man sieht die Katastrophe, ihre Anfänge, ihre Gründe und ihre Auswirkungen.

Und nicht immer geht King dabei in chronologischer Reihenfolge vor. Er nimmt gewisse Teile vorweg, fügt andere hinzu, so dass der Leser das Ende vorzeitig weiß und es trotz allem der Spannung nicht schadet. Eigentlich würde ich eher sagen, dass genau dieses Vorwegnehmen, dass man das Ende schon von vorneherein kennt genau das ist, was dem Leser wirklich das Herz bricht, denn er möchte das ganze Unglück aufhalten, doch das kann man nicht. Ich war die ganze Zeit extrem kribbelig und angespannt während ich das Buch gelesen habe, denn diese Spannung, die Brutalität und die Psychospielchen haben es eindeutig in sich!

 Das übernatürliche Element, ihre Gabe, ist da nur noch ein Extra um dem Ganzen einen bildreichen Rahmen zu bieten und die Handlung mit einem Knall enden lässt, der einen Leser zurücklässt, der nicht weiß, der die Katastrophe bedauern oder das tragische Schicksal von Carrie beweinen soll.


„CARRIE WHITE BRENNT FÜR IHRE SÜNDEN!
JESUS IRRT SICH NIE!“



Fazit:

"Carrie" ist für mich ein durchwegs spannender Roman, mit einem noch immer aktuellen Thema, der einfach unglaublich gut konzipiert wurde!




Hier noch der Trailer zum Film:

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